Krankheitserreger in der Luft: Mikroben reisen Tausende Kilometer durch die Troposphäre
Luftproben über Japan zeigen, dass Mikroorganismen Tausende Kilometer durch die Troposphäre reisen und dabei potenziell krankheitserregende Bakterien und Pilze transportieren.
Wissenschaftler haben in einer neuen Studie eine faszinierende Entdeckung gemacht. Mikroorganismen können in der Troposphäre, der untersten Schicht der Erdatmosphäre, große Distanzen zurücklegen. Luftproben aus einer Höhe von bis zu 3.000 Metern über Japan enthüllten eine Vielzahl an Bakterien und Pilzen. Einige davon sind für uns Menschen potenziell krankheitserregend. Diese Mikroorganismen könnten über 2.000 Kilometer weit aus Regionen in Nordostchina transportiert worden sein. Sie sind reich an Düngemitteln und Pestiziden. Die Studie wurde vom Barcelona Institute for Global Health (ISGlobal) geleitet und ist in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen. Sie zeigt eine bisher wenig beachtete Möglichkeit, wie Krankheitserreger über Aerosole weite Strecken durch die Luft zurücklegen können.
„Wir wussten, dass bestimmte Materialien in der Troposphäre über lange Distanzen transportiert werden können“, erklärt Xavier Rodó, Forscher am ISGlobal, in einer Pressemeldung des Instituts. „Aber dass auch lebensfähige Mikroorganismen dort vorhanden sind, hat uns überrascht.“ Die Troposphäre beginnt an der Erdoberfläche und reicht bis zu einer Höhe von etwa 10 Kilometern. Sie ist die Schicht, in der sich das Wetter abspielt und in der die meisten Flugzeuge verkehren. Die Forschungen zeigen nun, dass sich in diesen Höhen nicht nur Windströme, sondern auch Mikroben über weite Entfernungen bewegen können.
Bakterien und Pilze aus der Luft
Um diese Entdeckungen zu machen, führte das Forscherteam zehn Flüge mit einem Cessna-Flugzeug durch. Zwischen 1.000 und 3.000 Metern Höhe über Japan sammelten sie Luftproben, die sie anschließend auf ihre chemische und biologische Zusammensetzung hin untersuchten. Alle Flüge folgten gezielt den Windströmungen, die Luftmassen aus dem chinesischen Festland in die Troposphäre beförderten und über Japan absenkten. „Unsere Studie ist einzigartig“, betont Rodó, „weil wir mikrobiologische Untersuchungen in diesen hohen Luftschichten durchgeführt haben. Bisher konzentrierten sich Studien meist auf Luftproben, die nur wenige Meter über der Erdoberfläche oder dem Meer gesammelt wurden.“
Insgesamt wurden 22 Aerosolproben in den Monaten Februar und April 2014 gesammelt und analysiert. Dabei identifizierten die Forscher über 266 Pilz- und 305 Bakteriengattungen. Einige dieser Mikroben könnten potenziell Krankheiten bei Menschen, Tieren oder Pflanzen auslösen. Zu den identifizierten Bakterienarten gehörten unter anderem Escherichia coli, Clostridium difficile, Clostridium botulinum und Acinetobacter baumannii. Diese sind in der Medizin als Erreger bekannt, die teils schwerwiegende Infektionen verursachen können. Auch Pilzarten wie Candida, Cladosporium und Malassezia wurden nachgewiesen, die besonders bei immungeschwächten Personen zu Erkrankungen führen können.
Über weite Distanzen transportiert
Besonders alarmierend war der Fund von Bakterien, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind. So stellte das Forscherteam fest, dass eine bestimmte Art von Micrococcus luteus aus den Luftproben Resistenzen gegen mehrere Medikamente aufwies. Dazu gehörten unter anderem Carbapeneme, Glykopeptide und Ciprofloxacin. „Unsere Entdeckungen legen nahe, dass die Verbreitung antimikrobieller Resistenzen über weite Strecken durch die Luft erfolgen könnte“, sagt Sofya Podzniakova, Co-Autorin der Studie. Dies sei eine bisher wenig beachtete Möglichkeit, wie sich resistente Keime global verbreiten können.
Die Analyse der chemischen Zusammensetzung der Aerosole zeigte zudem, dass die Mikroorganismen häufig mit Stoffen wie Zinksulfat und Kalium in Verbindung standen – eine Komponente aus Düngemitteln und Pestiziden. Dies deutet auf einen landwirtschaftlichen Ursprung der Aerosole hin. Besonders in den intensiv bewirtschafteten Agrarflächen in Nordostchina, die reich an solchen Chemikalien sind, könnten diese Mikroben in die Atmosphäre gelangen und von dort aus über große Entfernungen reisen.
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Mikroorganismen, die in großer Höhe gefunden wurden, konnten die Forscher auch in Bodenproben identifizieren. Dies lässt vermuten, dass die Luftmassen aus der Troposphäre auf dem Weg nach unten Mikroben in die niedrigeren Schichten der Atmosphäre und schließlich bis auf den Boden transportieren. Diese Hypothese wurde durch Partikeltransportsimulationen unterstützt, die von Roger Curcoll, einem Forscher der Universitat Politècnica de Catalunya (UPC), durchgeführt wurden. Diese Simulationen zeigten, dass die Aerosole aus Nordostchina nach Japan gelangten und sich in den oberen Luftschichten ansammelten, bevor sie auf den Boden sanken.
Mikroorganismen in der Troposphäre
Unsere Entdeckungen enthüllen eine reiche und unerwartete Vielfalt an Mikroorganismen, die durch Windströmungen über Tausende Kilometer von ihren Ursprungsorten getragen werden.
Xavier Rodó
„Dies verändert unser Verständnis davon, wie Krankheitserreger, die in der Umwelt leben, insbesondere in der Luft, die menschliche Gesundheit beeinflussen“, erklärt Rodó weiter.
Obwohl die Studie keinen direkten Beweis dafür liefert, dass diese Mikroben tatsächlich Krankheiten bei Menschen auslösen, unterstreichen die Forscher die Bedeutung weiterer Untersuchungen. Die Wissenschaftler wollen herausfinden, wie sich Krankheitserreger in der Luft verbreiten und welche Risiken dies für die öffentliche Gesundheit darstellen könnte, zum Beispiel wie sich die Verbreitung von Krankheiten durch den globalen Luftverkehr beeinflussen lässt.
Was du dir merken solltest:
- Mikroorganismen wie Bakterien und Pilze können über Tausende Kilometer hinweg durch die Troposphäre reisen, oft aus landwirtschaftlichen Regionen Chinas.
- Luftproben in bis zu 3.000 Metern Höhe über Japan enthüllten zahlreiche potenziell krankheitserregende Mikroben, einige davon antibiotikaresistent.
- Diese Entdeckung zeigt, wie weitreichend sich Krankheitserreger durch die Luft verbreiten können, was eine tiefere Erforschung möglicher Gesundheitsrisiken erfordert.
Übrigens: Forscher fanden vor Kurzem noch mehr Verblüffendes über Bakterien heraus. Anscheinend sind diese in der Lage, den Wechsel der Jahreszeiten zu erkennen und sich auf den Winter einzustellen. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Romain Guy via Wikimedia unter CC0 1.0