DNA-Analyse berüchtigter Löwen deckt auf: Das war die Beute der „Menschenfresser von Tsavo“
DNA-Analysen zeigen, wovon sich die „Menschenfresser von Tsavo“ ernährt haben. Zur Beute der beiden Löwen gehörten nicht nur Menschen.
DNA-Analysen geben erstmals einen detaillierten Einblick in die Beute zweier Löwen, die als die „Menschenfresser von Tsavo“ berühmt-berüchtigt wurden: Mindestens 31 tote Menschen werden ihnen angerechnet, andere Schätzungen gehen von mehr aus.
Diese beiden Exemplare – mähnenlose Löwenmännchen – terrorisierten von März bis Dezember 1898 Arbeiter beim Bau einer Eisenbahn zwischen Kenia und Uganda sowie die Einheimischen in der Region Tsavo. Den Bau der Eisenbahn ordnete die britische Kolonialmacht an, die zu dieser Zeit das Gebiet kontrollierte. Wie viele Menschen die beiden Löwen getötet haben, ist bis heute unklar. Heutige Schätzungen gehen von mindestens 31 Todesopfern in der Nähe des Tsavo-Flusses aus.
Oberstleutnant John Henry Patterson, der die Löwen im Dezember 1898 erschoss, sprach laut National Geographic in seinem Buch „The Man-eaters of Tsavo“ von 135 Todesopfern. Heute befinden sich die Überreste der Löwen im Field Museum of Natural History in Chicago.
Neue Erkenntnisse durch alte DNA
Im abgebrochenen Zahn eines der Löwen fanden Forscher zahlreiche Haare, darunter auch menschliches Haar. Diese wurden aus den Zähnen des Raubtiers entfernt und zunächst unter dem Mikroskop untersucht. Neue Techniken der DNA-Analyse ermöglichten nun eine genauere Untersuchung dieser Haare, wie das Journal Nature berichtet.
Dank der Fortschritte in der Analyse antiker DNA war es den Wissenschaftlern möglich, die Haare zu analysieren, ohne eine Haarwurzelzelle zu benötigen. „Man kann sie direkt aus dem Haarschaft entnehmen“, erklärte Ripan S. Malhi, ein anthropologischer Genetiker von der University of Illinois. Mit dieser Technik gelang es Malhi und seinem Team, Haarproben von verschiedenen Tieren zu identifizieren. Darunter befanden sich Giraffen, Zebras, Wasserböcke und Menschen.
Die überraschendste Entdeckung waren jedoch Spuren von Gnu-Haaren. Der Biologin Alida de Flamingh zufolge gab es in der Nähe des Arbeitslagers keine Gnu-Herden. Die nächstgelegenen Herden waren etwa 90 Kilometer entfernt. De Flamingh vermutet daher, dass entweder die Löwen weite Strecken zurücklegten oder Gnus historisch doch in der Region Tsavo vorkamen.
Historische Präzision durch modernste Technik
Die Konservierung der Löwenüberreste ermöglicht Wissenschaftlern heute, neue Erkenntnisse über das Jagdverhalten und die Ernährung der Raubtiere zu gewinnen. „Patterson hatte beim Erlegen dieser Löwen keine Ahnung, welche unglaublichen Informationen über hundert Jahre später zutage treten würden“, betonte Graham Kerley, ein Löwenspezialist der Nelson Mandela University.
Wir hoffen, dass andere Leute versuchen werden, die Methodik, die wir hier entwickelt haben, anzuwenden, um die Ökologie von Beutetieren oder die Geschichte anderer Tiere zu studieren – sogar bis hin zu ausgestorbenen Arten.
Alida de Flamingh
Wer waren die Opfer der „Menschenfresser“?
Das Britische Weltreich hat zum Bau der Eisenbahn tausende Männer (und später auch Frauen) aus Indien nach Afrika gebracht. Die Arbeiter waren durch das System der „indentured servitude“ für mehrere Jahre verpflichtet. Ihre Bezahlung sollten sie erst nach getaner Arbeit erhalten. Im Grunde handelte es sich dabei laut dem Retrospect Journal um eine abgewandelte Form der Sklaverei. Die Arbeiter konnten nicht kündigen, Körperstrafen waren erlaubt und viele arbeiteten bis zum Tod.
Größtenteils waren an diesem Eisenbahn-Projekt eben solche Arbeiter beteiligt. Hinzu kamen lokale Arbeitskräfte. Untergebracht wurden sie in Zelten, aus denen sie nachts von den Löwen weggezerrt wurden. Der Kolonialismus hat eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des Mythos der „Menschenfresser von Tsavo“ gespielt – auch, weil die Löwen dem Retrospect Journal zufolge womöglich wegen durchreisender Sklavenhändler und den Leichnamen, die diese hinterlassenen haben, auf den Geschmack von Menschenfleisch gekommen sind.
Was du dir merken solltest:
- Die „Menschenfresser von Tsavo“, zwei mähnenlose Löwen, jagten im Jahr 1898 in Kenia Eisenbahnarbeiter und Einheimische, mindestens 31 Menschen fielen ihnen zum Opfer.
- DNA-Analysen von Haaren, die im abgebrochenen Zahn eines der Löwen gefunden wurden, geben neben Spuren von Menschen auch Hinweise auf Zebras, Gnus und anderen Tiere, die zu ihrer Beute gehörten.
- Bei den Todesopfern handelte es sich vorwiegend um aus Indien eingezogene Arbeiter, die unter prekären Bedingungen arbeiten mussten und nur mit rudimentärem Schutz vor den Löwen ausgestattet waren.
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