Hitzeschutz aus dem Farbeimer: Weiße Dächer als Waffe gegen den Klimawandel
Weiße Dächer reflektieren Sonnenlicht und senken so effektiv die städtischen Temperaturen, was im Kampf gegen den Klimawandel helfen könnte.
Weiße Dächer könnten helfen, Städte abzukühlen und sogar den Klimawandel zu stoppen, rein theoretisch. Wissenschaftler in London haben in kleinem Rahmen getestet, wie sich die Theorie in die Praxis umsetzen lässt.
In einer Studie der University College London wurde untersucht, wie sich die Lufttemperatur in London während der zwei heißesten Tage des Sommers 2018 hätte senken lassen, wenn verschiedene Kühlmaßnahmen stadtweit eingesetzt worden wären. Die Forschungsgruppe um Oscar Brousse simulierte den Einsatz von „Cool Roofs“, also kühlen Dächern, die entweder weiß angestrichen oder mit einer reflektierenden Beschichtung versehen sind, neben anderen Methoden wie der Nutzung von Klimaanlagen und Solarpanelen. Diese kühlen Dächer erwiesen sich als überaus effektiv: Sie senkten die durchschnittlichen Außentemperaturen um 1,2°C und in manchen Stadtteilen sogar um bis zu 2°C, meldet der NewScientist. Im Vergleich dazu reduzierten zusätzliche Bäume die Temperatur nur um etwa 0,3°C und Solarpanele um 0,5°C.
Effektiv kühlen: Einfache Dachanpassungen gegen den Klimawandel
Oscar Brousse betont, dass die Anbringung von reflektierenden Beschichtungen oder das Aufhellen von Dachflächen in der Stadt eine relativ einfache und kostengünstige Anpassung an den Klimawandel darstellen könnte. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass solche kühlen Dächer nicht nur während extremer Hitzeereignisse, sondern auch als langfristige Strategie zur Temperaturreduktion in städtischen Gebieten effektiv sein könnten. Zwar gibt es auch Gründe, andere Technologien wie Begrünung der Dächer oder Solarpanele zu fördern, die neben der Energiegewinnung auch die Biodiversität und das Wohlbefinden der Anwohner steigern können, doch im Hinblick auf die reine Temperatursenkung scheinen kühle Dächer die wirksamste Lösung zu sein. Ein Bericht der Greater London Authority aus dem Jahr 2023 unterstreicht, dass reflektierende Dächer angesichts steigender Temperaturen und häufigerer Hitzewellen zunehmend in den Fokus der städtischen Politik rücken dürften.
Purdue-Weiß senkt Temperaturen deutlich
Zuvor hatten schon Wissenschaftler der Purdue Universität in Indiana an einer ganz speziellen weißen Farbe gebastelt. Diese verfügt über beeindruckende Fähigkeiten: Sie reflektiert 98 Prozent des Sonnenlichts und der Infrarotwärme. In Folge wird die Oberflächentemperatur um bis zu 4,5 Grad gesenkt. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal ACS Applied Materials & Interfaces publiziert.
Weiße Farbe könnte Temperaturen stabilisieren
Jeremy Munday, Forscher an der University of California in Davis, betont, dass theoretisch die Anwendung dieser Farbe auf ein bis zwei Prozent der Erdoberfläche, was etwa der Fläche der Vereinigten Staaten entspricht, die globale Durchschnittstemperatur stabilisieren könnte. „Es klingt einfach, ist aber eine enorme Herausforderung“, so Munday. Eine solche Maßnahme würde etwa zwei Billionen Liter Farbe benötigen, meldet der Standard. Eine Fläche dieser Größe zu streichen, erscheint unvorstellbar.
Purdue-Weiß: Mehr als nur Farbe auf dem Dach
Das sogenannte Purdue-Weiß, eine Neuentwicklung, basiert nicht auf dem traditionellen Titanoxid, sondern nutzt Bariumsulfat, das UV-Licht nicht absorbiert. Dieses Material ermöglicht eine höhere Reflexion durch die Variation der Pigmentpartikelgröße. Laut Standard könnte eine 93 Quadratmeter große Dachfläche mit dieser Farbe einen Kühlungseffekt von zehn Kilowattstunden erzielen, was potenziell Klimaanlagen überflüssig machen würde.
Grenzen der Umsetzbarkeit
Die Umsetzung dieser Theorie in die Praxis ist jedoch mit mehreren Herausforderungen verbunden. Abgesehen von der schieren Menge an benötigter Farbe wäre auch die Beschaffung des notwendigen Bariumsulfats, das hauptsächlich in China und Indien gewonnen wird, ein kritischer Punkt. Zudem würde der Abbau und die Produktion der Farbe selbst Emissionen freisetzen, die den Kühleffekt potenziell zunichtemachen könnten.
Optimismus bei Purdue
Xiulin Ruan, der Entwickler der Farbe, sieht die Sache dennoch optimistisch. „Unser Ziel ist es, zur globalen Abkühlung beizutragen, indem wir die Reflexion der Sonneneinstrahlung maximieren“, erklärt er. Dies unterstreicht das Bestreben, innovative Lösungen zu finden, um den Herausforderungen des Klimawandels zu begegnen.
Die Wissenschaftler räumen jedoch ein, dass neben solch innovativen Ansätzen auch massive Einsparungen bei CO2-Emissionen unverzichtbar sind, um den Klimawandel wirksam zu bekämpfen. Damit bleibt die Idee des Purdue-Weißes vorerst eine faszinierende, wenn auch theoretische Möglichkeit.
Was du dir merken solltest:
- Weiße Dächer reflektieren bis zu 98 Prozent des Sonnenlichts und können die Temperatur um bis zu 4,5 Grad senken, was sie zu einem effektiven Werkzeug im Kampf gegen den Klimawandel machen.
- Das Anstreichen von 1-2 Prozent der Erdoberfläche könnte theoretisch die globale Durchschnittstemperatur stabilisieren, trotz der Herausforderung, zwei Billionen Liter Farbe zu produzieren und Rohstoffe zu beschaffen.
- Trotz des Potenzials, das weiße Dächer darstellen, ist eine signifikante Reduzierung von CO2-Emissionen unerlässlich, um den Klimawandel effektiv zu bekämpfen.
Übrigens: Zum Thema Farbe auf Dächern gibt es noch mehr gute Nachrichten. Der Anstrich mit einer Solarfarbe könnte Häuser in kleine Kraftwerke verwandeln und die Installation teurer PV-Anlagen ersetzen. Mehr dazu kannst du in unserem Artikel nachlesen.
Bild: © mattbuck via Wikimedia unter CC BY-SA 2.0
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