Infantile Amnesie: Warum Menschen sich nicht an ihre ersten Lebensjahre erinnern können

Infantile Amnesie bezeichnet das Phänomen, dass wir uns als Erwachsene nicht an die frühen Jahre unserer Kindheit erinnern können.

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Wir sind nicht in der Lage, uns an die ersten zwei bis drei Lebensjahre zu erinnern. © Vecteezy

In der frühen Kindheit, einer Phase intensiver Entwicklung, fehlt uns später oft die Fähigkeit, uns an diese prägenden Jahre zu erinnern. Dieses Phänomen, bekannt als infantile Amnesie, ist in der Psychologie gut dokumentiert. Warum können wir uns nicht an unsere ersten Lebensjahre erinnern?

Die frühe Kindheit und unser Gedächtnis

Laut Galileo beschreibt der Begriff infantile Amnesie das Phänomen, dass wir uns als Erwachsene nicht an die ersten zwei bis drei Lebensjahre erinnern können. Erinnerungen aus der Zeit bis ins Schulalter sind meist nur fragmentarisch. Dabei besitzen auch Kleinkinder ein Gedächtnis: Säuglinge und Neugeborene können sich Gesichter oder Spielzeuge merken, vergessen jedoch schneller als Erwachsene. Erst mit zunehmendem Alter sind Kinder in der Lage, Dinge länger im Gedächtnis zu behalten.

Die Rolle des Hippocampus

Ein zentraler Erklärungsansatz für die infantile Amnesie liegt in der Entwicklung des Gehirns. Der Hippocampus, eine Hirnregion, die für die Gedächtnisbildung wichtig ist, spielt dabei eine wesentliche Rolle. In den ersten Lebensjahren durchläuft der Hippocampus erhebliche Umbauten, was die Erinnerungsfähigkeit in frühen Jahren beeinträchtigen könnte. Diese Region ist erst bei Jugendlichen vollständig entwickelt, was erklärt, warum frühere Erinnerungen oft lückenhaft sind oder ganz fehlen.

Kulturelle Unterschiede in der Erinnerung

Interessanterweise gibt es kulturelle Unterschiede in Bezug auf die frühesten Erinnerungen. In kollektivistisch geprägten Kulturen, die die Gemeinschaft über das Individuum stellen, setzen die ersten Erinnerungen oft später ein als in westlichen Kulturen. Dies könnte darauf hindeuten, dass die soziale und kulturelle Umgebung einen Einfluss auf die Gedächtnisbildung hat.

Die Bedeutung der Sprache

Ein weiterer Erklärungsansatz fokussiert auf die Rolle der Sprache. Erinnerungen, die vor dem Spracherwerb entstanden sind, können nach dem Spracherwerb möglicherweise nicht mehr abgerufen werden. Kinder, die früh sprechen lernen, entwickeln demnach auch ein früheres autobiografisches Gedächtnis. Dies unterstützt die Theorie, dass Sprache eine wichtige Rolle bei der Speicherung und dem Abrufen von Erinnerungen spielt.

Neuere Erkenntnisse und die Frontallappen

Laut dem Max-Planck-Institut sind neben dem Hippocampus auch die Frontallappen des Gehirns entscheidend für das Verständnis der infantilen Amnesie. Diese Hirnregion, die hinter der Stirn liegt, ist für viele komplexe Prozesse wie Impulskontrolle, Urteilsvermögen und Problemlösung verantwortlich. Ihre Entwicklung ist im frühen Kindesalter noch nicht abgeschlossen, was das Speichern und Abrufen von Erinnerungen beeinträchtigen könnte.

Verbindung zwischen Kurz- und Langzeitgedächtnis

Ein weiteres Problem ist die Verbindung zwischen Hirnregionen, die Erinnerungen kurzfristig speichern, und dem Langzeitgedächtnis. Im Kindesalter sind diese Verbindungen noch nicht vollständig entwickelt, was das langfristige Speichern von Erinnerungen erschwert. Erst mit der vollständigen Reifung des Gehirns wird die effiziente Speicherung und der Abruf von Erinnerungen möglich.

Was du dir merken solltest:

  • Infantile Amnesie beschreibt das Phänomen, dass wir uns als Erwachsene nicht an die ersten zwei bis drei Lebensjahre erinnern können, da der Hippocampus, eine für die Gedächtnisbildung zentrale Hirnregion, in diesen Jahren noch nicht vollständig entwickelt ist.
  • Kulturelle Unterschiede und die Entwicklung der Sprache beeinflussen ebenfalls, ab wann wir unsere ersten Erinnerungen haben.
  • Neben dem Hippocampus spielen auch die Frontallappen eine Rolle, da ihre Reifung entscheidend für komplexe Prozesse und das langfristige Speichern von Erinnerungen ist.

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