Tanz statt Reha – Wie Tango gegen Krebs-Schäden hilft

Tango-Tanzen soll geschädigte Nerven nach Brustkrebs-Chemotherapie wieder reaktivieren.

Tango-Therapie soll Nervenstörungen nach Krebs gezielt heilen

Tango soll Brustkrebspatientinnen mit Neuropathie helfen, Gleichgewicht, Koordination und Körpergefühl nach der Chemotherapie zurückzugewinnen. © Pexels

Wenn die Nerven nach der Chemotherapie streiken, wird jeder Schritt zur Herausforderung. Bis zu 80 Prozent der Brustkrebspatientinnen, die mit taxanhaltigen Medikamenten behandelt wurden – also Krebsmitteln, die das Zellwachstum bremsen und häufig Nervenschäden verursachen –, entwickeln sogenannte Neuropathien. Die Finger kribbeln, die Füße brennen, das Gefühl geht verloren. Schuhe schnüren, eine Tasse greifen oder sicher laufen – vieles wird schwer. Doch es gibt Hoffnung: Eine Forschergruppe der Ohio State University setzt genau hier an – mit Tango gegen die Krebs-Behandlungsschäden.

Im Fokus der Studie steht dabei kein klassisches Reha-Programm, sondern etwas Ungewöhnliches: sozialer Tanz. Die Bewegung im Takt soll dabei helfen, die Dual-Task-Funktion – also das gleichzeitige Bewegen und Denken – zu verbessern. Genau diese Fähigkeit ist bei vielen Betroffenen nach der Krebstherapie gestört.

Bewegung und Musik stimulieren das Gehirn und reparieren gestörte Reize

Die Wissenschaftler nutzen einen besonderen Effekt: Entrainment. Dabei gleicht sich die Hirnaktivität dem Rhythmus der Musik an. Beim Tango liegt dieser bei etwa 120 Schlägen pro Minute. Die Bewegungen synchronisieren sich mit der Musik, das Gehirn reagiert darauf. „Unsere Pilotdaten zeigten, dass bereits 20 Minuten sozialer Tanz mehrmals pro Woche bewirken können, die durch die Krebstherapie beeinträchtigten Nervenbahnen umzuprogrammieren“, sagt Studienleiterin Lise Worthen-Chaudhari.

Dabei steht nicht nur der physische Effekt im Vordergrund. Die Betroffenen profitieren auch emotional. „Im Grunde geht es bei dieser Arbeit darum, Überlebenden zu helfen, ihr Leben zurückzugewinnen und aufzublühen“, sagt Worthen-Chaudhari. Der Tanz ist nicht nur Therapie, sondern auch Begegnung. Die Freude an der Bewegung, der soziale Kontakt und das Wiedergewinnen von Kontrolle über den eigenen Körper steigern das Selbstvertrauen. Und das ist gerade nach einer Krebstherapie oft stark angegriffen.

Forscher befestigen Sensoren am Kopf der Patientin Aimee Kain, um ihre Hirnaktivität vor und nach dem achtwöchigen Tanztherapieprogramm bei Neuropathie zu messen. © The Ohio State University Comprehensive Cancer Center
Forscher befestigen Sensoren am Kopf der Patientin Aimee Kain, um ihre Hirnaktivität vor und nach dem achtwöchigen Tanztherapieprogramm bei Neuropathie zu messen. © The Ohio State University Comprehensive Cancer Center

Tango für mehr Gleichgewicht und gegen Sturzangst

Tango als Therapie bringt Körper und Seele zugleich in Bewegung. Die rhythmischen Schritte fördern nicht nur Gleichgewicht und Koordination, sondern helfen auch, verloren gegangene Empfindungen in Füßen und Händen zurückzugewinnen. „Diese Verbindung zwischen Gehirn und Körper verbessert die Koordination und reduziert das Sturzrisiko“, erklärt Worthen-Chaudhari. Gerade die Angst zu stürzen sorge dafür, dass viele Patientinnen sich weniger bewegen – ein Teufelskreis.

Spaß am Tanz sichert Lebensqualität und Therapietreue

Die Forscher wollen mehr als nur kurzfristige Erfolge – ihr Ziel ist eine Therapie, die dauerhaft im Alltag der Patientinnen verankert bleibt. Entscheidend dafür ist die Freude an der Bewegung: Wer mit Begeisterung tanzt, bleibt motiviert. Und das ist bei längerfristigen Therapien oft ein Problem. „Der Spaßfaktor und die soziale Einbindung durch den Tanz waren wichtige Faktoren für die Therapietreue“, betont Worthen-Chaudhari.

Für viele Patientinnen kann dieser Ansatz ein Weg zurück in ein aktives Leben sein. Denn was auf den ersten Blick wie ein ungewöhnliches Reha-Programm aussieht, berührt genau die Stellen, die durch die Chemotherapie geschädigt wurden: das Zusammenspiel von Nerven, Bewegung und Selbstwahrnehmung. „Es ist wirklich spannend zu sehen, dass diese Therapieform nicht nur das Wohlbefinden der Überlebenden verbessert, sondern auch ihre allgemeine Funktion und Lebensqualität steigert“, sagt Worthen-Chaudhari.

Neuer Schwung auch für andere Krankheiten?

In den kommenden fünf Jahren wollen Forscher nun 140 Patientinnen an der Ohio State University und der Yale University begleiten. Die Studie prüft, ob die positiven Effekte auch langfristig bestehen. Zusätzlich soll untersucht werden, ob die Methode auch bei anderen Erkrankungen funktioniert, etwa bei Diabetes, Demenz oder neurodegenerativen Störungen.

Kurz zusammengefasst:

  • Tango-Therapie kann nach einer Chemotherapie helfen, Nervenschäden zu lindern, das Gleichgewicht zu verbessern und das Sturzrisiko zu senken.
  • Schon 20 Minuten Tanz pro Woche fördern die Verbindung zwischen Gehirn und Bewegung – und stärken gleichzeitig das emotionale Wohlbefinden.
  • Die laufende Studie an der Ohio State University prüft, ob diese Methode auch langfristig wirkt und sich auf andere Erkrankungen übertragen lässt.

Übrigens: Während neue Therapieansätze wie Tango gegen Krebs-Folgen Hoffnung machen, zeigt eine aktuelle US-Studie Zahlen zu den Risiken bildgebender Diagnostik: Computertomografien könnten jährlich zehntausende Krebserkrankungen verursachen – allein durch ihre Strahlung. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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