Die unsichtbare Krise: Deutsche Eltern kämpfen mit Burn-out

Eltern-Burn-out, besonders in Deutschland verbreitet, entsteht durch Stress und fehlende Unterstützung, was zu Erschöpfung, emotionaler Distanz und Selbstzweifeln führt.

Betroffene Eltern entwickeln eine emotionale Distanz zu ihren Kindern. © Pexels

Immer mehr Eltern weltweit leiden an Burn-out, vor allem in westlichen Industrieländern. Besonders deutsche Eltern scheinen stark betroffen. Ulrike Légé, eine deutsche Mutter, erlebte das hautnah. Sie stand eines Tages auf einer Treppe und dachte: „Die nächste Stufe schaffe ich nicht mehr.“

Légé managte jahrelang ihre fünfköpfige Familie und arbeitete gleichzeitig als Marketingbeauftragte eines Pharmaunternehmens. Diese Doppelbelastung führte schließlich zu einem Zusammenbruch. Sie betreute ihre drei Kinder meist allein, während ihr Mann oft über 60 Stunden pro Woche arbeitete. Zusätzlich arbeitete sie freiberuflich als Journalistin und engagierte sich ehrenamtlich.

Ich wurde häufig krank, schlief schlecht, litt unter Verspannungen, Magenkrämpfen, entzündlicher Haut.

Ulrike Légé

Eltern-Burn-out greift um sich

Nach dem Zusammenbruch suchte sie Hilfe in der psychiatrischen Akutambulanz der Uniklinik Basel. Dort diagnostizierten die Ärzte ein Eltern-Burn-out. Dieser Zustand verläuft in vier Phasen: Zuerst fühlen sich Eltern extrem erschöpft, dann distanzieren sie sich emotional und physisch von ihren Kindern. In der dritten Phase verlieren sie die Freude am Elternsein, und schließlich schämen sie sich ständig für ihr vermeintliches Versagen.

Eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) im März 2024 zeigte, dass fast 70 Prozent der Eltern in Deutschland sich „mitunter erschöpft oder ausgebrannt“ fühlen, 62 Prozent berichten von „häufigem oder sehr häufigem Stress“. Im Vergleich zu anderen Ländern ist es in Deutschland noch moderat, doch Experten befürchten einen Anstieg. Besonders besorgniserregend sind die erhöhten Werte des Stresshormons Cortisol bei betroffenen Eltern. Eine Studie der Université catholique de Louvain in Belgien ergab, dass Eltern mit Burn-out um 213 Prozent höhere Cortisolwerte aufweisen.

Mütter und Väter reagieren unterschiedlich

Marisa Matias, Professorin an der Universität Porto, sieht Väter als besonders gefährdet an. Dies erklärt sie mit Sozialisationsprozessen und der Tatsache, dass Mütter besser mit dem hohen Stress umgehen. Forscher vermuten, dass Mütter sich eher Unterstützung suchen und den Alltag mit Entspannungsmomenten bereichern. Im Gegensatz zu einem beruflichen Burn-out können Eltern ihre Rolle jedoch nicht einfach aufgeben.

Isabelle Roskam, Professorin für Psychologie, erklärt laut ZEIT Online: „Eltern-Burn-out entsteht durch zu viel Stress und zu wenige Ressourcen, um diesem Stress zu begegnen.“ Betroffene Eltern verlieren ihre Intuition für sich selbst und ihre Kinder und haben Schwierigkeiten, Aufgaben abzugeben.

Prävention und Lösungen für gestresste Eltern

Roskam und Mikolajczak aus Louvain entwickelten einen diagnostischen Fragebogen für Eltern-Burn-out. Betroffene Eltern sagen oft:

Ich liebe meine Kinder, aber ich bin einfach nicht mehr gerne Mutter oder Vater.

Forscher beobachteten, dass Eltern sich schnell erholen, wenn sie zeitweise Abstand gewinnen, etwa durch Urlaub oder Dienstreisen. Dies deutet darauf hin, dass Eltern-Burn-out ein eigenständiges Krankheitsbild ist.

Übrigens: Hast du das Gefühl, an Eltern-Born-out zu leiden? Hier findest du den diagnostischen Fragebogen.

Überhöhte Elternideale, Perfektionismus und individualistische Gesellschaften fördern das Phänomen. Untersuchungen zeigen, dass Eltern in Ländern wie Schweden oder Dänemark besser mit Stress umgehen können, da familienpolitische Strukturen entlasten. Hanna Christiansen von der Universität Marburg kritisiert das deutsche System, das individuelle Probleme verschärft, statt Eltern zu unterstützen. Charlotte Rosenbach, Professorin in Erfurt, rät Eltern, regelmäßig Auszeiten zu nehmen und übertriebene Ideale zu hinterfragen.

Ein neues Leben nach dem Burn-out

Ulrike Légé hat nach ihrer Diagnose ihren Managementjob aufgegeben und arbeitet jetzt als freie Autorin. Sie gründete eine Initiative für nachbarschaftliches Miteinander, in der sich Eltern austauschen und unterstützen. „Auch mein Mann, meine Töchter und mein Sohn können den Staubsauger bedienen“, sagt sie. Sie hat gelernt, Aufgaben abzugeben und gelassener mit dem Druck umzugehen.

Übrigens: Das Buch von Ulrike Légé findest du hier!

Was du dir merken solltest:

  • Eltern-Burn-out ist ein zunehmend verbreitetes Phänomen, das vor allem in westlichen Ländern wie Deutschland zu beobachten ist und durch eine Kombination aus Stress und mangelnden Ressourcen entsteht.
  • Betroffene Eltern erleben Phasen von Erschöpfung, emotionaler Distanz zu ihren Kindern und Verlust der Freude am Elternsein, was in schweren Fällen zu einem Gefühl des Versagens führen kann.
  • Präventive Maßnahmen wie das Hinterfragen von Perfektionismus und regelmäßige Auszeiten können helfen, das Risiko für Eltern-Burn-out zu reduzieren und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Wenn du glaubst, unter einem Burnout zu leiden oder dein Leben nicht mehr bewältigen zu können, such dir Hilfe bei einem Psychiater oder Psychotherapeuten. Kurzfristig kannst du dich auch an deinen Hausarzt oder an die Notfallseelsorge wenden:

Telefonische Notfallseelsorge:
Beratung kostenfrei unter 0800 / 111 0 111 oder 111 0 222 www.telefonseelsorge.de

Bild: © Pexels

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