Warum Frauen länger leben – Gene, Paarung und Fürsorge entscheiden

Frauen überleben Männer fast überall auf der Welt. Eine Analyse von 1.100 Tierarten zeigt: Gene, Paarungssysteme und Fürsorge machen den Unterschied.

Warum Frauen länger leben: Gene und Paarung entscheiden

Männer und Frauen altern unterschiedlich – der Abstand in der Lebenserwartung bleibt auch bei besseren Lebensbedingungen bestehen. © Pexels

Frauen leben länger als Männer – und das fast überall auf der Welt. Im Schnitt beträgt der Unterschied mehrere Jahre, auch in Deutschland. Lange Zeit suchten Forscher die Ursache vor allem in medizinischen oder gesellschaftlichen Faktoren. Doch eine große internationale Studie zeigt nun: Die Wurzeln reichen tiefer. Die Unterschiede sind in der Evolution verankert und lassen sich auch bei Tieren beobachten.

Ein Team unter Leitung des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig hat Lebensdaten von mehr als 1.100 Säugetier- und Vogelarten ausgewertet. Damit liegt die bislang umfassendste Analyse zu diesem Thema vor. Sie beantwortet eine der ältesten Fragen der Biologie: Warum altern Männchen und Weibchen unterschiedlich.

Weibchen leben bei Säugetieren länger

Bei 72 Prozent aller Säugetierarten überleben die Weibchen ihre männlichen Artgenossen. Im Durchschnitt beträgt ihr Vorteil rund 13 Prozent. Bei Vögeln ist das Muster umgekehrt: Dort werden die Männchen in 68 Prozent der Arten älter, im Schnitt um fünf Prozent.

Die Forscher nutzten dafür das Zoological Information Management System (ZIMS), eine Datenbank mit Informationen zu Tieren in Zoos weltweit. So konnten sie den Einfluss von äußeren Gefahren wie Raubtieren, Krankheiten oder Nahrungsmangel ausschließen und Unterschiede zwischen Genetik und Umwelt besser abgrenzen.

Chromosomen spielen eine Rolle

Eine genetische Erklärung liefert die sogenannte heterogamete Geschlechtshypothese. Sie besagt: Das Geschlecht mit zwei unterschiedlichen Chromosomen ist anfälliger für schädliche Mutationen. Bei Säugetieren sind es die Männchen (XY), bei Vögeln die Weibchen (ZW). Weibchen mit zwei X-Chromosomen können schädliche Veränderungen leichter ausgleichen – ein Überlebensvorteil.

Doch das Modell erklärt nicht alle Befunde. „Bei einigen Arten fanden wir das Gegenteil des erwarteten Musters”, sagt Johanna Stärk, die Hauptautorin der Studie. Besonders bei Greifvögeln überleben die Weibchen häufiger – und sie sind zudem größer als die Männchen. Damit wird klar: Chromosomen erklären nur einen Teil des Unterschieds.

Konkurrenz verkürzt das Leben

Auch Paarungsstrategien wurden verglichen. In Arten mit starkem Wettbewerb um Partnerinnen setzen Männchen auf Körpergröße, Hörner oder auffälliges Gefieder. Diese Merkmale erhöhen zwar den Fortpflanzungserfolg, kosten aber Energie und machen verletzlicher. Bei vielen polygamen Säugetieren sterben die Männchen daher früher.

Bei Vögeln fällt der Unterschied geringer aus. Viele Arten leben monogam, Männchen und Weibchen beteiligen sich gemeinsam an der Brutpflege. Der Konkurrenzdruck ist schwächer, wodurch die Lebenserwartung der Männchen steigt. In monogamen Arten gleichen sich die Unterschiede zwischen den Geschlechtern am stärksten an.

Warum Frauen länger leben – elterliche Fürsorge zählt

Neben Chromosomen und Konkurrenz spielt auch die Fürsorge für die Nachkommen eine Rolle. Bei Säugetieren sind es meist die Weibchen, die lange Zeit in Aufzucht und Schutz der Jungen investieren. Ein längeres Leben erhöht die Chance, dass der Nachwuchs überlebt. Dieser Selektionsvorteil verstärkt die Langlebigkeit von Weibchen, besonders bei Primaten.

Bei Vögeln verteilt sich die Fürsorge oft gleichmäßiger. In vielen Arten beteiligen sich Männchen stark am Brüten und Füttern. Das kann erklären, warum männliche Vögel eine höhere Lebenserwartung haben.

Zoo-Daten bestätigen Unterschiede

Die Forscher verglichen Wild- und Zoopopulationen. Raubtiere, Nahrungsmangel und Krankheiten gibt es zwar im Zoo nicht, der Unterschied blieb aber dennoch bestehen – wenn auch weniger ausgeprägt. Das zeigt: Umweltfaktoren beeinflussen die Lebensdauer, heben aber genetische und evolutive Muster nicht auf.

„Die geschlechtsspezifischen Unterschiede verschwinden nicht einfach, auch wenn äußere Risiken wegfallen”, so Stärk. Genau das spiegelt sich auch beim Menschen: Bessere Gesundheitsversorgung verkleinert den Abstand zwischen Männern und Frauen, beseitigt ihn aber nicht.

Kurz zusammengefasst:

  • Frauen leben weltweit länger als Männer – dieses Muster findet sich auch bei Tieren: Weibliche Säugetiere haben meist einen Vorteil, bei Vögeln oft die Männchen.
  • Ursache sind genetische Unterschiede, aber vor allem Paarungssysteme und Konkurrenz: Polygamie verkürzt das Leben, Monogamie gleicht es an.
  • Elternfürsorge spielt ebenfalls eine Rolle: Wer mehr in die Jungen investiert, profitiert evolutionär von einer längeren Lebenserwartung.

Übrigens: Selbst bei unseren nächsten Verwandten wackelt das Bild vom allmächtigen Alpha-Männchen – in den meisten Primatengruppen herrscht kein klares Machtgefälle. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert