Photosynthese in der Arktis bei fast vollständiger Dunkelheit

Eine Studie zeigt, dass Photosynthese bei extrem wenig Licht möglich ist. Arktische Mikroalgen können bereits am Ende der Polarnacht Biomasse aufbauen.

Mikroalgen Photosynthese

Draufsicht auf die Untersuchungsgeräte (CTD-Rosette und Wasserschöpfer), wie sie an die Wasseroberfläche kommen. © Michael Gutsche / AWI

Ein internationales Forscherteam hat im Rahmen des MOSAiC-Projekts eine überraschende Entdeckung gemacht: Photosynthese ist auch bei extrem niedrigen Lichtverhältnissen möglich, wie eine Untersuchung von Mikroalgen in der Arktis am Ende der Polarnacht zeigte. Selbst unter den dicken Schneeschichten und Eisdecken des arktischen Ozeans konnten Mikroalgen bereits Ende März, wenn die Sonne kaum über dem Horizont steht, beginnen, Biomasse durch Photosynthese aufzubauen. Dies haben Forscher des Alfred-Wegener-Instituts am Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) gemessen.

Die neue Studie, die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde, zeigt, dass Photosynthese in weitaus tieferen Wasserschichten und bei geringerer Lichtmenge als bisher angenommen möglich ist. Diese Erkenntnis könnte weitreichende Konsequenzen für das Verständnis der biologischen Prozesse in den Ozeanen weltweit haben.

Forschungsergebnisse mit großer Tragweite

Photosynthese ist der Prozess, bei dem Sonnenlicht in biologisch nutzbare Energie umgewandelt wird. Sie bildet die Grundlage für fast alles Leben auf der Erde. Bislang sind die Messungen zur benötigten Lichtmenge für diesen Prozess weit über dem theoretisch minimal möglichen Wert angesetzt worden. Die aktuelle Forschung zeigt jedoch, dass bereits sehr geringe Lichtmengen, fast am absoluten Minimum, ausreichen können, um Biomasse aufzubauen.

Die Forscher sammelten Daten aus dem internationalen MOSAiC-Projekt. In diesem Rahmen wurde der deutsche Forschungseisbrecher Polarstern 2019 für ein Jahr im arktischen Packeis eingefroren, um den jährlichen Zyklus des arktischen Klimas und Ökosystems zu untersuchen. Das Team um Dr. Clara Hoppe vom Alfred-Wegener-Institut konzentrierte sich dabei auf Phytoplankton und Eisalgen, die einen Großteil der Photosynthese in der zentralen Arktis übernehmen. Überraschenderweise haben die Messungen ergeben, dass nur wenige Tage nach der monatelangen Polarnacht bereits wieder pflanzliche Biomasse gebildet wurde. Dies ist ohne Photosynthese nicht möglich.

Schematische Darstellung ozeanografischer Messungen auf der MOSAiC-Expedition. © Alfred-Wegener-Institut

„Es ist beeindruckend zu sehen, wie effizient die Algen solch geringe Lichtmengen nutzen können“, sagte Dr. Hoppe. „Dies zeigt, wie gut sich Organismen an ihre Umwelt anpassen können.“

Harte Bedingungen für die Messungen

Die Forscher verwendeten extrem empfindliche Lichtsensoren im Eis und Wasser, um die vorhandene Lichtmenge zu messen. Das Besondere an der Situation in der Arktis ist, dass unter dem schneebedeckten Meereis nur wenige Photonen des Sonnenlichts hindurchgelangen. Die Mikroalgen können lediglich ein Hunderttausendstel des Lichts, das an einem sonnigen Tag auf der Erdoberfläche verfügbar ist, nutzen. Die extremen Bedingungen der Arktis haben die Messungen besonders schwierig gemacht.

Die Studie ist nur durch die enge Zusammenarbeit von Forschern aus verschiedenen Disziplinen möglich gewesen. Dr. Niels Fuchs und Prof. Dirk Notz von der Universität Hamburg kombinierten die Lichtmessungen mit biologischen Daten. Fuchs erklärte, dass für die Messung der geringen Lichtmengen spezielle, neu entwickelte Instrumente mitten in der Polarnacht ins Eis eingefroren werden mussten. Dies sei eine große technische Herausforderung gewesen, besonders unter den extremen Bedingungen des arktischen Winters.

„Es gab einfach kein zusätzliches Licht“, fügte Prof. Notz hinzu und verwies auf die Schwierigkeiten, die durch Schwankungen in der Eisdicke und Schneebedeckung entstanden sind.

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Globale Bedeutung der Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studie sind nicht nur für die Arktis von Bedeutung. Dr. Hoppe betonte, dass die Erkenntnisse weitreichende Folgen für die Forschung zur Photosynthese in anderen Teilen der Welt haben könnten. Wenn der Prozess unter so herausfordernden Bedingungen in der Arktis so effizient funktioniere, sei es wahrscheinlich, dass auch Organismen in anderen Meeresregionen ähnlich gut angepasst seien. Dies bedeute, dass Photosynthese auch in tieferen Meeresschichten möglich sein könnte, als bisher angenommen.

Die Bedingungen in der Arktis waren extrem hart für die Forscher. © Saga Svavarsdottir 

Die Studie des Alfred-Wegener-Instituts kann daher aufzeigen, dass das potenzielle Habitat für photosynthetische Prozesse in den globalen Ozeanen größer ist, als bislang vermutet. Dies hat direkte Auswirkungen auf das Leben in den Meeren, da durch Photosynthese Sauerstoff und Energie produziert werden, die auch für andere Lebewesen wie Fische verfügbar sind.

Was du dir merken solltest:

  • Photosynthese kann auch bei extrem niedrigen Lichtverhältnissen stattfinden, wie eine Studie an arktischen Mikroalgen zeigt. 
  • Die Algen nutzten nur ein Hunderttausendstel des üblichen Lichts, um Biomasse aufzubauen, was bisher für unmöglich gehalten wurde. 
  • Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass photosynthetische Prozesse in tieferen Meeresschichten global effizienter sind als bisher angenommen.

Übrigens: Forscher haben eine weitere faszinierende Entdeckung in der Arktis gemacht – Riesenviren. Diese könnten sich sogar als Retter im Kampf gegen den Klimawandel erweisen. Was es damit auf sich hat, erfährst du in unserem Artikel.

Bild: © Michael Gutsche / AWI

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