Das Gehirn wird im Alter schlauer – Denkleistung erreicht mit 50 ihren Höhepunkt
Viele glauben, nur junge Köpfe sind fit. Doch Neurowissenschaftler zeigen: Das Gehirn erreicht seine Höchstform erst im höheren Alter.
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Zwischen 40 und 60 Jahren erreicht das Gehirn sein maximales Leistungsniveau. © Pexels
Das Gehirn verändert sich ein Leben lang – aber wann arbeitet es am besten? Viele glauben, dass junge Menschen die höchste geistige Leistungsfähigkeit haben. Doch der Neurowissenschaftler Dr. Stefan Mindea erklärt, dass der kognitive Höhepunkt oft erst später im Leben erreicht wird. Er beschreibt, wie sich die Gehirnleistung von der Kindheit bis ins hohe Alter entwickelt und warum manche Fähigkeiten früher, andere erst später am stärksten ausgeprägt sind.
Kindheit: Das Gehirn lernt spielend schnell
In den ersten fünf Lebensjahren entwickelt sich das Gehirn in rasantem Tempo. Millionen neuer Verbindungen zwischen Nervenzellen entstehen, die es ermöglichen, Sprachen zu erlernen, soziale Regeln zu verstehen und Probleme intuitiv zu lösen. „In dieser Phase ist das Gehirn besonders formbar, weil es sich noch an alle Umwelteinflüsse anpasst“, erklärt Mindea laut Mirror. Kleinkinder lernen sprechen, ohne Grammatik bewusst zu verstehen – ihr Gehirn speichert Muster, ohne sie analysieren zu müssen.
Jugend: Das Gehirn optimiert sich
Zwischen zehn und zwanzig Jahren passiert etwas Überraschendes: Das Gehirn beginnt, ungenutzte Verbindungen abzubauen, ein Prozess, den Wissenschaftler „Pruning“ nennen. Das bedeutet, dass Nervenzellen, die nicht regelmäßig genutzt werden, verschwinden, während häufig genutzte Verbindungen verstärkt werden. Mindea erklärt: „Das ist der Grund, warum es nach der Kindheit schwerer wird, eine neue Sprache oder ein Musikinstrument zu lernen.“ Gleichzeitig nimmt die emotionale Sensibilität zu – das erklärt, warum Jugendliche sich oft intensiver mit Freundschaften und sozialer Akzeptanz beschäftigen.
Mit Mitte 20: Das Gehirn erreicht seine volle Reife
Um das 25. Lebensjahr herum ist das Gehirn ausgereift. Besonders der präfrontale Cortex, der für Impulskontrolle, Planung und rationales Denken zuständig ist, hat seine Entwicklung abgeschlossen. „Dadurch können Erwachsene bessere Entscheidungen treffen, langfristige Pläne schmieden und ihr Verhalten besser kontrollieren“, erklärt der Wissenschaftler.
Höchstleistung in der Lebensmitte
Zwischen 40 und 60 Jahren erreicht das Gehirn seine maximale Leistungsfähigkeit. Mindea erklärt, dass in dieser Zeit das verbale Gedächtnis – also die Fähigkeit, Wörter und Begriffe zu erinnern – besonders stark ist. Auch das über Jahrzehnte angesammelte Wissen lässt sich jetzt am besten nutzen. Viele Menschen setzen sich in dieser Lebensphase intensiver mit ihrem Leben auseinander und möchten ihr Wissen weitergeben.
Das Gedächtnis wird langsamer, aber nicht schlechter
Ab etwa 65 Jahren beginnt das Gehirn langsam zu schrumpfen. Besonders betroffen ist der Hippocampus, eine Region, die für das Erinnern von Ereignissen wichtig ist. Der präfrontale Cortex, der für Entscheidungen und Urteilsvermögen zuständig ist, verändert sich ebenfalls. Das kann erklären, warum ältere Menschen manchmal anfälliger für Betrügereien sind.
Allerdings geht nicht alles verloren. Während die Geschwindigkeit, mit der Informationen verarbeitet werden, abnimmt, bleibt das gesammelte Wissen erhalten.
Man kann sich das wie einen Computer vorstellen, dessen Internetverbindung langsamer wird – die Informationen sind noch im Internet, aber es dauert länger, sie abzurufen.
Dr. Stefan Mindea
Das Gehirn ist also nicht nur in jungen Jahren leistungsfähig – in jeder Lebensphase hat es besondere Stärken.
Kurz zusammengefasst:
- Das Gehirn entwickelt sich ein Leben lang: In der Kindheit entstehen viele neue Verbindungen, in der Jugend werden ungenutzte Nervenbahnen abgebaut und ab Mitte 20 erreicht es seine volle Reife.
- Zwischen 40 und 60 Jahren ist das Gehirn besonders leistungsfähig – das verbale Gedächtnis und das über Jahrzehnte gesammelte Wissen sind auf ihrem Höhepunkt.
- Im hohen Alter verlangsamt sich die Informationsverarbeitung, aber das gespeicherte Wissen bleibt erhalten, ähnlich wie bei einem Computer mit einer langsameren Internetverbindung.
Bild: © Pexels