Süßstoffe beschleunigen geistigen Abbau – Studie warnt vor Light-Produkten
Zuckerfrei, aber nicht folgenlos: Manche Süßstoffe stehen im Verdacht, das Gedächtnis schneller altern zu lassen.

Bestimmte Süßstoffe aus Light-Produkten könnten das Gedächtnis schwächen – vor allem bei Jüngeren und Diabetikern. © DALL-E
Viele greifen heute ganz selbstverständlich zu Light-Limonade, zuckerfreiem Joghurt oder proteinreichen Riegeln. Die Verpackung verspricht: Weniger Kalorien, gleich viel Geschmack. Was gut klingt, hat jetzt einen Dämpfer bekommen. Denn: Bestimmte Süßstoffe könnten auf Dauer die Leistung unseres Gehirns beeinträchtigen – vor allem bei Menschen unter 60 Jahren und bei Diabetikern.
Diese Erkenntnis stammt aus einer neuen Langzeitstudie, die im Fachjournal Neurology veröffentlicht wurde. Forscher untersuchten mehr als 12.000 Erwachsene über acht Jahre hinweg. Dabei beobachteten sie, welchen Einfluss der Konsum künstlicher Süßstoffe auf das Gedächtnis und die Denkfähigkeit hat.
Süßstoffe beschleunigen den Abbau im Gedächtnis spürbar
Im Fokus standen sieben verschiedene Süßstoffe:
- Aspartam
- Sorbit
- Xylit
- Saccharin
- Erythrit
- Acesulfam-K
- Tagatose
Vor allem bei hohen Mengen – etwa durch den regelmäßigen Verzehr von Light-Getränken oder Diätprodukten – zeigte sich ein auffälliger Effekt: Die Denkleistung der Vielkonsumenten nahm um bis zu 62 Prozent schneller ab als bei denjenigen, die kaum Süßstoffe verwendeten.
Umgerechnet bedeutet das: Das Gehirn dieser Vielkonsumenten alterte rechnerisch um etwa 1,6 Jahre. Bei mittlerem Konsum lag der Effekt immerhin noch bei 1,3 Jahren.
„Gesund“ heißt nicht automatisch „harmlos“
Im Durchschnitt konsumierten die Studienteilnehmer täglich etwa 92 Milligramm künstliche Süßstoffe. Die Vielkonsumenten kamen auf rund 191 Milligramm – fast genau so viel, wie in einer einzigen Dose Diätlimonade steckt. Studienautorin Claudia Kimie Suemoto warnt:
Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass bestimmte Süßstoffe langfristig die Gesundheit des Gehirns beeinträchtigen könnten.
Beweise für eine direkte Ursache gibt es zwar nicht. Doch der statistische Zusammenhang ist deutlich – und angesichts der weit verbreiteten Verwendung solcher Stoffe im Alltag durchaus relevant.
Besonders betroffen: Menschen unter 60 Jahren
Der Zusammenhang zeigte sich fast ausschließlich bei Menschen unter 60 Jahren. Bei älteren Teilnehmern konnten die Forscher keinen vergleichbaren Effekt beobachten. Möglicherweise reagiert das jüngere Gehirn empfindlicher auf bestimmte chemische Stoffe. Es kann aber auch sein, dass im höheren Alter andere Faktoren den Einfluss überlagern.
Wer also schon in mittleren Jahren regelmäßig zu Süßstoffen greift – etwa zur Gewichtskontrolle – riskiert unter Umständen, dass das Gedächtnis früher nachlässt.
Diabetiker tragen ein besonders hohes Risiko
Auch Menschen mit Diabetes sollten besonders aufmerksam sein. „Menschen mit Diabetes greifen häufiger zu künstlichen Süßstoffen, um Zucker zu ersetzen“, erklärt Suemoto. Gerade bei dieser Gruppe fiel der Zusammenhang zwischen Süßstoffkonsum und geistigem Abbau besonders stark aus.
Nicht alle Süßstoffe schneiden gleich schlecht ab
Von den sieben getesteten Stoffen fiel nur einer positiv auf: Tagatose. Bei diesem Süßstoff ließ sich kein negativer Einfluss auf Denken oder Erinnerungsvermögen nachweisen. Die anderen sechs – darunter Aspartam, Saccharin und Xylit – wurden hingegen mit einem schnelleren kognitiven Abbau in Verbindung gebracht.
Ob Tagatose langfristig sicher ist, bleibt offen. Klar ist jedoch: Es könnte eine verträglichere Alternative sein – zumindest vorläufig.
Diese Lebensmittel enthalten besonders oft Süßstoffe
Süßstoffe stecken nicht nur in Cola light oder Kaugummi. Sie finden sich in einer Vielzahl verarbeiteter Lebensmittel – oft dort, wo man sie nicht vermutet. Beispiele sind:
- Fertigjoghurts mit der Aufschrift „weniger Zucker“
- Müsliriegel mit Proteinversprechen
- Energy-Drinks ohne Kalorien
- Light-Desserts und Diät-Saucen
- Kinderprodukte, die als „zuckerfrei“ gelten
Wer regelmäßig solche Produkte verzehrt, kann leicht mehrere Hundert Milligramm Süßstoffe pro Tag aufnehmen – ohne es zu merken.
Welche Alternativen sinnvoll sein könnten
Die Forscher fordern nun weitere Untersuchungen. Dabei sollen auch natürliche Zuckerersatzstoffe stärker in den Blick genommen werden. Im Gespräch sind zum Beispiel:
- Apfelmus
- Honig
- Ahornsirup
- Kokosblütenzucker
Ob diese Alternativen tatsächlich besser für das Gehirn sind, ist bislang unklar. Sie könnten aber – zumindest vorläufig – eine verträglichere Option darstellen.
Was Verbraucher tun können
Auch wenn nicht alle Fragen abschließend geklärt sind, lohnt es sich, auf Etiketten zu achten. Wer künstliche Süßstoffe bewusst einschränken möchte, kann im Alltag folgende Tipps umsetzen:
- Mit natürlicher Süße aus Obst arbeiten
- Zutatenlisten lesen: Viele Süßstoffe enden auf -it oder -ol
- Light-Produkte kritisch hinterfragen – nicht automatisch für gesund halten
- Möglichst wenig verarbeitete Produkte kaufen
Kurz zusammengefasst:
- Der regelmäßige Konsum bestimmter Süßstoffe wie Aspartam, Xylit oder Sorbit wurde mit einem schnelleren geistigen Abbau in Verbindung gebracht – das Gedächtnis alterte rechnerisch um bis zu 1,6 Jahre schneller.
- Besonders betroffen waren Menschen unter 60 Jahren und Diabetiker, die häufig auf zuckerfreie Produkte zurückgreifen und damit ein erhöhtes Risiko eingehen könnten.
- Tagatose zeigte als einziger getesteter Süßstoff keinen negativen Effekt, während die anderen Stoffe in vielen verarbeiteten Lebensmitteln wie Light-Getränken, Müsliriegeln oder Joghurts stecken.
Übrigens: Süßstoffe täuschen nicht nur das Belohnungssystem, sondern beeinflussen auch das Hungergefühl und die Entscheidungskontrolle im Gehirn. Mehr dazu in unserem Artikel.
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