Die Stadt zerstört unsere Resilienz gegen Stress, die Natur kann sie wieder heilen

Menschen in der Stadt sind höherem Stress ausgesetzt als die auf dem Land. Dabei würde schon etwas mehr Grün einen Unterschied machen.

mohamed-b-yM4gPChxJNA-unsplash

Auf dem Weg zur Arbeit einen Flecken Natur zu passieren, kann bereits eine große Hilfe gegen Stress sein. © Unsplash

Menschen in der Stadt erleben häufig mehr Stress als diejenigen, die auf dem Land leben, berichtet der NDR. Verkehr, soziale Isolation und Lärm gehören für viele Stadtbewohner zum Alltag und können die Psyche stärker belasten, als man meint. Forscher der Neurourbanistik beschäftigen sich intensiv mit den Ursachen für diesen sogenannten „Stadtstress“ und suchen aktiv nach Lösungen.

Mazda Adli, Stressforscher und Leiter des Forschungsbereichs affektive Störungen an der Charité in Berlin, erklärt: „Das Risiko für Depressionen ist anderthalbmal so groß, wenn man in der Stadt lebt, im Vergleich zum Leben im ländlichen Raum.“ Auch Angsterkrankungen und Schizophrenie treten in städtischen Gebieten doppelt so häufig auf.

Lärm und Reizüberflutung in der Stadt verstärken Stress

Die städtische Umgebung birgt eine Vielzahl an Stressfaktoren: Blinkende Schilder, hupende Autos und enge Wohnräume belasten das Gehirn. Der prägende Lärm und die permanente Reizüberflutung unterscheiden das Stadtleben vom ruhigeren Landleben. Das sorgt dafür, dass Stress bei Stadtbewohnern anders verarbeitet wird – stressverarbeitende Areale im Gehirn reagieren empfindlicher. Die „Stressantennen“, wie Adli sie nennt, reagieren sensibler auf Reize und können zu Eingangspforten für psychische Erkrankungen werden. 

Ein weiterer Faktor ist der fehlende Rückzugsraum. Obwohl der Wohnraum pro Person zunimmt, leben etwa zehn bis zwölf Prozent der Deutschen in beengten Verhältnissen. Öffentliche und grüne Flächen, die als Erholungsorte dienen könnten, fehlen vielerorts.

Umgeben von Menschen und dennoch einsam

Obwohl Menschen in der Stadt ständig von anderen umgeben sind, fühlen sich viele isoliert. Laut dem NDR empfindet über 40 Prozent der städtischen Bevölkerung Einsamkeit. Der Sender bezieht sich dabei auf Zahlen des Sozio-Ökonomischen Panels (SOEP) aus dem Jahr 2021. Insbesondere die soziale Isolation verstärkt psychische Belastungen weiter.

Andreas Meyer-Lindenberg, Direktor des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit, erklärt: 

In der Stadt ist die Packungsdichte an Menschen erhöht. Man sieht mehr Menschen, aber man hat trotzdem weniger positive Interaktionen. Auf dem Land hingegen sieht man weniger Menschen, hat aber trotzdem häufiger positiv wahrgenommene Unterhaltungen – weil man die Leute eben eher kennt und sie Interesse an einem zeigen.

Resilienz als Schutzschild

Resilienz, also die psychische Widerstandsfähigkeit, kann helfen, die Belastungen des Stadtlebens besser zu bewältigen. Andreas Meyer-Lindenberg empfiehlt einfache Maßnahmen, wie etwa die etwas grünere Route zur Arbeit zu nehmen, die mehr Bäume hat. Selbst wenn man sie nur aus dem Augenwinkel sieht, haben Natur und Grün einen entspannenden Effekt.

Schon ein paar Bäume können stressregulierende Areale im Gehirn aktivieren und die psychische Gesundheit verbessern. Der Einfluss von Lärm und Feinstaub hingegen blockiert die Stressbewältigung. Die Natur bietet also nicht nur Erholung, sondern hilft auch, die negativen Effekte des Stadtlebens abzufedern. Neben der persönlichen Resilienz sollte auch die Stadtplanung angepasst werden. Mehr grüne Flächen und öffentliche Begegnungsorte könnten die Lebensqualität erheblich verbessern.

Eine Nachbarschaft muss so gestaltet sein, dass die Menschen gern vor die Haustür gehen.

Mazda Adli

Ein Hamburger Projekt gegen den Stadtstress

Am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) untersucht die Arbeitsgruppe „Seeing Green“, wie stressfreie Umgebungen geschaffen werden können. Die Gestaltung der Umgebung hat nachweislich Einfluss auf das Wohlbefinden. Runde Formen in der Architektur oder grüne Innenhöfe können das Stressniveau senken und die kognitive Leistungsfähigkeit steigern. 

Diese Erkenntnisse sind auch im Hinblick darauf wichtig, wie man in Kliniken eine möglichst heilsame Umgebung schafft. So zeigte laut dem NDR eine Studie, dass Patienten in einem Krankenzimmer mit Blick auf eine Grünfläche weniger Schmerzmittel benötigen und schneller genesen sind.

Was du dir merken solltest:

  • Menschen in der Stadt erleben häufig mehr Stress durch Lärm, soziale Isolation und enge Wohnräume.
  • Studien zeigen, dass psychische Erkrankungen wie Depressionen und Schizophrenie in Städten häufiger auftreten.
  • Kontakt zur Natur und eine angepasste Stadtplanung können Belastungen mindern und die Lebensqualität verbessern.

Bild: © Unsplash

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert