Morgens immer müde – Ein späterer Schulstart stoppt den „sozialen Jetlag“

Müde Schüler durch frühen Schulstart: Flexible Zeiten könnten Schlafmangel ausgleichen und den „sozialen Jetlag“ endlich beenden.

Müde in die Schule? Jugendliche sollten später starten - um den „sozialen Jetlag“ zu vermeiden. © Pexels

Müde in die Schule? Jugendliche sollten später starten - um den „sozialen Jetlag“ zu vermeiden. © Pexels

Abends kommen sie oft zu spät ins Bett, und morgens reißt der Wecker sie gnadenlos aus dem Schlaf. Der Schulstart um 8 Uhr ist für viele Jugendliche schlichtweg zu früh. Müde und erschöpft sitzen sie in den Klassenzimmern – ein Zustand, der nicht nur die Konzentration, sondern auch die Gesundheit beeinträchtigt. Warum? Die Antwort liegt im Biorhythmus: Während der Pubertät werden Jugendliche zu Spättypen. Sie werden abends später müde und brauchen morgens mehr Schlaf, um erholt zu sein. Doch der frühe Schulstart sorgt für ein ständiges Schlafdefizit – ein Zustand, den Chronobiologe Till Roenneberg von der LMU München als „sozialen Jetlag“ bezeichnet.

Zum Schulstart zu müde: Mehr als nur ein Weckerkampf

Die Folgen von Schlafmangel gehen weit über Müdigkeit hinaus. Wissenschaftler wie der Schlafmediziner Michael Feld warnen vor ernsten Konsequenzen. Jugendliche, die dauerhaft zu wenig schlafen, riskieren langfristig gesundheitliche Probleme wie Übergewicht, Diabetes oder Depressionen. Noch dramatischer: Der Schlafmangel könnte wichtige Entwicklungsprozesse des Gehirns behindern. Denn gerade während der REM-Schlafphasen, die vor allem in den frühen Morgenstunden stattfinden, verknüpft das Gehirn Nervenbahnen neu – ein essenzieller Schritt in der Pubertät.

„Wenn ich den Schulbeginn früh lasse, schneide ich dem Jugendlichen sozusagen seine Hirnreifungsphasen ab“, erklärt Feld im ZDF. Die erste Unterrichtsstunde, oft begleitet von offenen Augen, aber schlafenden Gehirnen, ist deshalb für viele Jugendliche kaum produktiv.

Flexible Schulzeiten: Ein Modell mit Erfolg

Eine Studie der Ludwig-Maximilians-Universität München hat untersucht, wie sich flexible Schulbeginnzeiten auf den Schlaf und die Zufriedenheit von Schülern auswirken. An einer weiterführenden Schule in Alsdorf bei Aachen wurde ein Modell eingeführt, das Oberstufenschülern erlaubte, zwischen einem Start um 8 oder 9 Uhr zu wählen. Die Ergebnisse waren beeindruckend: Schüler, die später begannen, schliefen durchschnittlich 1,1 Stunden länger. Auch die Schlafqualität verbesserte sich, und das unfreiwillige Wecker-Aufwachen wurde reduziert.

Die Untersuchung, die über Schlaftagebücher und Messgeräte an den Handgelenken durchgeführt wurde, zeigte jedoch auch: Die Gesamtschlafdauer der Schüler nahm nicht signifikant zu. Das lag daran, dass nicht alle Jugendlichen die späten Startoptionen regelmäßig nutzten. Trotzdem berichteten viele von einer besseren kognitiven Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit mit dem flexiblen System.

Skandinavien als Vorbild

Während in Deutschland flexible Modelle wie am Dalton-Gymnasium in Alsdorf noch eine Ausnahme sind, sind sie in Ländern wie Finnland längst etabliert. Dort beginnen Schüler später und schneiden in internationalen Vergleichsstudien wie Pisa regelmäßig hervorragend ab. Hirnstrommessungen haben gezeigt, dass Schüler bei späterem Unterrichtsbeginn wacher und aufnahmefähiger sind.

Till Roenneberg sieht darin einen klaren Vorteil:

Ein starrer Schulbeginn um 8 Uhr ist nicht nur ineffizient, sondern auch biologisch diskriminierend.

Die positiven Effekte flexibler Systeme können nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Bildungsergebnisse der Schüler nachhaltig verbessern. Obwohl Studien wie die der LMU München oder positive Beispiele aus Skandinavien die Vorteile eines späteren Schulbeginns belegen, bleibt die deutsche Schullandschaft vorerst starr.

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Bleibt Deutschland beim frühen Schulstart?

Der Unterrichtsbeginn um 8 Uhr ist in Deutschland die Norm – doch biologisch passt er nicht überall. „Pro Längengrad in Richtung Westen sind die biologischen Uhren der Menschen vier Minuten später dran“, erklärt Roenneberg in der Süddeutschen Zeitung. „Für den ländlichen Ostrand Deutschlands ist die Uhrzeit in Ordnung – für den Rest nicht.“

Menschen im Westen werden später müde und sollten auch später aufstehen können. Flexible Schulstartzeiten könnten eine Lösung bieten, doch bisher sind sie in Deutschland selten.

Was du dir merken solltest:

  • Jugendliche sind morgens oft müde, weil ihr Biorhythmus mehr Schlaf verlangt – der frühe Schulstart bringt sie jedoch in chronischen Schlafmangel und „sozialen Jetlag“.
  • Schlafmangel beeinträchtigt nicht nur die Konzentration, sondern erhöht auch langfristig Gesundheitsrisiken wie Depressionen, Übergewicht und Diabetes.
  • Studien zeigen, dass flexible Schulstartzeiten den Schlaf, die kognitive Leistungsfähigkeit und die Gesundheit von Jugendlichen deutlich verbessern können.

Übrigens: Jugendliche kämpfen nicht nur mit Müdigkeit und frühem Schulstart, sondern auch mit Sorgen um Krieg, Klimakrise und Zukunft. Wie Leistungsdruck und mangelnde Unterstützung das Leben vieler Schüler belasten, erfährst du in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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