Gefährliche Kombination: Wie Östrogen Frauen stärker zum Binge Drinking verleitet

Steigende Östrogenspiegel treiben Frauen zum Binge Drinking. Forscher entschlüsseln das Risiko hinter hormonellen Veränderungen.

Frauen konsumieren unter hohem Östrogenspiegel mehr Alkohol. Das hat eine neue Studie herausgefunden. © Pexels

Frauen konsumieren unter hohem Östrogenspiegel mehr Alkohol. Das hat eine neue Studie herausgefunden. © Pexels

Silvester, eine Flasche Sekt und der gute Vorsatz, nur ein Glas zu trinken – doch schnell wird daraus mehr. Gerade bei Frauen könnte das Hormon Östrogen dafür verantwortlich sein, dass die Grenzen beim Alkoholkonsum verschwimmen. Wissenschaftler der Weill Cornell Medicine haben nun in einer präklinischen Studie herausgefunden, dass hohe Östrogenspiegel den Alkoholkonsum bei Frauen direkt beeinflussen. Besonders in den ersten 30 Minuten nach dem ersten Schluck trinken Frauen mehr, wenn ihr Östrogenspiegel hoch ist. „Dieses Verhalten nennen wir ‚front-loading‘“, erklärt Studienleiterin Dr. Kristen Pleil.

Die Ergebnisse der Studie zeigen erstmals, wie das Hormon direkt das Trinkverhalten beeinflusst. Der Mechanismus spielt sich auf neuronaler Ebene ab und könnte künftig neue Ansätze zur Behandlung von Alkoholmissbrauch eröffnen.

Alkohol für Frauen schädlicher

Laut Dr. Pleil gibt es bisher nur wenige Studien, die sich mit exzessivem Alkoholkonsum bei Frauen beschäftigen. „Wir wissen viel weniger darüber, was das Trinkverhalten bei Frauen antreibt, weil die meisten Untersuchungen an Männern durchgeführt wurden“, sagt sie. Das sei ein Versäumnis, denn Frauen sind nicht nur anfälliger für die gesundheitlichen Schäden durch Alkohol, sondern haben auch während der Pandemie einen deutlicheren Anstieg im Konsum gezeigt.

Die gesundheitlichen Folgen sind alarmierend. Studien belegen, dass Frauen in dieser Zeit häufiger wegen alkoholbedingter Komplikationen ins Krankenhaus eingeliefert wurden. „Das Trinkmuster Binge Drinking verstärkt die schädlichen Wirkungen von Alkohol“, betont Dr. Pleil.

Hoher Östrogenspiegel, mehr Alkohol

Der entscheidende Punkt der Studie liegt in der Beobachtung, dass hohe Östrogenspiegel das Trinkverhalten direkt beeinflussen. In Versuchen mit weiblichen Mäusen beobachteten die Forscher, wie sich der Konsum über den Zyklus hinweg veränderte. An Tagen mit hohen Östrogenspiegeln griffen die Tiere deutlich häufiger zur Flasche.

„Wenn eine weibliche Maus ihren ersten Schluck Alkohol nimmt, reagieren ihre Neuronen sofort. Mit hohem Östrogen im Blut ist diese Reaktion noch stärker“, erläutert Dr. Pleil. Die erhöhte Aktivität der Neuronen tritt im sogenannten Nucleus striae terminalis (bed nucleus of the stria terminalis, BNST) auf, einem Bereich des Gehirns, der für Verhalten und Emotionen zuständig ist. Diese Hyperaktivität erklärt das gesteigerte Trinkverhalten.

Überraschender Mechanismus: Östrogen wirkt blitzschnell

Was die Forscher besonders überraschte, war die Geschwindigkeit, mit der Östrogen wirkt. Normalerweise reguliert das Hormon Verhaltensweisen, indem es Gene im Zellkern aktiviert – ein Prozess, der Stunden dauern kann. Doch in diesem Fall zeigte Östrogen eine direkte Wirkung auf Rezeptoren an der Zelloberfläche.

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„Es ist das erste Mal, dass jemand gezeigt hat, dass endogenes Östrogen aus den Eierstöcken so schnell das Verhalten beeinflusst“, erklärt Dr. Pleil. Mit chemisch modifiziertem Östrogen, das die Zellen nicht durchdringen konnte, konnten die Forscher den schnellen Mechanismus bestätigen: Das Hormon verändert direkt die Kommunikation zwischen den Zellen.

Diese rasche Wirkung erklärt das „front-loading“ – ein Verhalten, bei dem Frauen in Phasen hoher Östrogenspiegel innerhalb der ersten 30 Minuten nach Verfügbarkeit von Alkohol besonders viel konsumieren.

Chancen für neue Behandlungen

Die Erkenntnisse der Studie könnten neue Perspektiven für die Behandlung von Alkoholmissbrauch eröffnen. Die Forscher identifizierten den spezifischen Östrogenrezeptor, der für diesen Effekt verantwortlich ist. Zudem zeigten sie, dass ein ähnlicher Mechanismus auch bei Männern möglich ist. Bei ihnen wird Östrogen allerdings aus Testosteron im Gehirn gebildet.

Eine mögliche Therapie könnte darin bestehen, die Enzyme zu blockieren, die Östrogen im Gehirn synthetisieren. Ein solcher Ansatz wird bereits bei der Behandlung östrogensensitiver Krebserkrankungen eingesetzt. „Die Kombination dieses Medikaments mit Substanzen, die die neuronale Aktivität im BNST beeinflussen, könnte eine neue, gezielte Methode zur Behandlung von Alkoholabhängigkeit sein“, so Dr. Pleil.

Was du dir merken solltest:

  • Östrogen beeinflusst Alkoholkonsum: Hohe Östrogenspiegel verstärken das Trinkverhalten bei Frauen, besonders in den ersten 30 Minuten nach dem ersten Schluck. 
  • Neuronale Aktivität als Schlüssel: Das Hormon aktiviert gezielt Neuronen im Gehirn, wodurch der Alkoholkonsum gesteigert wird – eine schnelle und direkte Wirkung über Zelloberflächenrezeptoren. 
  • Neue Behandlungsansätze möglich: Erkenntnisse zu Östrogen und Alkoholkonsum könnten Therapien wie Enzymblocker bieten, die gezielt den Hormonspiegel und damit das Trinkverhalten beeinflussen. 

Übrigens: Forscher haben ein innovatives Protein-Gel entwickelt, das Alkohol direkt im Magen-Darm-Trakt abbauen soll – bevor er ins Blut gelangt. Dieses neue Gel könnte den Umgang mit Alkoholkonsum grundlegend verändern. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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