Abfallbeseitigung im Gehirn: Es ist, als würde man die Spülmaschine einschalten, bevor man ins Bett geht
Geschirrspüler an im Tiefschlaf: Forscher haben untersucht, wie das Gehirn die Abfallbeseitigung selbst organisiert.
Tiefschlaf ist mehr als nur Erholung. Eine aktuelle Studie der University of Rochester zeigt, dass das Gehirn während des Schlafs Abfallstoffe beseitigt. Dieser Prozess, vergleichbar mit dem Einschalten einer Spülmaschine, ist essenziell für die Gesundheit unseres Gehirns. Die Forscher entdeckten, dass das sogenannte glymphatische System, eine Art Abfallbeseitigung im Gehirn, durch Tiefschlaf aktiviert wird.
Dieses System transportiert toxische Proteine wie Amyloid und Tau ab – Stoffe, die im Zusammenhang mit Krankheiten wie Alzheimer stehen. Lange war unklar, was dieses System antreibt. Nun liefert die Studie eine Antwort: Noradrenalin, ein Hormon und Neurotransmitter, spielt eine zentrale Rolle. Es löst rhythmische Bewegungen der Blutgefäße aus, die für den Abtransport der Abfallstoffe verantwortlich sind.
Noradrenalin: Der Taktgeber des Gehirns
Während des Tiefschlafs sendet das Gehirn alle 50 Sekunden kleine Wellen von Noradrenalin aus. Diese bewirken, dass Blutgefäße sich zusammenziehen und entspannen. Diese rhythmischen Pulsationen treiben die Gehirnflüssigkeit an, die Abfallstoffe fortspült. „Man kann Noradrenalin als den Dirigenten eines Orchesters betrachten“, erklärt Natalie Hauglund, Mitautorin der Studie, in einer Pressemitteilung.
Die Forscher untersuchten auch, wie Schlafmittel wie Zolpidem diesen Prozess beeinflussen. Sie fanden heraus, dass bei Mäusen, die das Medikament erhielten, die Noradrenalin-Wellen um 50 Prozent reduziert wurden. Das führte dazu, dass der Flüssigkeitstransport ins Gehirn um 30 Prozent abnahm. Obwohl die Mäuse schneller einschliefen, wurde die natürliche Reinigung des Gehirns gestört. Maiken Nedergaard, die leitende Forscherin, erklärt: „Das Gehirn wird nicht richtig gereinigt.“
Die Mechanismen hinter diesem Effekt sind klar: Die Schlafmittel hemmen die Produktion von Noradrenalin und stören so die Pumpfunktion der Blutgefäße. Das hat Auswirkungen auf die Effizienz der Abfallentsorgung im Gehirn.
Schlafstörungen und deren Auswirkungen auf neurologische Erkrankungen
„Immer mehr Menschen nehmen Schlafmittel, und es ist wirklich wichtig zu wissen, ob das gesunder Schlaf ist“, sagt Hauglund. Schlafmedikamente können den Tiefschlaf verändern und langfristig die Gehirnfunktion beeinträchtigen. Schlafstörungen können sich somit auf neurologische Erkrankungen auswirken. Laut den Forschern könnte ein gestörtes glymphatisches System erklären, warum schlechter Schlaf das Risiko für Krankheiten wie Alzheimer erhöht.
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MRT zeigt erstmals: Gehirn beseitigt Abfallstoffe sichtbar effektiv
Die Ergebnisse der Studie ergänzen frühere Entdeckungen zur Bedeutung des glymphatischen Systems. Vergangenen Oktober veröffentlichte die Oregon Health & Science University (OHSU) eine Studie, die erstmals das glymphatische System beim Menschen sichtbar machte. Mithilfe moderner MRT-Technologie konnten die Forscher nachweisen, dass das System Abfallstoffe wie Amyloid und Tau über klar definierte Kanäle entlang der Blutgefäße abtransportiert.
Die Studie bestätigt frühere Vermutungen der University of Rochester und zeigt, dass das glymphatische System nicht nur bei Mäusen, sondern auch beim Menschen existiert. „Menschen dachten immer, dass diese perivaskulären Räume wichtig sind, aber bewiesen war das nie – bis jetzt“, erklärte Dr. Juan Piantino von der OHSU.
Neue Medikamente sollen Gehirnreinigung nachhaltig sichern
Es ist noch zu früh, um sicher zu sagen, ob sich diese Ergebnisse direkt auf den Menschen übertragen lassen. „Die menschliche Schlafarchitektur ist deutlich komplexer als die einer Maus, aber wir teilen denselben grundlegenden Gehirnkreislauf, der hier untersucht wurde“, erklärt Laura Lewis vom Massachusetts Institute of Technology laut New Scientist. „Einige dieser zentralen Mechanismen dürften auch für uns Menschen gelten.“
Sollten Schlafmittel tatsächlich die Gehirnreinigung stören, muss die Entwicklung neuer Medikamente Priorität haben. „Andernfalls riskieren wir, Schlafprobleme zu verschärfen und die Gehirngesundheit langfristig zu beeinträchtigen“, so Nedergaard.
Was du dir merken solltest:
- Das Gehirn beseitigt im Tiefschlaf Abfallstoffe, wie toxische Proteine, die mit Krankheiten wie Alzheimer verbunden sind.
- Noradrenalin treibt diese Abfallbeseitigung an, doch Schlafmittel wie Zolpidem stören den Prozess und gefährden die natürliche Reinigung.
- Neue Forschung zeigt: Das glymphatische System gibt es auch beim Menschen und gesunder Schlaf ist entscheidend für ein leistungsfähiges Gehirn.
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