Wer auf Schlafmittel verzichtet, lebt länger – und wird erst später pflegebedürftig

Schlafmittel im Alter können laut Studie das Sturzrisiko erhöhen und die Lebenserwartung senken – Alternativen wirken sicherer.

Länger leben ohne Pillen: Schlafmittel schaden im Alter

Die Analyse des USC Schaeffer Center zeigt, dass ältere Menschen ohne Schlafmittel seltener stürzen und länger selbstständig leben. © Pexels

Viele Menschen über 60 greifen regelmäßig zu Schlaftabletten – aus ärztlichem Rat, aus Gewohnheit oder weil der Schlaf ohne Hilfe nicht mehr kommt. Was als schnelle Lösung beginnt, wird oft zur Dauerlösung. Doch genau das kann ernsthafte Folgen haben: Wer dauerhaft Schlafmittel nimmt, lebt nicht nur mit mehr Risiken, sondern möglicherweise auch kürzer.

Eine neue Analyse der University of Southern California zeigt, wie stark solche Medikamente im Alter auf Gesundheit, Selbstständigkeit und Lebenserwartung wirken. Das Forschungsteam wertete dafür Daten von über 18.000 Personen über 50 aus – und rechnete mit einem Simulationsmodell nach, was passiert, wenn Schlafmittel langfristig genommen oder weggelassen werden.

Verzicht spart Pflege und Klinikaufenthalte

Etwa 15 Millionen Menschen über 50 nehmen in den USA regelmäßig verschreibungspflichtige Mittel wie Zolpidem, Benzodiazepine oder Trazodon. Die Medikamente stehen seit Jahren auf der sogenannten Beers-Liste – also der Liste von Arzneien, die im Alter mit Vorsicht eingesetzt werden sollten. Laut Studie bringt ein Verzicht deutliche Vorteile:

  • Das Risiko für Stürze sinkt um rund 8,5 Prozent.
  • Kognitive Beeinträchtigungen treten um etwa 2 Prozent seltener auf.
  • Die Lebenserwartung steigt im Schnitt um 1,3 Monate – und die zusätzlichen Wochen werden meist in guter Gesundheit verbracht.

Insgesamt ergab die Modellrechnung: Auf die US-Bevölkerung gerechnet lassen sich 1,7 Millionen Lebensjahre gewinnen – davon 1,3 Millionen ohne schwere gesundheitliche Einschränkungen.

Schlafmittel im Alter schränken die Selbstständigkeit ein

Besonders deutlich wirkt sich der Verzicht bei Frauen im Alter von 65 bis 74 Jahren aus. Sie nehmen besonders häufig Schlafmittel und profitieren am stärksten davon, wenn sie die Tabletten absetzen. Die Daten zeigen:

  • Pflegeheime werden im Durchschnitt zwei Wochen später nötig.
  • Die Zahl der Jahre mit Einschränkungen im Alltag – etwa beim Einkaufen oder Kochen – verringert sich leicht.
  • Die gesundheitlichen Risiken durch Schlafmittel nehmen vor allem nach dem Renteneintritt spürbar zu.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die Reduzierung der Nutzung von Schlafmedikamenten älteren Erwachsenen helfen könnte, gesünder und mit weniger Einschränkungen zu leben“, sagt Studienleiterin Hanke Heun-Johnson.

Milliardenersparnis durch Verzicht auf Schlafmittel

Der Umstieg auf nicht-medikamentöse Einschlafhilfen lohnt sich auch wirtschaftlich. Laut Modellrechnung spart jede betroffene Person im Schnitt 6.600 US-Dollar an lebenslangen Gesundheitskosten, wenn sie im Alter auf verschreibungspflichtige Schlafmittel verzichtet. Der Grund: Weniger Stürze, seltener Pflegebedarf und eine längere Phase guter Gesundheit.

Hochgerechnet auf die gesamte US-Bevölkerung über 50 ergibt sich daraus ein potenzieller Gesamtnutzen von mehr als 100 Milliarden US-Dollar. Diese Einsparungen setzen sich vor allem aus vermiedenen Krankenhausaufenthalten, geringerer Pflegeintensität und reduzierten Behandlungskosten für Demenz oder andere Folgeerkrankungen zusammen.

Besser schlafen ohne Abhängigkeit: CBT-I als Alternative

Die Studie nennt auch konkrete Alternativen. Am wirksamsten ist die sogenannte kognitive Verhaltenstherapie bei Insomnie (CBT-I). Sie hilft dabei:

  • ungünstige Schlafmuster zu erkennen und zu verändern,
  • Grübeleien zu stoppen,
  • den natürlichen Schlafdruck wieder aufzubauen.

CBT-I wird heute auch digital angeboten – etwa über die App „CBT-I Coach“, entwickelt für Veteranen in den USA. Diese Form der Therapie wirkt langfristig besser als Medikamente und kommt ohne Nebenwirkungen wie Schwindel oder Abhängigkeit aus.

Zusätzlich gibt es einfache Maßnahmen, die sich im Alltag umsetzen lassen: feste Schlaf- und Aufstehzeiten, ausreichend Bewegung bei Tageslicht, kein Koffein am späten Nachmittag, digitale Auszeiten mindestens eine Stunde vor dem Zubettgehen – und ein Schlafzimmer, das kühl, ruhig und dunkel ist. Solche Gewohnheiten stärken die innere Uhr und verbessern die Schlafqualität auf natürliche Weise – ganz ohne Pillen.

Ärzte könnten frühzeitig gegensteuern

Die Wissenschaftler schlagen außerdem vor, Warnsysteme in Arztpraxen zu integrieren. Sie sollen Ärzte bei jeder Verschreibung daran erinnern, ob es nicht auch eine bessere Lösung gibt.

Auch der Vergleich mit anderen Praxen könnte helfen: Wer sieht, wie oft Kollegen verschreiben, passt das eigene Verhalten eher an. Schulungen und bessere Informationen zu CBT-I könnten dafür sorgen, dass Schlafmittel nur noch in begründeten Ausnahmefällen zum Einsatz kommen.

Jason Doctor, Co-Autor der Studie, fasst zusammen: „Die regelmäßige Einnahme von Schlafmedikamenten kann für ältere Menschen echte Risiken bergen. Wenn Ärzte unterstützt werden, seltener zu verschreiben und sichere Alternativen zu fördern, profitieren Patienten und Gesellschaft.“

Kurz zusammengefasst:

  • Schlafmittel im Alter erhöhen das Risiko für Stürze, Gedächtnisprobleme und Abhängigkeit – und können die Lebenserwartung verkürzen.
  • Eine neue Modellrechnung zeigt, dass ältere Menschen durch den Verzicht auf Schlafmedikamente länger und gesünder leben – bei gleichzeitiger Einsparung von Pflege- und Gesundheitskosten.
  • Statt Tabletten empfehlen Fachleute kognitive Verhaltenstherapie, feste Schlafzeiten, Bewegung am Tag und digitale Auszeiten am Abend – nachhaltig, nebenwirkungsfrei und wirksam.

Übrigens: Wie jemand schläft, verrät viel über Psyche und Gehirn. Forscher haben fünf Schlaftypen identifiziert – mit überraschenden Unterschieden. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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