Rätselhafte Jagd nahe Bermuda: Ein schwangerer Heringshai ist verschwunden, Forscher tippen auf verwandte Art
Nahe Bermuda wurde ein schwangerer Heringshai womöglich von einem Weißen Hai gefressen. So ein Vorfall wurde bislang noch nie dokumentiert.
Im offenen Wasser nahe Bermuda hat sich möglicherweise ein außergewöhnliches Raubereignis abgespielt: Ein schwangerer Heringshai könnte von einem Weißen Hai gefressen worden sein.
Im Oktober 2020 wurde der betroffene Heringshai von Brooke Anderson, damals an der Arizona State University, und ihrem Team als Teil einer Studie zu den Migrationsmustern schwangerer Haie südöstlich von Cape Cod in Massachusetts mit einem Sender ausgestattet.
Aber warum macht dieses Ereignis überhaupt Schlagzeilen? Nun, dieser Vorfall wäre der erste seiner Art, der dokumentiert wurde. Dass größere Haie kleinere jagen, ist nicht ungewöhnlich, sagt James Sulikowski laut der Fachzeitschrift New Scientist. Sulikowski ist ein Mitglied des Forschungsteams an der Oregon State University, das sich mit diesem Vorfall auseinandersetzt. Es komme selten vor, dass ein großer Hai in tiefem Wasser ein anderes großes Haiexemplar angreift. Dies sei der erste dokumentierte Fall, bei dem ein Heringshai von einem anderen Hai gefressen wurde.
Beim Heringshai handelt es sich um einen Verwandten des Weißen Haies, beide gehören zur Familie der Makrelenhaie. Heringshaie werden bis zu 3,7 Meter lang und können bis zu 230 Kilogramm wiegen. Damit sind sie zwar nicht so groß wie Weiße Haie – insbesondere weibliche Exemplare – aber bei weitem nicht klein.
Alle unsere Beweise führen zu demselben Schluss. Es ist klar, dass unser Heringshai von einem anderen Hai gefressen wurde.
Brooke Anderson
Sender lieferte rätselhafte Daten
Der Sender, ein sogenannter Pop-off-Tag, misst fortlaufend die Tiefe und Temperatur des Wassers, in dem sich der Hai bewegt. Normalerweise löst sich dieser vom Hai und sendet die gespeicherten Daten an die Forscher zurück, sobald er an die Wasseroberfläche gelangt. Fünf Monate nach dem Anbringen des Senders tauchte der Tag wieder auf und wurde von den Forschern geborgen. Die empfangenen Daten zeigten, dass der Hai sich tagsüber größtenteils in Tiefen zwischen 600 und 800 Metern aufhielt. Nachts schwamm das Weibchen in einer Tiefe zwischen 100 und 200 Metern. Die Wassertemperaturen lagen dabei zwischen 6,4°C und 23,5°C.
Doch am 24. März 2021 verzeichneten die Forscher eine unerwartete Veränderung. Die Umgebungstemperatur um den Hai blieb zwischen 16,4°C und 24,7°C, obwohl der Hai weiterhin in ähnlichen Tiefen schwamm. Diese Veränderung der Temperaturdaten könnte darauf hindeuten, dass der Hai und das angebrachte Tag von einem größeren Raubtier gefressen wurden, so Anderson. Sie arbeitet heute bei der North Carolina Division of Marine Fisheries. Die Forschergruppe schließt daraus, dass ein Weißer Hai der wahrscheinlichste Angreifer ist. Immerhin sei dies die einzige Art in der Region, die für einen solchen Angriff groß genug wäre. Das Tauchmuster und die Körpertemperatur sollen ebenfalls zu einem Weißen Hai passen.
Gefährdeter Heringshai im Fokus der Forschung
Weibliche Heringshaie beginnen mit etwa 13 Jahren mit der Fortpflanzung und bringen nach einer Tragzeit von 8 bis 9 Monaten alle ein bis zwei Jahre rund vier Junge zur Welt. Da die Haie gefährdet sind, ist der Verlust eines trächtigen Weibchens ein besonders großer Rückschlag für die Art. Sollte sich herausstellen, dass Heringshaie häufiger von anderen großen Raubtieren gejagt werden, hätte dies einen großen Einfluss auf ihren Schutz.
Chris Lowe, Professor an der California State University in Long Beach, äußert Bedenken bezüglich der eindeutigen Identifikation des Räubers:
Es gab definitiv ein Raubereignis, aber ich bin mir nicht sicher, ohne die Daten gesehen zu haben, ob ich überzeugt bin, dass es auf Lamnidae (lateinische Bezeichnung für Makrelenhaie) beschränkt ist.
Chris Lowe
Schwertwale, auch Orcas genannt, sind ebenfalls dafür bekannt, Jagd auf große Haie zu machen. Es steht also nicht außer Frage, dass der schwangere Heringshai einem Orca zum Opfer gefallen ist.
Was du dir merken solltest:
- Forscher haben in Bermuda einen ungewöhnlichen Fall dokumentiert, bei dem ein schwangerer Heringshai möglicherweise von einem Weißen Hai gefressen wurde.
- Dieses Ereignis ist besonders bemerkenswert, da es selten vorkommt, dass große Haie in tiefem Wasser andere große Haie als Beute wählen.
- Die Identifikation des Angreifers bleibt unsicher, wobei auch Orcas als potenzielle Jäger großer Haie in Betracht gezogen werden.
Übrigens: Ein weiterer Hai gibt der Wissenschaft Rätsel auf: der Grönlandhai. Diese Tiere können über 500 Jahre alt werden – die Erforschung ihres Geheimnisses könnte auch für den Menschen von Bedeutung sein. Mehr dazu erfährst du in unserem Artikel.
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