Herzinfarkt nach Grippostad – Forscher warnen vor gefährlichem Wirkstoff in Erkältungsmitteln
Erkältungsmittel mit Pseudoephedrin gelten als harmlos. Doch bei manchen Menschen können sie Schlaganfälle oder Herzinfarkte auslösen.

In Deutschland sind Präparate wie Grippostad oder Aspirin Complex frei erhältlich – sie enthalten Pseudoephedrin, das in seltenen Fällen Herzinfarkte auslösen kann. © DALL-E
Wer erkältet ist, will sich schnell besser fühlen. Viele greifen deshalb zu Kombipräparaten aus der Apotheke. Diese Mittel sollen gleichzeitig Fieber, Gliederschmerzen und eine verstopfte Nase lindern – mit nur einer Tablette oder einem Beutel. Einer der enthaltenen Wirkstoffe heißt Pseudoephedrin. Er sorgt dafür, dass die Schleimhäute in Nase und Nebenhöhlen abschwellen.
Doch bei manchen Menschen kann dieser Stoff schwere gesundheitliche Folgen haben. Immer wieder berichten Ärzte von Fällen, in denen scheinbar gesunde Personen nach der Einnahme solcher Erkältungsmittel einen Herzinfarkt oder Schlaganfall erlitten. Forscher am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) wollen nun herausfinden, wie es dazu kommt – und wer besonders gefährdet ist.
Herzinfarkt durch Erkältungsmittel: UKE untersucht Pseudoephedrin
Das UKE führt derzeit eine Studie durch, die von der Deutschen Herzstiftung gefördert wird. Ziel ist es, zu klären, unter welchen Umständen Pseudoephedrin Herzprobleme auslösen kann. Anlass sind mehrere dokumentierte Fälle, in denen es kurz nach der Einnahme eines Erkältungsmittels zu einem Infarkt kam.
Ein besonders tragischer Fall betrifft einen 42-Jährigen, der nach der einmaligen Einnahme eines Beutels des Erkältungspräparates Aspirin Complex einen schweren Herzinfarkt erlitt. Im Krankenhaus stellten die Ärzte Koronarspasmen fest – Verkrampfungen der Herzkranzgefäße. Er starb wenige Tage später. Ein Zusammenhang mit dem enthaltenen Wirkstoff Pseudoephedrin gilt als wahrscheinlich.
Die Wirkung geht weit über die Nase hinaus
Pseudoephedrin gehört zur Gruppe der Sympathomimetika. Es regt die Ausschüttung von Noradrenalin an, einem Botenstoff im Körper. Dadurch verengen sich die Blutgefäße – die Nase wird frei. Gleichzeitig können Blutdruck und Herzfrequenz steigen. Manche Menschen fühlen sich dadurch wach und leistungsfähig, andere spüren kaum etwas. Doch in seltenen Fällen kann es zu heftigen Reaktionen kommen.
„Pseudoephedrin ist ein indirektes Sympathomimetikum, das – ähnlich wie Amphetamine – zur Freisetzung des Neurotransmitters Noradrenalin führt“, erklärt Prof. Dr. Thomas Eschenhagen, der die Studie am UKE leitet.

Gibt es eine genetische Empfindlichkeit?
Die Forscher vermuten, dass nicht der Wirkstoff selbst für alle gefährlich ist. Vielmehr könnte es sein, dass manche Menschen aufgrund ihrer Gene besonders empfindlich reagieren. Schon eine einzige Dosis kann bei ihnen zu schweren Gefäßverkrampfungen führen.
„Diese schweren Nebenwirkungen müssen sehr selten sein“, sagt Eschenhagen. „Eine naheliegende Erklärung ist, dass eine besondere – seltene – Gen-Konstellation existiert, die einzelne Menschen dafür besonders empfänglich macht.“ Die Studie soll klären, ob sich solche Muster nachweisen lassen. Ziel ist es, mindestens 20 vergleichbare Fälle zu analysieren.
Vorerkrankungen spielen eine große Rolle
Besonders vorsichtig sollten Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen sein. Dazu zählen:
- Unkontrollierter Bluthochdruck
- Diabetes
- Parkinson
- Autoimmunerkrankungen
- Akute oder chronische Nierenschäden
- Herzrhythmusstörungen oder bekannte koronare Herzkrankheit
Trotz dieser Risiken fragen viele Kliniken bei einem Infarkt nicht ab, ob der Patient zuvor ein Erkältungsmittel mit Pseudoephedrin genommen hat. Am UKE wurde das geändert. Dort kommt jetzt ein Fragebogen zum Einsatz, der genau diese Information erfassen soll.
Frankreich reagiert bereits
In Deutschland bleibt Pseudoephedrin frei verkäuflich. Präparate wie Aspirin Complex, Grippostad C Complex oder Wick Duogrippal enthalten den Wirkstoff und werden besonders in der Erkältungssaison häufig gekauft. Offizielle Verkaufszahlen gibt es nicht – doch die Beliebtheit ist hoch.
In Frankreich hat man Konsequenzen gezogen: Seit Ende 2024 ist Pseudoephedrin dort rezeptpflichtig. Die europäische Arzneimittelagentur EMA hatte zuvor auf seltene, aber schwere Nebenwirkungen hingewiesen – etwa starke Kopfschmerzen („Donnerkopfschmerz“) und Durchblutungsstörungen im Gehirn.
Es gibt sichere Alternativen
Wer auf Nummer sicher gehen will, kann auf bewährte Einzelmittel zurückgreifen. Prof. Eschenhagen empfiehlt:
„Auch ASS, Ibuprofen oder Paracetamol allein können bei grippalen Infekten das Fieber senken und Gliederschmerzen lindern.“ Für eine freie Nase reichen Nasensprays mit Xylometazolin oder Oxymetazolin – sie wirken lokal und belasten den Kreislauf nicht.
Problematisch ist für den Mediziner zudem die aufputschende Wirkung von Pseudoephedrin in den Kombi-Präparaten:
Es ist die Frage, ob es der Genesung förderlich ist, wenn man dank der Mittel seine Alltagsaktivitäten unvermindert fortsetzt und dann vielleicht sogar eine Herzmuskelentzündung riskiert.
Diese Punkte sollte man beachten
Wer Erkältungsmittel kaufen will, sollte sich die Packung genau anschauen. Besonders bei Kombi-Produkten lohnt sich ein Blick auf die Wirkstoffe. Hier eine kurze Übersicht, worauf es ankommt:
- Bei bestehenden Erkrankungen auf Pseudoephedrin besser verzichten
- Bei leichten Erkältungssymptomen Einzelmittel bevorzugen
- Keine Präparate einnehmen, nur um im Alltag „funktionieren“ zu können
- Bei Unsicherheiten in der Apotheke oder beim Arzt nachfragen
Gentest als mögliche Lösung – aber nicht sofort
Langfristig könnte ein Gentest helfen, empfindliche Personen zu identifizieren. Erste Hinweise auf eine genetische Ursache für Gefäßverkrampfungen gibt es bereits. Doch bis solche Tests im Alltag eingesetzt werden, wird es noch dauern.
Kurz zusammengefasst:
- Erkältungsmittel mit Pseudoephedrin können in seltenen Fällen schwere Nebenwirkungen wie einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall auslösen.
- Besonders gefährdet sind Personen mit bestimmten Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes oder Nierenschäden.
- Wer Erkältungssymptome behandeln will, sollte auf Einzelmittel wie Ibuprofen oder Nasenspray zurückgreifen und Kombipräparate mit Pseudoephedrin nur nach Rücksprache mit Arzt oder Apotheker verwenden.
Übrigens: Ein Herzinfarkt trifft nicht nur Männer im höheren Alter – auch junge Frauen ohne Vorerkrankungen sind betroffen. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © DALL-E