„Kigali sicherer als London“: Großbritannien boxt Abschiebe-Deal mit Ruanda durch
Das britische Parlament verabschiedet ein Gesetz, das die Abschiebung von unrechtmäßig eingereisten Migranten nach Ruanda ermöglicht. Was steckt dahinter?
Das britische Parlament stimmte zu Beginn der Woche für ein neues Gesetz, das die Abschiebung von Migranten nach Ruanda ermöglicht, wenn diese unrechtmäßig in Großbritannien eintreffen. Sowohl die Vereinten Nationen als auch der Europarat und andere Organisationen haben bereits vor und nach der Verabschiedung des Gesetzes ihre Bedenken gegen diese Maßnahme geäußert.
Charterflüge bald nach Ruanda unterwegs
Der Plan der britischen Regierung, Asylsuchende nach Ruanda abzuschieben, hat sowohl national als auch international für Aufsehen gesorgt. Der konservative Premierminister Rishi Sunak hat sich trotz rechtlicher Bedenken und Kritik von Menschenrechtsorganisationen für diesen Schritt stark gemacht. Sunak kündigte an, dass innerhalb der nächsten zehn bis zwölf Wochen Charterflüge Migranten zur Ausweisung nach Ruanda bringen werden.
London will gefährliche Überfahrten verringern
Die Regierung argumentiert, dass die Maßnahme dazu beitragen soll, die Zahl der gefährlichen Überfahrten über den Ärmelkanal zu verringern. Im letzten Jahr erreichten knapp 30.000 Migranten auf diesem Weg Großbritannien, ein Rekordhoch. Im ersten Quartal dieses Jahres setzte sich der Trend laut der Tagesschau mit 4.600 weiteren Ankünften fort.
Wer soll nach Ruanda abgeschoben werden?
Die britische Regierung plant, jeden, der ohne erforderliche Dokumente einreist, nach Ruanda zu deportieren, unabhängig von der Herkunft. In Ruanda müssen diese Personen Asylanträge stellen, und bei Bewilligung wird ihnen der Aufenthalt dort gewährt; eine Rückkehr nach Großbritannien ist jedoch ausgeschlossen.
Kostspieliger Ruanda-Deal löst hitzige Debatten aus
Die finanziellen Aspekte des Deals sind ebenfalls erheblich. Großbritannien hat zugesagt, bis zu einer halben Milliarde Pfund, umgerechnet etwa 584 Millionen Euro, an Ruanda zu zahlen. Hinzu könnten Hunderttausende Pfund pro Asylbewerber kommen, abhängig von der Anzahl der tatsächlich abgeschobenen Personen. Diese erheblichen Summen haben im Vereinigten Königreich zu einer hitzigen Debatte über die Kosten und Effizienz des Programms geführt.
„Kigali sicherer als London“
Der stellvertretende britische Außenminister Andrew Mitchell verteidigte das umstrittene Vorhaben der Regierung. Laut einem Bericht der Times behauptet Mitchell, dass die Hauptstadt von Ruanda, Kigali, sicherer sei als London. Diese Aussage stützt sich auf Daten von Numbeo, einer Website, die Kriminalitätsstatistiken vergleicht. Die Kriminalität in London sei demnach fast dreimal höher als in Kigali. Allerdings beruhen diese Daten lediglich auf den Angaben von 59 Umfrageteilnehmern, was die Validität der Aussage infrage stellt. Eine Anfrage an das britische Außenministerium nach weiteren Beweisen blieb zu Wochenbeginn unbeantwortet.
Kritik an London-Äußerungen
Der Labour-Abgeordnete Andy Slaughter reagierte heftig auf diese Äußerungen. Er kritisierte laut dem Evening Standard den Vergleich zwischen London und Kigali als „unglaublich geschmacklos und dumm“. Die Regierung versuche offensichtlich krampfhaft, ihre gescheiterte Politik umzusetzen.
Rechtliche Bedenken gegen Ruandas Status als sicherer Drittstaat
Rechtlich stehen die Abschiebepläne auf wackeligen Füßen. Der Oberste Gerichtshof in London hatte die Ruanda-Pläne zuvor für rechtswidrig erklärt, insbesondere wegen Bedenken hinsichtlich eines fairen Asylverfahrens in Ruanda. Trotzdem hat Sunak Ruanda zum sicheren Drittstaat erklärt, um Einsprüche gegen Abschiebungen vor britischen Gerichten zu verhindern.
Menschenrechtsverstöße in Ruanda
Diese Entscheidung steht im Widerspruch zu Berichten über die Menschenrechtslage in Ruanda, wo Präsident Paul Kagame seit 24 Jahren an der Macht ist. Menschenrechtsorganisationen und das UN-Flüchtlingshilfswerk haben schwerwiegende Verstöße gegen Menschenrechte, einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen und Unterdrückung der Meinungsfreiheit, dokumentiert.
Selektive Rechtsnormen gefährden Großbritanniens Weltruf
Die Auswirkungen dieser Politik auf das internationale Ansehen Großbritanniens sind umstritten. Der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, hat davor gewarnt, dass das selektive Einhalten internationaler Rechtsnormen das Ansehen Großbritanniens in der Welt beschädigen könnte. Zuvor hatte Welby Sunak laut einem Bericht von Daily Mail davor gewarnt, „die Nation auf einen schädlichen Weg zu führen“. Die Ruanda-Pläne seien „unmoralisch“.
Derweil hofft die autoritäre Führung in Kigali durch das Abkommen das internationale Image Ruandas zu verbessern und von internen Problemen abzulenken.
Politische und rechtliche Hürden verzögern britische Abschiebepläne
Es bleibt abzuwarten, ob der Plan der Regierungspartei, mit dieser strengen Migrationspolitik zusätzliche Stimmen zu gewinnen, erfolgreich sein wird. Premier Sunak hatte gehofft, dass die ersten Abschiebeflüge bereits im Frühjahr starten könnten, jedoch deutet einiges darauf hin, dass juristische und politische Hürden diesen Zeitplan verzögern könnten. In der Zwischenzeit behält die britische Öffentlichkeit die Entwicklungen genau im Auge, während die Diskussionen über die moralischen, rechtlichen und finanziellen Implikationen des Ruanda-Deals weitergehen.
Was du dir merken solltest:
- Das britische Parlament hat ein Gesetz verabschiedet, das die Abschiebung von unrechtmäßig eingereisten Migranten nach Ruanda erlaubt, was international, besonders von der UN und dem Europarat, kritisiert wird.
- Premierminister Rishi Sunak setzt dieses Gesetz durch, um die Anzahl der gefährlichen Überfahrten über den Ärmelkanal zu reduzieren, trotz erheblicher rechtlicher und ethischer Bedenken.
- Die Entscheidung hat eine hitzige Debatte über die moralischen, rechtlichen und finanziellen Implikationen des Ruanda-Deals im Vereinigten Königreich ausgelöst.
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