Warum Grübeln uns schadet – und wie wir es stoppen können
Grübeln belastet langfristig Psyche und Körper. Mentale Strategien helfen, negative Denkmuster zu durchbrechen und das Gedankenkarussell zu beenden.

Wenn die Gedanken kreisen: Grübeln zeigt sich oft in stillen Momenten des Rückzugs. © Pexels
Nach Feierabend rattern die Gedanken noch weiter und es fällt schwer abzuschalten. Ob beruflicher Stress oder private Konflikte – unser Geist kreist oft unaufhörlich um dieselben Themen. Schon kurzfristig empfinden viele Menschen dies als belastend. Wird Grübeln jedoch zur Gewohnheit, kann es langfristig zu Frust und Unzufriedenheit führen – im Beruf, in Beziehungen oder mit sich selbst. Die entstehende Negativspirale droht einen förmlich einzusaugen. Doch unsere Gedanken sind nicht nur das Problem, sondern können auch eine Lösung darstellen.
Gedanken formen unser Wohlbefinden
Denkt man zurück an einen schönen Moment aus dem letzten Urlaub, kann man direkt die Entspannung und das gute Gefühl des Urlaubs wieder spüren. Gleiches gilt, wenn man an den letzten Streit mit dem Partner oder eine stressige Situation zurückdenkt.
Unsere Gedanken wirken direkt auf unsere Gefühle – und diese beeinflussen unseren Körper. So entsteht eine Kette, die unser gesamtes Wohlbefinden mitprägt. Das zeigt, wie stark unser Denken unser Erleben prägt – und wie entscheidend es für unser tägliches Lebensgefühl ist.
Nicht der Gedanke an sich, sondern die Bewertung ist das Problem
Gedanken an sich sind oft neutral – erst unsere Bewertung verleiht ihnen emotionale Schwere oder Bedeutung. Unser Gehirn bewertet ständig – automatisch und blitzschnell. Es sortiert Erlebnisse nach Bekanntem und Erlerntem, um die große Menge an Informationen verarbeiten zu können und Energie zu sparen.
Lief eine Präsentation in der Vergangenheit schlecht, wird das Gehirn dafür sorgen, dass Präsentationen zukünftig ebenfalls derart bewertet werden. Oder hatten wir einmal eine Auseinandersetzung mit einem Kollegen, sehen wir eventuell jede noch so neutrale Aussage als Angriff. Unser Gehirn sucht ständig nach Gefahr und nach gleichen Erfahrungen oder Begebenheiten wie in der Vergangenheit.
Unser Denken ist auf Negatives fokussiert
Dieser Fokus auf mögliche Gefahren ist ein evolutionäres Schutzsystem – hilfreich in der Steinzeit, heute oft überaktiv. Um schnellstmöglich Gefahren zu erkennen, wird dauerhaft auf Warnsignale in der Umgebung gescannt – wir haben vom System her einen auf Negatives gefärbten Blick. Die kleinste Information, die darauf hindeutet, dass eine bekannte Gefahr wieder auftaucht, wird bemerkt und mit einem unangenehmen Gefühl versehen, damit wir entsprechend handeln und weiterhin in Sicherheit sind.
Um auf derartige Gefahrensituationen bestmöglich vorbereitet zu sein, holt unser Gehirn vermeintlich gefährliche Situationen immer und immer wieder raus und spielt sie durch, um vorbereitet zu sein oder eine Erklärung für eine Situation in der Vergangenheit zu finden. Das Ergebnis ist ständige Grübelei, auch nach Feierabend, wenn wir eigentlich Ruhe möchten.
Unsere Gedanken sind also stark repetitiv. Eine Situation wirkt somit allein durch unsere sich wiederholenden Gedanken immer und immer wieder auf uns ein.
Wir sehen unser Leben wie durch eine gefärbte Brille
Betrachtet man dies, wird deutlich, wie unsere Gedanken und deren ständige Wiederholung Frust entstehen lassen und unser Wohlbefinden sowie unsere Zufriedenheit maßgeblich beeinflussen.
Wenn wir die Welt durch diese gedankliche Brille sehen, nehmen wir sie verzerrt wahr. Sie wirkt oft dunkler oder bedrohlicher als sie ist. Doch genau hier liegt auch unser Hebel: Wenn Gedanken unser Erleben so stark beeinflussen, dann können wir sie auch bewusst als Werkzeug für uns einsetzen.
Gedanken für sich nutzen
Ein Schritt, den man hier aktiv unternehmen kann, ist, dass man täglich betrachtet, was richtig gut lief, was man gelernt hat und vor allem für was man dankbar ist. Das Führen eines Dankbarkeitstagebuchs führt bereits nach 10 Wochen laut einer Studie dazu, dass die Lebenszufriedenheit um bis zu 25 Prozent steigt.
Wichtig ist: Positiv zu denken heißt nicht, Probleme zu verdrängen oder alles schönzureden. Es bedeutet, das Verhältnis zwischen belastenden und stärkenden Gedanken aktiv zu gestalten, die gefärbte Brille öfter abzulegen und Frust nicht entstehen zu lassen. Zudem bedeutet es, dass man klarer sieht, was man verändern kann und was nicht, und den Fokus auf die veränderbaren Dinge legt.
Vier Strategien zum Durchbrechen des Gedankenkarussells:
- Gedanken für sich nutzen: z.B. Dankbarkeitsroutine
- Gedanken bewusst beobachten: Sich regelmäßig fragen „Dient mir dieser Gedanke oder zieht er mich runter?“
- Gedanken ziehen lassen: Stellt man einen belastenden Gedanken fest, diesen kurz betrachten (siehe 2.) und bewusst wieder ziehen lassen, ohne tiefer einzusteigen
- Abstand schaffen: Ist man bereits stark gestresst oder gerade emotional betroffen von einer Situation, zunächst Abstand schaffen – räumlich wie körperlich (z.B. zehn tiefe Atemzüge) und Situation aus neuer Perspektive betrachten
Gedanken sind nicht unser Feind. Sie können ein Werkzeug sein. Wie wir sie einsetzen, liegt bei uns.
Mentale Gesundheit ist die Basis für Erfolg – für Einzelne, Teams und ganze Unternehmen. Als ehemalige Führungskraft in der Digitalwirtschaft kennt Sandra Mederer, Gründerin von MindFarm, die Herausforderungen moderner Arbeit aus erster Hand. Nach einem Burn-out fand sie Wege, wieder gesund und produktiv zu arbeiten – und gibt dieses Wissen heute weiter. Als ICF-zertifizierter Coach (ACC) und Expertin für mentale Gesundheit, Resilienz, Achtsamkeit und produktives Arbeiten unterstützt sie Unternehmen mit praxisnahen Workshops und (Team-)Coachings.
Kurz zusammengefasst:
- Grübeln entsteht durch automatisierte, negativ bewertete Gedanken und kann auf Dauer das Wohlbefinden stark beeinträchtigen.
- Nicht der Gedanke selbst, sondern unsere Bewertung macht ihn belastend – bewusstes Umlenken kann den Kreislauf durchbrechen.
- Gezielte Strategien wie Dankbarkeitstagebuch schreiben, Gedankenbeobachtung und Abstand helfen dabei, das Gedankenkarussell zu stoppen und die Lebensqualität zu steigern.
Übrigens: Besonders junge Frauen verfallen häufig ins Grübeln – mit ernsten Folgen für Psyche und Schlaf. Warum das Gedankenkarussell gerade in jungen Jahren so belastend ist und welche einfachen Techniken sofort helfen können – mehr dazu in unserem Artikel.
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