Alte Menschen essen zu wenig – Diese Warnzeichen sollten Angehörige ernst nehmen

Mangelernährung im Alter trifft mehr Menschen als gedacht. Eine Expertin erklärt, warum sie oft zu spät erkannt wird – und was man dagegen tun kann.

Mangelernährung im Alter: Diese Signale sind alarmierend

Viele ältere Menschen verlieren im Alltag die Lust am Essen – oft bleiben erste Anzeichen von Mangelernährung lange unbemerkt. © DALL-E

Viele ältere Menschen in Deutschland essen zu wenig oder zu einseitig. Das Frühstück fällt klein aus, mittags gibt es nur Suppe, abends reicht ein Joghurt. Was zunächst harmlos wirkt, kann ernste gesundheitliche Folgen haben: Der Körper verliert an Kraft, Wunden heilen schlechter, das Infektionsrisiko steigt. Besonders Menschen über 80 Jahre sind betroffen – und ihre Zahl wächst stetig. Professorin Dorothee Volkert, Leiterin des Lehrstuhls für Geriatrie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, untersucht das Problem seit Jahren. Im Interview erklärt sie, warum Mangelernährung im Alter so häufig vorkommt – und wie man sie erkennt und behandelt.

Wenn Essen zur Belastung wird

Mit zunehmendem Alter verändert sich vieles – auch der Umgang mit dem Essen. Der Körper braucht eigentlich mehr Aufmerksamkeit, bekommt aber oft weniger davon. Die häufigsten Gründe dafür sind:

  • Appetitverlust: Geschmack und Geruch nehmen ab, auch das Durstgefühl lässt nach.
  • Schwächere Muskeln: Der Körper baut ab, die Sturzgefahr steigt, Infekte verlaufen schwerer.
  • Essen wird mühsam: Kauen und Schlucken fallen schwer, Einkaufen und Kochen überfordern viele.
  • Falsche Ernährung: Viele greifen zu Toast oder Keksen – schnell zubereitet, aber nährstoffarm.
  • Einsamkeit: Wer allein lebt, verliert oft die Lust am Essen. Auch Depression oder Demenz spielen eine Rolle.
Porträt von Prof. Dr. Dorothee Volkert,vom Institut für Biomedizin des Alterns Lehrstuhl für Innere Medizin, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Prof. Dr. Dorothee Volkert vom Institut für Biomedizin des Alterns, Lehrstuhl für Innere Medizin – Geriatrie. © Privat

Wenn Angehörige eine ungewollte Gewichtsabnahme, Appetitlosigkeit oder auch einen nicht mehr so gut gefüllten Kühlschrank bemerken, sollten unbedingt die dahintersteckenden Ursachen geklärt werden.

Prof. Dr. Dorothee Volkert

Das Problem wächst mit der Alterung der Gesellschaft

Mangelernährung im Alter ist keine Randerscheinung. Mit dem demografischen Wandel steigt die Zahl der Betroffenen spürbar an. Besonders gefährdet sind Hochaltrige – also Menschen über 80 Jahre.

Die gesundheitlichen Folgen reichen weit:

  • Erhöhtes Infektionsrisiko
  • Verzögerte Wundheilung
  • Verlust an Muskelmasse und Mobilität
  • Längere Krankenhausaufenthalte
  • Geringere Lebensqualität

„Diese Menschen haben oft einen deutlich höheren Pflegebedarf“, so Volkert. Umso wichtiger sei es, früh gegenzusteuern.

Wie man Mangelernährung im Alter rechtzeitig erkennt

Viele Anzeichen bleiben lange unbemerkt. Dabei lässt sich Mangelernährung oft schon im frühen Stadium feststellen – wenn man weiß, worauf man achten muss. Die Expertin empfiehlt einfache Screening-Fragebögen, die besonders in Kliniken und Pflegeeinrichtungen eingesetzt werden können.

Wichtige Warnsignale:

  • Ungewollter Gewichtsverlust
  • Deutlich geringere Nahrungsaufnahme
  • Verändertes Essverhalten oder Appetitmangel
  • Verwirrtheit oder Antriebslosigkeit in Kombination mit Essproblemen

Über 100 Faktoren – und viele Lösungswege

Die Ursachen für Mangelernährung sind vielfältig. Mehr als 100 Einflussfaktoren diskutieren Wissenschaftler weltweit. Um Ordnung in diese Komplexität zu bringen, hat Volkerts Forschungsteam ein Modell entwickelt, das die häufigsten Ursachen systematisch gliedert – von körperlichen Erkrankungen bis zu psychischer Belastung und sozialer Isolation.

In der Praxis beginnt die Behandlung oft mit kleinen, aber gezielten Veränderungen:

  • Energiedichte erhöhen: Sahne, Nüsse, pflanzliche Öle und Eier in Speisen integrieren
  • Trinknahrung oder Eiweißpulver bei Bedarf ergänzen
  • Logopädie bei Schluckproblemen
  • Alltagshilfen: Unterstützung beim Einkaufen oder Kochen
  • Essensbegleitung: Gemeinsam essen, Rituale pflegen

Wichtig ist, dass die Maßnahmen individuell angepasst werden und realistisch in den Alltag integrierbar sind.

Prof. Dr. Dorothee Volkert

Was Angehörige konkret tun können

Wer regelmäßig Kontakt zu älteren Menschen hat, kann viel bewirken. Aufmerksam hinschauen ist der erste Schritt:

  • Fehlt regelmäßig das Mittagessen?
  • Wird Essen im Kühlschrank alt?
  • Hat sich das Körpergewicht verändert?

Hilfreich sind einfache Maßnahmen: Gemeinsam essen, Lieblingsgerichte servieren, Lebensmittel abwechslungsreich gestalten. Wichtig ist, dass das Essen wieder Freude macht – und keine Überforderung darstellt.

Mangelernährung wird oft übersehen – dabei gibt es einfache Lösungen

Obwohl Mangelernährung schwere Folgen hat, spielt das Thema in der medizinischen Versorgung noch immer eine Nebenrolle. „Leider wird Mangelernährung im medizinischen Alltag nicht ausreichend beachtet, unter anderem weil Ernährung in der Ausbildung kaum eine Rolle spielt“, kritisiert Volkert.

Dabei könnten bereits kleine Schritte helfen. Krankenhäuser könnten bei der Aufnahme routinemäßige Ernährungstests durchführen. Auch ambulante Pflegedienste und Hausärzte sollten stärker auf Veränderungen im Essverhalten achten – bevor ein gesundheitlicher Notfall eintritt.

Kurz zusammengefasst:

  • Mangelernährung im Alter betrifft immer mehr Menschen über 80, weil Appetit, Geschmack, Mobilität und Esslust nachlassen – häufig bleibt das lange unbemerkt.
  • Typische Folgen sind Infektanfälligkeit, Muskelabbau, schlechtere Heilung, längere Klinikaufenthalte und ein steigender Pflegebedarf.
  • Wer Warnzeichen wie Gewichtsverlust, leeren Kühlschrank oder Appetitlosigkeit erkennt, kann früh gegensteuern – mit nährstoffreicher Ernährung, Essensbegleitung und gezielter Hilfe.

Übrigens: Auch in deutschen Kliniken sterben jedes Jahr Zehntausende Menschen, weil sie zu wenig essen – mitten in der medizinischen Versorgung. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © DALL-E

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