Einfacher Sprachtest gibt Hinweis darauf, wie viel Lebenszeit einem noch bleibt
Ob einer Person noch zwölf oder nur drei Jahre Restlebenszeit bleiben, darauf lässt laut einer neuen Studie ein Sprachtest schließen.

Das Sprachvermögen älterer Menschen kann Hinweise auf ihre verbleibende Lebenszeit geben. © Pexels
Die verbleibende Lebenszeit einer Person lässt sich durch einen ganz simplen Sprachtest herausfinden: Wie viele Tiernamen kann sie in nur 90 Sekunden nennen? Einer neuen Studie zufolge steigt die Lebenserwartung mit jeder weiteren Tiernennung im Schnitt um fünf Prozent.
Die Untersuchung basiert auf Daten der Berliner Altersstudie. Die Teilnehmer – 516 Menschen im Alter von 70 bis 95 Jahren – nahmen über Jahrzehnte hinweg regelmäßig an kognitiven Tests teil. Alle Personen verstarben während des Studienzeitraums. Der große Vorteil: Für jede Testperson lagen sowohl wiederholte kognitive Messungen, darunter auch der sogenannte Tiere-nennen-Test, als auch exakte Sterbedaten vor – ein selten genauer Datensatz.
Lebenserwartung steigt mit der Zahl genannter Tiere
Die Forscher konnten ihre Erkenntnisse mit Sterbedaten abgleichen. So ließen sich die Leistungen im Test direkt mit dem Sterbedatum in Beziehung setzen. Daraus haben die Forscher folgende Schlüsse gezogen:
- Ein durchschnittlich leistungsfähiger Mensch in dieser Altersgruppe nennt etwa 33 Tiere in 90 Sekunden. Wer das schafft, hat statistisch gesehen noch rund zwölf Jahre vor sich.
- Wer nur etwa elf Tiernamen nennt, kann im Mittel mit drei weiteren Lebensjahren rechnen.
Von diesem Sprachtest lässt sich laut den Forschern verlässlicher auf die verbleibende Lebenszeit schließen, als von anderen kognitiven Prüfungen. Co-Autor der Studie Ulman Lindenberger vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung erklärt gegenüber der Tagesschau: „Man muss den Test schnell machen, man muss aus dem Langzeitgedächtnis die Sachen rausholen und man muss gleichzeitig so eine Art Erinnerung an die eigene Handlung neben sich herführen, damit man nicht ständig wieder die gleichen beiden Wörter wiederholt.“
Tiernamen-Test zeigt fast 9 Jahre Unterschied in der Lebenserwartung
Zentrale Kennzahlen:
- Gesamte Stichprobe: 516 Personen, alle verstorben
- Durchschnittliche Überlebenszeit: 5,17 Jahre nach Testzeitpunkt
- Tiernamen-Test:
- Niedrige Leistung (ca. 11 Tiernamen): 3,01 Jahre
- Hohe Leistung (ca. 33 Tiernamen): 11,99 Jahre
Weitere Erkenntnisse zum Sterberisiko:
- Pro zusätzlichem Lebensjahr bei Studienbeginn stieg das Mortalitätsrisiko um 7,82 Prozent
- Frauen hatten ein 31,51 Prozent geringeres Risiko als Männer
- Ein Demenzverdacht erhöhte das Risiko um 40,39 Prozent, wenn kognitive Testergebnisse nicht berücksichtigt wurden
Kognition wird besser erfasst als bei klassischen Tests
Im Vergleich zu anderen kognitiven Verfahren ist der Tiere-Test nicht nur einfacher, sondern auch sensibler gegenüber altersbedingten Einbußen. Laut Lindenberger verlieren Menschen zwar mit dem Alter viele Fähigkeiten wie Multitasking oder das Merken von Wortlisten, doch die Fähigkeit, viele Begriffe aus einer Kategorie schnell zu nennen, bleibt länger erhalten.
Wenn diese Fähigkeit anfängt nachzulassen, dann scheint dies in einem besonderen Zusammenhang zur abnehmenden Lebenserwartung zu stehen.
Ulman Lindenberger, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung
Auch soziale Faktoren wie Schulabschluss oder Einkommen beeinflussen den Test kaum. Zwar haben Menschen mit höherer Bildung meist einen größeren Wortschatz, doch der Einfluss auf das Testergebnis und die Lebenserwartung bleibt gering. Der Grund: Tiere gehören zum Alltag vieler Menschen, völlig unabhängig vom Bildungsstand. Ob jemand Akademiker oder Handwerker ist, spielt für den Test also kaum eine Rolle.
Eine groß angelegte Metaanalyse ergab jedoch, dass Menschen mit höherem Bildungsgrad härter von einer Demenz getroffen sind. Ihre Lebenserwartung nach einer Diagnose ist kürzer als die anderer Menschen.
Kombination mit einem weiteren „tierischen“ Test denkbar
Lindenberger bringt auch eine Kombination mit dem sogenannten Flamingo-Test ins Spiel. Bei diesem Balance-Test wird gemessen, wie lange eine Person auf einem Bein stehen kann. Beide Tests erfassen unterschiedliche Bereiche: Sprache und Denken auf der einen Seite, körperliche Koordination auf der anderen.
Nach Einschätzung der Forscher könnten beide Verfahren zusammen noch zuverlässiger Hinweise auf die Restlebenszeit geben. Gleichzeitig mahnt Lindenberger zur Vorsicht: „Die Zusammenhänge drücken eine Wahrscheinlichkeit aus. Sichere Aussagen über die tatsächlich verbleibende Lebenszeit einzelner Personen lassen sich daraus nicht ableiten“, betont er.
Kurz zusammengefasst:
- Ein einfacher Sprachtest, bei dem ältere Menschen in 90 Sekunden möglichst viele Tiere nennen, kann Hinweise auf ihre verbleibende Lebenszeit geben.
- Je mehr Tiernamen genannt werden, desto höher ist statistisch gesehen die Restlebenszeit.
- Der Test funktioniert unabhängig von Bildung oder Einkommen und erfasst kognitive Fähigkeiten besonders zuverlässig.
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