Abbruch beim Weltnaturgipfel: Streit ums Geld blockiert Naturschutzpläne

Der Weltnaturgipfel in Kolumbien wurde wegen Finanzierungsstreitigkeiten abgebrochen, wodurch wichtige Naturschutzziele gefährdet sind.

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Die kolumbianische Umweltministerin und Konferenzpräsidentin Susana Muhamad brach den Weltnaturgipfel ab. © Wikimedia

Der Weltnaturgipfel in Cali, Kolumbien, brachte die Mitgliedsstaaten der UN-Convention on Biological Diversity (CBD) zusammen, um über drängende Maßnahmen zum Schutz der globalen Biodiversität zu verhandeln. Im Zentrum der Diskussion stand die Umsetzung des ambitionierten „30:30“-Ziels: Bis 2030 sollen 30 Prozent der weltweiten Land- und Meeresflächen unter Schutz gestellt werden. Zudem sollen 30 Prozent geschädigter Naturflächen renaturiert werden. Trotz intensiver Verhandlungen blieb die Frage der Finanzierung ein Streitpunkt, der schließlich zum Abbruch des Gipfels führte.

Am Samstagmorgen (2. November 2024), nach einer ganzen Nacht intensiver Verhandlungen, musste die kolumbianische Präsidentschaft den Gipfel abbrechen, weil keine Einigung erzielt wurde, wer die Kosten für den weltweiten Biodiversitätsschutz tragen soll. Zahlreiche Delegierte hatten bereits den Heimweg angetreten, was den ohnehin angespannten Verhandlungsprozess erschwerte. Die Dringlichkeit bleibt: Millionen bedrohter Arten sind auf unmittelbaren Schutz angewiesen. Laut ZEIT Online konnten dennoch bereits einige Fortschritte erreicht werden.

Von Montreal nach Cali: Ein steiniger Weg

Der Ausgang der Verhandlungen zeigt, wie komplex die Umsetzung globaler Umweltschutzmaßnahmen ist. Vor zwei Jahren hatten die Staaten in Montreal einen wichtigen Meilenstein erreicht, als sie sich im Rahmen der CBD auf den Schutz der Biodiversität verständigten. Dieser Moment wurde als „Paris-Moment“ gefeiert, in Anlehnung an das Pariser Klimaschutzabkommen. Doch die ambitionierten Ziele, die bis 2030 greifen sollen, stehen bislang auf wackligen Beinen: Lediglich 17,6 Prozent der Land- und 8,4 Prozent der Meeresflächen weltweit sind momentan geschützt. ZEIT Online zufolge haben erst etwa 40 der knapp 200 CBD-Unterzeichnerstaaten konkrete Strategiepläne für den Natur- und Artenschutz vorgelegt, was die Zielerreichung stark gefährdet.

Naturschutz gegen wirtschaftliche Interessen

Cali zeigte eindrucksvoll, wie hart umkämpft die Themen Biodiversität und Naturschutz weltweit sind. Besonders in Ländern mit reichen natürlichen Ressourcen, wie Kolumbien, werden die Widersprüche zwischen ökologischen und ökonomischen Interessen besonders deutlich. Während das Land als einer der artenreichsten Orte der Erde gilt, bedrohen Bergbau und Monokulturen die empfindlichen Ökosysteme. Indigene Gemeinschaften, die sich für den Erhalt dieser Natur einsetzen, geraten oft unter Druck. Dieser Konflikt zeigt sich auch in anderen Regionen des globalen Südens, wo wirtschaftliche Interessen häufig mit Naturschutzvorhaben kollidieren. Für viele Staaten geht es dabei um mehr als nur wirtschaftliche Unterschiede – die kolonialen Strukturen, die heute noch in diesen Beziehungen spürbar sind, sind ebenfalls ein belastendes Erbe.

Neue Mitspracherechte für indigene Gemeinschaften

Ein wichtiger Erfolg des Gipfels war die Einrichtung einer neuen Arbeitsgruppe, die indigene Völker stärker in die Biodiversitätskonvention einbindet. Indigene Gemeinschaften, die in artenreichen Lebensräumen wie dem Amazonas leben, gelten als wichtige Hüter der Biodiversität. Sie bewahren nicht nur die Natur, sondern auch wertvolles Wissen über den Erhalt dieser Ökosysteme. Diese Entscheidung wird als historischer Schritt gewertet, da sie den indigenen Gemeinschaften eine Stimme in den nationalen Biodiversitätsplänen verschafft.

Umstrittener „Cali-Fonds“ für genetische Ressourcen

Im Zuge der Verhandlungen wurde zudem der sogenannte „Cali-Fonds“ beschlossen, der Unternehmen, die genetische Ressourcen für Produkte wie Saatgut, Medikamente oder Kosmetika nutzen, in die Pflicht nimmt. Diese Unternehmen sollen einen Teil ihrer Gewinne in den Schutz der Biodiversität investieren. Bislang bezogen sich solche Ausgleichszahlungen auf physisches Material, doch der technische Fortschritt hat dazu geführt, dass zunehmend DNA-Daten digital genutzt werden. ZEIT Online bezeichnet diese neue Regelung als wichtigen Erfolg für Entwicklungsländer, die eine faire Beteiligung an der Nutzung ihrer biologischen Ressourcen einfordern.

Ein ungelöstes Problem: Die Frage der Finanzierung

Ein zentrales Hindernis bleibt die Finanzierung. Laut Montreal-Abkommen wollen die Länder jährlich 200 Milliarden Dollar für den Schutz der Biodiversität bereitstellen, darunter 20 Milliarden Dollar als Unterstützung für ärmere Staaten. Doch bisher wurden lediglich 400 Millionen zugesagt – ein Bruchteil der geforderten Summe. Während Entwicklungs- und Schwellenländer einen eigenen Fonds bei der CBD befürworten, möchten die Industriestaaten den bestehenden globalen Umweltfonds nutzen. Die EU und andere Industrienationen lehnen eine neue Struktur ab, die nach Ansicht der ärmeren Länder jedoch mehr Mitspracherecht gewähren würde.

Starke Präsenz der Wirtschaft beim Gipfel

Der Weltnaturgipfel verzeichnete eine hohe Beteiligung von Wirtschaftsvertretern, darunter rund 2.000 Lobbyisten. Insbesondere die Lebensmittelindustrie zeigt inzwischen wachsendes Interesse am Naturschutz, da sie zunehmend auf nachhaltige Rohstoffquellen angewiesen ist. Trotz des Widerstands fossiler Energiekonzerne und einiger Teile der Agrarindustrie wird der wirtschaftliche Nutzen der Biodiversität deutlicher, da die Versorgung mit Wasser und Rohstoffen langfristig ohne Naturschutz gefährdet ist.

Verknüpfung von Klima- und Biodiversitätskrise als Leitmotiv

Einen weiteren Schwerpunkt bildet die Tatsache, dass die Biodiversitäts- und Klimakrise eng miteinander verbunden sind. Der Verlust an Biodiversität beeinträchtigt die Fähigkeit der Natur, Kohlenstoff zu speichern und das Klima zu regulieren. ZEIT Online berichtet, dass die CBD diesen Zusammenhang stärker betonen möchte, um sowohl die Artenvielfalt als auch das Klima zu schützen.

Was du dir merken solltest:

  • Der Weltnaturgipfel in Cali setzte sich das Ziel, bis 2030 weltweit 30 Prozent der Land- und Meeresflächen zu schützen. Zudem sollen stark geschädigte Naturräume renaturiert werden. Doch die Frage der Finanzierung führte zum Abbruch der Verhandlungen.
  • Konflikte zwischen Naturschutz und wirtschaftlichen Interessen erschweren globale Biodiversitätsziele. Insbesondere indigene Gemeinschaften in artenreichen Regionen brauchen Schutz und haben nun erstmals Mitspracherechte erhalten.
  • Trotz der offenen Finanzierungsfrage wurden Fortschritte erzielt. Darunter der „Cali-Fonds“, der Unternehmen verpflichtet, bei Nutzung genetischer Ressourcen in den Biodiversitätsschutz zu investieren.

Übrigens: Wem gehört das Saatgut weltweit? Diese Frage wird mit der zunehmenden Bedeutung digitaler Sequenzinformationen für genetische Ressourcen immer dringlicher. Welche Probleme in Bezug auf die Biodiversität dabei im Raum stehen, erfährst du in unserem Artikel.

Bild: © Fotografía oficial de la Presidencia de Colombia via Wikimedia unter Public Domain

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