Gaming gegen Vorurteile: Wie ein Videospiel das Verständnis für Depression stärkt

Ein Videospiel vermittelt Wissen über psychische Erkrankungen und verringert Stigmatisierung – selbst passives Zuschauen zeigte Wirkung.

Video-Game klärt über psychische Erkrankungen auf

Die Studie mit 117 Teilnehmern zeigte: Gaming-Videos können depressive Symptome verständlich machen und Lernprozesse emotional unterstützen. © Pexels

Wer selbst nie eine Depression erlebt hat, kann oft schwer nachvollziehen, wie tief sie das Leben verändert. Umso wichtiger sind Wege, die eine Verbindung schaffen – jenseits von Zahlen, Diagnosen oder Broschüren. Eine Studie der Universität zu Köln zeigt nun, wie ein Videospiel über psychische Erkrankungen aufklären kann: Es kann Wissen vermitteln, berühren und sogar Vorurteile abbauen.

Im Zentrum steht das vielfach ausgezeichnete Spiel Duru – About Mole Rats and Depression. Es erzählt die Geschichte eines kleinen Nacktmulls, der im Alltag immer wieder an seinen eigenen dunklen Gedanken scheitert. 117 Teilnehmer sahen sich Spielszenen an und beschrieben anschließend, wie das Gesehene auf sie wirkte. Viele waren überrascht, wie tief ein Spiel sie emotional erreichen konnte.

Wie Spiele wirken: Mehr Mitgefühl, weniger Abstand

Traurigkeit, Betroffenheit, Nachdenklichkeit – das waren häufig genannte Reaktionen. Einige gaben an, dass sie durch das Spiel erstmals wirklich verstanden hätten, wie lähmend eine Depression sein kann. Es fehle nicht an Motivation, sondern oft an der Kraft für kleinste Alltagsschritte.

Die Szenen, in denen die Spielfigur nicht einmal mehr in der Lage war, einfache Aufgaben zu erledigen, hinterließen bei vielen einen bleibenden Eindruck. Nicht, weil es dramatisch inszeniert war, sondern, weil es leise und ehrlich wirkte. „Ich habe mitgefühlt, obwohl es nur ein Spiel war“, schrieb eine Teilnehmerin.

Spiele, die verändern: Lernen über Emotionen statt Fakten

Das Forschungsteam erfasste nicht nur die Gefühle, sondern auch die Lerneffekte. Viele erkannten typische Symptome der Erkrankung wieder, verstanden die Rolle des sozialen Umfelds und zeigten großes Interesse, mehr zu erfahren. Die Motivation zu lernen war hoch, gerade bei jenen, die sich vorher wenig mit dem Thema beschäftigt hatten. Die Zahlen sprechen für sich: Das Spiel wirkte nicht nur emotional, sondern förderte auch das Wissen über Depression – ein seltener doppelter Effekt.

Das Spiel „Duru – About Mole Rats and Depression“ wurde 2023 als „Best Game Beyond Entertainment“ ausgezeichnet und gezielt zur Aufklärung über Depression entwickelt. © Steam
Das Spiel „Duru – About Mole Rats and Depression“ wurde 2023 als „Best Game Beyond Entertainment“ ausgezeichnet und gezielt zur Aufklärung über Depression entwickelt. © Steam

Stigmatisierung hängt vom Wissen und vom Geschlecht ab

Doch nicht alle Teilnehmer reagierten gleich. Besonders auffällig: Männer zeigten im Schnitt häufiger Vorurteile gegenüber Menschen mit Depression. Gleichzeitig verfügten sie über weniger Wissen und weniger Lernbereitschaft zum Thema.

„Männer zeigten ein stärker ausgeprägtes persönliches Stigma als Frauen. Wer weniger über Depression wusste und geringere Lernbereitschaft zeigte, neigte eher zu stigmatisierenden Einstellungen.“, so das Team. Diese Erkenntnis macht deutlich: Aufklärung ist nicht nur eine Frage der Information, sondern auch der Haltung.

Effekte sogar durch bloßes Zusehen

Anders als bei vielen Lernangeboten mussten die Probanden nicht selbst spielen. Allein das Zuschauen genügte, um einen Lerneffekt auszulösen. Drei Videosequenzen reichten, um Denkprozesse in Gang zu bringen. 92,3 Prozent der Teilnehmer nutzten den Vollbildmodus, knapp 30 Prozent sahen mit Kopfhörern, das Erlebnis war nah, auch ohne Controller.

Gerade für Menschen, die keinen Zugang zu Fachliteratur haben oder denen psychische Gesundheit fremd erscheint, bietet das Spiel einen niederschwelligen Einstieg. Man muss nicht googeln oder in eine Beratungsstelle gehen – man kann einfach zuschauen. Und plötzlich ergibt sich ein anderer Blick auf das Thema.

Ein Spiel für alle, die mehr verstehen wollen

Die Studie macht deutlich: Gaming ist mehr als Zeitvertreib. Wenn ein Videospiel wie Duru gezielt eingesetzt wird, kann es das Verständnis für psychische Erkrankungen verbessern – vor allem bei Menschen, die selbst nicht betroffen sind, aber Betroffene begleiten: Freunde, Partner, Eltern oder Kollegen.

Für viele, die sich im Alltag mit Unverständnis konfrontiert sehen, ist das ein Hoffnungsschimmer. Denn wenn ein Spiel hilft, weniger zu urteilen und mehr zu verstehen, entsteht ein Raum, in dem Gespräche möglich werden. Und genau dort beginnt oft der erste Schritt zu echter Unterstützung.

Kurz zusammengefasst:

  • Digitale Spiele wie Duru können helfen, Depression besser zu verstehen und Empathie für Betroffene zu fördern, auch ohne selbst zu spielen.
  • Eine Studie der Universität zu Köln zeigt, dass emotionale Reaktionen und Lerneffekte besonders bei Menschen mit wenig Vorwissen auftreten.
  • Persönliche Stigmata waren bei Männern stärker ausgeprägt und standen in Zusammenhang mit geringerer Lernmotivation und weniger Wissen über Depression.

Übrigens: Eine Langzeitstudie aus Stockholm zeigt: Wer abends zu lange vor dem Bildschirm sitzt, riskiert Schlafprobleme und depressive Symptome – vor allem Mädchen sind betroffen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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