Schon ein Glas Saft reicht – Fruchtzucker bringt das Immunsystem aus dem Takt

Bereits kleine Mengen Fruchtzucker können Entzündungen fördern. Eine Studie der Uni Wien zeigt, wie süße Getränke das Immunsystem reizen.

Ein Glas Orangensaft in der Hand

Bereits ein Glas Saft kann das Immunsystem aus dem Gleichgewicht bringen. Fruchtzucker erhöht entzündungsfördernde Rezeptoren in Immunzellen und steigert das Risiko für Infektionen. © Pexels

Ein Glas Orangensaft zum Frühstück, ein Smoothie am Nachmittag – klingt gesund, ist es aber nur auf den ersten Blick. In vielen dieser Getränke steckt mehr Zucker, als man vermutet. Fruchtzucker, auch Fruktose genannt, galt lange als natürliche und damit harmlose Süße. Doch diese Annahme gerät ins Wanken.

Ein Forschungsteam der Universität Wien hat nachgewiesen, dass Fruchtzucker das Immunsystem schon nach kurzer Zeit beeinflusst: Bereits kleine Mengen können Entzündungen im Körper fördern. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Redox Biology veröffentlicht.

Fruchtzucker verändert die Immunzellen und verstärkt Entzündungen

Die Wissenschaftler testeten 36 gesunde Erwachsene im Alter zwischen 20 und 40 Jahren in zwei Versuchsreihen. Alle Teilnehmer waren normalgewichtig, Nichtraucher und wiesen einen Body-Mass-Index zwischen 18,5 und 24,9 kg/m² auf. In der Studie wurden zwei realistische Zuckermengen getestet:

  • In einer Versuchsreihe nahmen die Teilnehmer drei Tage lang eine Ernährung zu sich, bei der 25 Prozent der gesamten Kalorien aus Fruktose stammten. Das entspricht etwa 120 bis 150 Gramm Fruchtzucker pro Tag, abhängig vom Energiebedarf.
  • In der zweiten Versuchsreihe tranken sie innerhalb einer Stunde ein Getränk mit 110 Gramm Fruktose – ungefähr so viel, wie in einem Liter Softdrink enthalten ist.

Beide Mengen liegen damit im Bereich dessen, was viele Menschen täglich über gesüßte Getränke, Joghurts oder Fertigprodukte aufnehmen. Schon zwei Stunden danach zeigten Blutproben deutlich erhöhte Fruktosewerte.

Im Mittelpunkt standen sogenannte Monozyten – Immunzellen, die Krankheitserreger erkennen und beseitigen. Nach dem Zuckerkonsum reagierten diese Zellen empfindlicher auf bakterielle Reize. Innerhalb weniger Stunden stieg die Ausschüttung entzündungsfördernder Stoffe wie Interleukin-6, Interleukin-1β und Tumornekrosefaktor-α um das Zwei- bis Fünffache.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass selbst kurzfristiger Fruktosekonsum die Immunantwort verstärken und Entzündungen fördern kann“, erklärt Studienleiterin Ina Bergheim.

Fruchtzucker treibt Abwehrzellen zu erhöhter Aktivität

Die Forscher entdeckten, dass Fruchtzucker bestimmte Schalter in den Immunzellen aktiviert. Einer davon heißt TLR2 – er erkennt normalerweise Krankheitserreger und löst Abwehrreaktionen aus. Wird dieser Schalter jedoch zu stark betätigt, reagiert das Immunsystem über. So kann eine Entzündung entstehen, obwohl gar keine Infektion vorliegt.

Außerdem beeinflusst Fruchtzucker den Energiehaushalt der Zellen. Kurz nach dem Konsum sank deren Energiereserve spürbar ab. Dadurch wurde ein weiteres Steuerprotein namens SP1 aktiv, das die Bildung des Entzündungsrezeptors zusätzlich antreibt. Als die Wissenschaftler SP1 oder das Enzym Ketohexokinase, das Fruktose abbaut, blockierten, beruhigte sich die Reaktion wieder. Das zeigt: Der Zucker selbst setzt eine Kettenreaktion in Gang, die das Immunsystem in Alarmbereitschaft versetzt.

Fruchtzucker bringt das Gleichgewicht im Darm durcheinander

Eine weitere Untersuchung zeigte, dass auch der Darm eine zentrale Rolle spielt. In einem Modell mit menschlichen Darmzellen und Immunzellen führte Fruktose innerhalb von 14 Stunden zu einer erhöhten Bildung von GLUT5-Transportern, die den Zucker aufnehmen.

Gleichzeitig reagierten die Immunzellen unterhalb der Darmwand stärker auf bakterielle Reize. Schon kleine Mengen Fruktose, wie sie in Süßwaren oder Getränken vorkommen, können die Kommunikation zwischen Darm und Immunsystem verändern.

Normale Zuckermengen reichen, um Entzündungen zu verstärken

Die Studie zeigt, dass Fruchtzucker in konzentrierter Form – etwa in Softdrinks, Fruchtsäften oder Müsliriegeln – das Immunsystem in Alarmbereitschaft versetzt. Glukose, also Traubenzucker, hatte diesen Effekt nicht. Menschen mit Stoffwechselproblemen wie Diabetes oder Fettleber könnten besonders empfindlich reagieren.

„Die verwendeten Zuckermengen sind realistisch. Jugendliche und junge Erwachsene erreichen sie leicht, wenn sie regelmäßig Limonaden oder Süßigkeiten konsumieren“, sagt Bergheim. Zum Vergleich:

  • Ein Glas Fruchtsaft (250 ml) enthält etwa 25 Gramm Zucker, davon rund 12 Gramm Fruktose.
  • Eine große Flasche Softdrink (1 Liter) liefert bis zu 45 Gramm Fruktose.
  • Schon diese Mengen führten im Versuch zu messbaren Veränderungen der Immunzellen.

So lässt sich Fruchtzucker im Alltag leicht reduzieren

Wer weniger Zucker aufnehmen will, muss nicht auf Obst verzichten. In ganzen Früchten ist Fruktose an Ballaststoffe und Vitamine gebunden, was die Aufnahme verlangsamt. Problematisch sind industriell gesüßte Produkte.

Diese Tipps helfen, Fruchtzucker zu reduzieren:

  • Getränke wie Limonaden, Smoothies oder Eistee nur selten konsumieren.
  • Beim Einkauf auf Begriffe wie „Fruktose“, „Maissirup“ oder „Fruchtsüße“ achten.
  • Obst besser essen als trinken.

Kurz zusammengefasst:

  • Schon kleine Mengen Fruchtzucker können Entzündungen im Körper anheizen, weil sie Immunzellen empfindlicher auf bakterielle Reize machen.
  • Forscher der Universität Wien zeigen, dass Fruktose über den Rezeptor TLR2 und den Faktor SP1 Entzündungsprozesse verstärkt.
  • Alltagstypische Mengen aus Säften oder Softdrinks reichen aus, um stille Entzündungen zu fördern – besonders bei Menschen mit Stoffwechselstörungen.

Übrigens: Auch Wassermangel kann den Stoffwechsel beeinflussen – ähnlich wie Fruchtzucker. Eine internationale Studie zeigt, dass der Körper bei Flüssigkeitsmangel beginnt, Fett zu speichern, um daraus Wasser zu gewinnen – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert