Mikroben in Städten resistent gegen Desinfektionsmittel – Welche Risiken entstehen?

Mikroben in Städten werden zunehmend widerstandsfähig gegen Desinfektionsmittel und passen sich an urbane Reinigungspraktiken an.

Stadtmikroben

Das Human Microbiome Project, das 2007 von den National Institutes of Health (NIH) ins Leben gerufen wurde, lieferte den ersten Einblick in die mikrobielle Vielfalt gesunder Menschen und erforscht die möglichen Zusammenhänge zwischen bestimmten menschlichen Krankheiten und dem Mikrobiom. (Im Uhrzeigersinn von oben links): Streptococcus (Bildnachweis: Tom Schmidt); Mikrobieller Biofilm gemischter Arten aus dem menschlichen Körper (Bildnachweis: A. Earl, Broad Institute/MIT); Bacillus (Bildnachweis: Tom Schmidt); Malassezia lopophilis (Bildnachweis: J.H, CDC). Bildnachweis für zusammengesetztes Bild: Jonathan Bailey, National Human Genome Research Institute, NIH

Neue Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Mikroben in Städten zunehmend widerstandsfähig gegenüber Desinfektionsmittel werden, das wir täglich zur Reinigung nutzen. Diese Mikroorganismen haben sich an die harschen Bedingungen in den Städten angepasst und entwickeln neue Überlebensstrategien. Besonders bemerkenswert ist die Entdeckung von Mikrobenstämmen in Hongkong, die zuvor nur in der extremen Umgebung der Antarktis gefunden wurden.

Seit der Corona-Pandemie hat sich der Einsatz von Desinfektionsmitteln weltweit erhöht, um Innenräume steril zu halten. Doch nun zeigt sich, dass diese Reinigungsmaßnahmen möglicherweise unbeabsichtigte Konsequenzen haben. Eine im Fachjournal Microbiome veröffentlichte Studie weist darauf hin, dass die häufige Anwendung von Desinfektionsmitteln zur Veränderung der Zusammensetzung von Mikroben in Innenräumen führt. Laut Dr. Xinzhao Tong, Assistenzprofessorin an der Xi’an Jiaotong-Liverpool University (XJTLU), schaffen „gebaute Umgebungen besondere Bedingungen, die sich stark von natürlichen Lebensräumen unterscheiden.“ Diese Bedingungen seien oft arm an den Nährstoffen, die Mikroben traditionell zum Überleben benötigen. „Unsere Nutzung von Reinigungs- und anderen chemischen Produkten übt selektiven Druck auf Mikroben aus. Sie müssen sich anpassen oder werden ausgelöscht.“

Mikroben trotzen Desinfektionsmittel: Eine neue Herausforderung für Städte

Das Forschungsteam sammelte 738 Proben aus verschiedenen städtischen Bereichen in Hongkong, darunter U-Bahn-Stationen, Wohnhäuser, öffentliche Einrichtungen und von der menschlichen Haut. Mithilfe von metagenomischen Analysen konnten die Wissenschaftler das genetische Material der Mikroben untersuchen und ihre Anpassungsmechanismen an die herausfordernden städtischen Bedingungen aufdecken. Dabei identifizierten sie 363 neue Mikrobenstämme, die bisher unbekannt waren. Viele dieser Mikroorganismen haben sich darauf spezialisiert, die in Städten vorkommenden chemischen Substanzen zu verstoffwechseln. Besonders überraschend war die Entdeckung eines Stamms des Phylums Candidatus Eremiobacterota, der zuvor nur in der Antarktis gefunden wurde. Diese Mikroben haben Gene entwickelt, die es ihnen ermöglichen, Ammoniumionen aus Reinigungsmitteln zu nutzen. Darüber hinaus besitzen sie Gene, die Alkohol und Aldehyde abbauen, wie sie in gängigen Desinfektionsmitteln vorkommen.

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Dr. Tong erläutert: „Mikroben mit der Fähigkeit, begrenzte Ressourcen zu nutzen und chemische Produkte zu tolerieren, überleben besser und haben einen evolutionären Vorteil. Diese widerstandsfähigen Mikroben könnten ein Gesundheitsrisiko darstellen, insbesondere wenn sie pathogen sind.“

Widerstandsfähige Mikroorganismen in der Stadt: Neue Risiken entdeckt

Besondere Aufmerksamkeit erregte auch die Entdeckung von 11 neuen Stämmen von Micrococcus luteus. Diese Mikroben gelten normalerweise als harmlos, können jedoch bei immungeschwächten Personen opportunistische Infektionen verursachen. In einer städtischen Umgebung, in der Desinfektionsmittel häufig eingesetzt werden, könnten diese Mikroben zunehmend resistent werden und ein Risiko für die öffentliche Gesundheit darstellen. Laut Dr. Tong wird dieses Thema vor allem in Krankenhäusern brisant. Krankenhäuser, in denen Desinfektionsmittel besonders intensiv verwendet werden, könnten Hotspots für resistente Mikrobenstämme sein. Krankenhausinfektionen, sogenannte HAIs (Hospital Acquired Infections), stellen eine erhebliche Bedrohung dar. Insbesondere auf Intensivstationen, wo die Sterblichkeitsrate durch solche Infektionen bis zu 30 Prozent betragen kann, sei dies ein wachsendes Problem.

Symbiotische Beziehungen zwischen Mikroben und Menschen?

Die Forscher entdeckten zudem zwei neue Stämme von sogenannten „Nanobakterien“, die winzige Genome besitzen und sich oft auf andere Bakterien als Nahrungsquelle verlassen. Eine dieser Nanobakterien, die auf menschlicher Haut gefunden wurde, zeigte jedoch unerwartete Eigenschaften. Sie besitzt Gene, die für die Produktion von Carotinoiden und Ubiquinon verantwortlich sind – beides Antioxidantien, die normalerweise über die Nahrung aufgenommen werden und eine wichtige Rolle im menschlichen Körper spielen. Diese Entdeckung lässt vermuten, dass es eine symbiotische Beziehung zwischen diesen Mikroben und ihren menschlichen Wirten geben könnte. Dr. Tong erläutert: „Die Synthese dieser Verbindungen durch Mikroben könnte uns möglicherweise zugutekommen, da diese Antioxidantien für die menschliche Gesundheit essenziell sind.“

Diese Erkenntnisse werfen neue Fragen darüber auf, wie Mikroben in städtischen Umgebungen leben und sich entwickeln. Die Forscher hoffen, durch diese Erkenntnisse neue Strategien zu entwickeln, um gesündere mikrobielle Ökosysteme in urbanen Räumen zu schaffen. Das Team untersucht derzeit, wie sich resistente Mikroben in klinischen Umgebungen, wie Intensivstationen, ausbreiten und welche Maßnahmen zur Eindämmung solcher Krankenhausinfektionen entwickelt werden könnten.

Was du dir merken solltest:

  • Mikroben in Städten entwickeln zunehmend Resistenzen gegen Desinfektionsmittel und nutzen diese als Energiequelle.
  • Neue Mikrobenstämme fanden die Forscher in Hongkong, darunter auch solche, die bisher nur in der Antarktis vorkamen.
  • In Krankenhäusern könnte die Anpassung von Mikroben an Desinfektionsmittel ein erhöhtes Risiko für Krankenhausinfektionen darstellen.

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Bild: © Jonathan Bailey, National Human Genome Research Institute, NIH via Xi’an Jiaotong-Liverpool University (XJTLU)

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