Gemeinsam krank – Warum Paare häufig psychische Leiden teilen
Psychische Erkrankungen treten in Beziehungen oft bei beiden Partnern auf. Drei zentrale Ursachen erklären das Phänomen.

Psychische Belastungen wirken sich nicht nur individuell aus – auch langjährige Partnerschaften können seelische Leiden gegenseitig verstärken. © Unsplash
Wer in einer festen Beziehung lebt, teilt nicht nur den Alltag, sondern auch das Risiko für psychische Erkrankungen. Das hat eine neue internationale Studie herausgefunden. Sie zeigt: Wenn ein Partner betroffen ist, leidet der andere häufiger mit – auch im medizinischen Sinne.
Die Forscher analysierten dazu Gesundheitsdaten von über 6 Millionen Paaren aus Taiwan, Dänemark und Schweden. Die Ergebnisse sprechen für sich: In langjährigen Beziehungen treten Depressionen, Angststörungen, ADHS, Schizophrenie, bipolare Störungen, Autismus, Zwangsstörungen, Suchterkrankungen und sogar Anorexie bei beiden Partnern deutlich häufiger gemeinsam auf, als man es rein zufällig erwarten würde.
Psychische Erkrankungen treffen Paare gemeinsam
Die Experten erkennen in den Studienergebnissen ein klares Muster: Die Mehrheit der untersuchten Störungen tritt bei Paaren gleichzeitig auf – unabhängig vom Geschlecht. Lediglich bei einzelnen Diagnosen wie Zwangsstörung, bipolarer Störung und Anorexie zeigten sich leichte Unterschiede zwischen den Ländern.
Laut den Autoren gibt es drei Hauptgründe dafür:
- Menschen suchen sich oft Partner mit ähnlichem Hintergrund oder ähnlichen Erfahrungen
- Gemeinsame Lebensumstände und Alltagserfahrungen verstärken bestimmte Muster
- Langjährige Nähe kann das Verhalten und Denken beider Partner angleichen
Diese Faktoren greifen ineinander. Welcher Aspekt dabei den größten Einfluss hat, lässt sich schwer bestimmen – das Gesamtbild ist jedoch weltweit ähnlich.
Kinder tragen ein deutlich erhöhtes Risiko
Wenn beide Elternteile von einer psychischen Erkrankung betroffen sind, steigt das Risiko für ihre Kinder erheblich. Die Studie liefert auch dazu klare Zahlen:
- Schizophrenie: Risiko um das 4,5-Fache erhöht
- Bipolare Störung: dreifach erhöht
- Depression: verdoppelt
- Substanzmissbrauch: 3,3-fach erhöht
Diese Ergebnisse sind ein starker Hinweis, dass nicht nur die Gene, sondern auch das familiäre Umfeld eine Rolle bei der Weitergabe seelischer Erkrankungen spielt.
Genetische Studien müssen umdenken
Viele genetische Studien basieren bislang auf der Annahme, dass die Partnerwahl zufällig erfolgt – unabhängig von gesundheitlichen Voraussetzungen. Doch genau das widerspricht den aktuellen Befunden. Die Forscher schreiben dazu: „Angesichts der weit verbreiteten Partnerähnlichkeiten ist es wichtig, nicht-zufällige Partnerwahl in genetischen Studien psychischer Erkrankungen mitzudenken.“
Wenn Menschen mit ähnlichen psychischen Risiken zusammenfinden, verstärkt das möglicherweise die Vererbung. Studien, die diese Muster ausblenden, unterschätzen den Einfluss von Beziehung und Umfeld.
Globale Muster fordern neue Ansätze in Therapie und Prävention
Die Ergebnisse gelten für alle untersuchten Länder – unabhängig von Kultur, Religion oder Gesundheitssystem. Das weist auf ein universelles Muster hin. Psychische Erkrankungen lassen sich deshalb nicht isoliert betrachten.
Für die Versorgung bedeutet das, dass Therapieangebote stärker auf Paare zugeschnitten werden sollten. Außerdem können frühzeitige Hilfen die Risiken für Kinder verringern. Auch Prävention muss das soziale Umfeld einbeziehen, um wirksam zu sein.
Kurz zusammengefasst:
- Psychische Erkrankungen, wie Depressionen, Angststörungen oder Suchterkrankungen, treten in einer Beziehung oft bei beiden Partnern auf – das gilt laut Daten von fast 15 Millionen Menschen aus Taiwan, Dänemark und Schweden als universelles Muster.
- Haben beide Eltern dieselbe psychische Erkrankung, erhöht sich das Risiko für Kinder deutlich: Bei Schizophrenie um das 4,5-Fache, bei bipolaren Störungen um das Dreifache und bei Substanzmissbrauch um mehr als das Dreifache.
- Die Ergebnisse zeigen, dass Partnerwahl, gemeinsame Lebensumstände und Familie die Weitergabe psychischer Leiden stark prägen.
Übrigens: Nicht nur wie viele, sondern wann jemand frühere Beziehungen hatte, entscheidet über seine Attraktivität als Partner. Wer sich in jungen Jahren auslebte, wirkt langfristig vertrauenswürdiger – das zeigen Daten aus elf Ländern. Mehr dazu in unserem Artikel.
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