Globale Kindergesundheit in Gefahr – Wie Wirtschaftskrisen Mangelernährung verschärfen
Wirtschaftskrisen erhöhen weltweit das Risiko für Mangelernährung bei Kindern – mit Folgen wie Wachstumsverzögerung, Untergewicht und Übergewicht.

Die Messung des Oberarmumfangs hilft, Mangelernährung bei Kleinkindern frühzeitig zu erfassen. © Pexels
Wenn das Familieneinkommen sinkt, bleibt das oft nicht ohne Folgen – besonders für die Jüngsten. In vielen Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen zeigt sich, wie schnell wirtschaftliche Einbrüche den Alltag verändern können. Was dann fehlt, ist nicht nur Geld, sondern auch Zugang zu ausgewogener Ernährung. Eine internationale Untersuchung hat ergeben, dass Mangelernährung bei Kindern dabei in ganz verschiedenen Formen auftritt – nicht nur als Untergewicht, sondern zunehmend auch als Übergewicht.
Frühkindliche Entwicklung leidet schnell
Das Barcelona Institute for Global Health (ISGlobal) hat die Datenlage in 68 Ländern mit niedrigem oder mittlerem Einkommen ausgewertet. Sobald die Wirtschaft schwankt, steigt das Risiko für Mangelernährung. Die ersten Lebensjahre sind besonders sensibel. Körper und Gehirn entwickeln sich in dieser Phase rasant. Wenn das Geld knapp wird, greifen viele Familien auf günstige, aber nährstoffarme Lebensmittel zurück. Obst, Gemüse oder Milchprodukte sind oft zu teuer. Die Folge: Kinder bekommen zu wenig Vitamine, aber zu viele leere Kalorien – sie bleiben unterversorgt, nehmen aber trotzdem zu.
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Einkommensverluste das Risiko für verschiedene Formen der Mangelernährung bei Kindern deutlich erhöhen“, sagt Studienautor Davide Rasella.
Besonders arme Familien betroffen
Laut der Studie steigt das Risiko für Wachstumsverzögerungen deutlich, wenn das Einkommen bereits im Geburtsjahr des Kindes sinkt. Noch gravierender ist der Effekt, wenn die wirtschaftliche Krise schon während der Schwangerschaft einsetzt. Dann kommt es häufig zu einer Kombination aus Untergewicht und Kleinwuchs – oder zu einem frühen Beginn von Übergewicht.
Vor allem arme Familien sind gefährdet. Dort ist die Wahrscheinlichkeit für Entwicklungsstörungen doppelt so hoch wie in wohlhabenderen Haushalten. Doch auch Kinder aus besser gestellten Familien in ärmeren Ländern sind nicht automatisch geschützt. Auch sie bekommen häufiger kalorienreiche, aber nährstoffarme Nahrung – und entwickeln vermehrt Übergewicht.
Mangelernährung bei Kindern: Doppelte Last für den Körper
Die Forscher sprechen von einer doppelten Belastung durch Unter- und Überernährung. Die Studie fasst die aktuellen Zahlen in folgenden Gruppen zusammen:
- 150 Millionen Kinder sind zu klein für ihr Alter
- 50 Millionen Kinder sind zu dünn – also akut unterernährt
- 40 Millionen Kinder sind bereits übergewichtig
- 3,6 Prozent aller Kinder unter fünf Jahren sind gleichzeitig zu dünn und zu klein
- 1,9 Prozent sind gleichzeitig zu klein und übergewichtig
Diese Kombinationen gelten als besonders gesundheitsschädlich, weil sie Körper und Stoffwechsel dauerhaft belasten können.
Gezielte Unterstützung in den ersten Lebensjahren nötig
Schwangere sind besonders gefährdet. Ihre Ernährung beeinflusst direkt die Entwicklung des ungeborenen Kindes. Mangelversorgung in der Schwangerschaft erhöht das Risiko für Fehlbildungen, Frühgeburten oder zu geringes Geburtsgewicht. Später zeigen diese Kinder häufiger Entwicklungs- und Gesundheitsprobleme.
Rasella fordert daher Programme, die Schwangere und Kleinkinder in Krisenzeiten gezielt unterstützen. Dazu gehören etwa Nahrungsmittelhilfen, kostenlose Gesundheitsvorsorge und Aufklärung über ausgewogene Ernährung – auch für Familien mit wenig Geld.
Wir müssen besser verstehen, wie Wirtschaftsschocks die Ernährung von Kindern beeinflussen, um gezielter gegensteuern zu können.
Davide Rasella
Denn ist ein Kind erst einmal unter- oder übergewichtig, lässt sich das später oft nur schwer oder gar nicht mehr korrigieren. Die frühe Kindheit bietet das größte Zeitfenster, um ernährungsbedingte Risiken zu minimieren. Gerade in wirtschaftlich instabilen Zeiten sind gezielte Hilfsmaßnahmen deshalb besonders wichtig.
Kurz zusammengefasst:
- Wirtschaftliche Einbrüche erhöhen das Risiko für Mangelernährung bei Kindern deutlich, besonders in der Schwangerschaft und den ersten beiden Lebensjahren.
- Arme Familien sind doppelt betroffen: Ihre Kinder leiden häufiger an Wachstumsverzögerungen, während Kinder aus besser gestellten Haushalten häufiger übergewichtig werden.
- Mangelernährung kann beides bedeuten – zu wenig und zu schlechte Ernährung – und betrifft weltweit über 200 Millionen Kinder mit teils schweren Folgen für ihre Gesundheit und Entwicklung.
Übrigens: Kinder, die täglich nur fünf Minuten Junkfood-Werbung sehen, essen im Schnitt 130 Kalorien mehr – ganz unabhängig vom Medium oder Inhalt. Welche Formen von Werbung besonders problematisch sind und warum das schon nach kurzer Zeit zu Übergewicht führen kann – mehr dazu in unserem Artikel.
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