Schon 30 Minuten reichen: Social Media raubt Kindern die Konzentration

Kinder verlieren durch Social Media messbar an Konzentration – laut Karolinska-Studie genügen 30 Minuten Nutzung am Tag, um die Aufmerksamkeit zu mindern.

Drei Jungen schauen auf ein Smartphone

Viele Kinder nutzen Social Media bereits vor dem erlaubten Alter – laut Studie steigt ihre tägliche Online-Zeit bis zum 13. Lebensjahr auf rund zweieinhalb Stunden. © Pexels

Kinder wachsen heute mit Smartphones und Social Media auf – Hausaufgaben, Chats, Videos: alles auf einem Bildschirm. Eine Studie des schwedischen Karolinska Institutet zeigt nun, dass diese ständige Ablenkung Folgen hat: Schon 30 Minuten Social Media pro Tag können die Konzentrationsfähigkeit messbar beeinträchtigen. Kinder, die viel Zeit auf Plattformen wie TikTok, Instagram oder Snapchat verbringen, entwickeln im Laufe der Jahre häufiger Aufmerksamkeitsprobleme.

Die Experten verfolgten 8.324 Kinder im Alter von 9 bis 14 Jahren über einen Zeitraum von vier Jahren. Ziel war es, den Einfluss von Social Media, Fernsehen und Videospielen auf die Entwicklung der Aufmerksamkeit zu untersuchen. Das Ergebnis war eindeutig: Nur soziale Netzwerke standen in Verbindung mit zunehmender Unaufmerksamkeit – Fernsehen oder Gaming dagegen nicht.

Ständige Ablenkung schwächt die Konzentration

Im Durchschnitt verbrachten die Kinder 1,4 Stunden täglich auf Social Media, 1,5 Stunden mit Videospielen und 2,3 Stunden mit Fernsehen oder YouTube. Kinder, die besonders häufig soziale Netzwerke nutzten, zeigten über die Jahre eine messbare Zunahme an Unaufmerksamkeit.

„Soziale Medien beinhalten ständige Ablenkungen durch Nachrichten und Benachrichtigungen. Schon der Gedanke, ob eine Nachricht eingetroffen ist, kann die Aufmerksamkeit stören“, erklärt Studienautor Torkel Klingberg, Professor für kognitive Neurowissenschaften am Karolinska Institutet in Stockholm. Diese ständige Erwartung neuer Reize könne erklären, warum es Kindern zunehmend schwerfällt, sich über längere Zeit zu konzentrieren.

Steigende Nutzung könnte ADHS-Fälle erhöhen

Der beobachtete Effekt war zwar klein, aber konstant. Über vier Jahre nahm die Unaufmerksamkeit um durchschnittlich 0,15 Punkte auf der Bewertungsskala zu. Dieser Wert erscheint gering, kann aber auf Bevölkerungsebene relevant sein.

Das Team berechnete, dass bei steigender Social-Media-Nutzung der Anteil der Kinder mit deutlicher Unaufmerksamkeit um etwa 35 Prozent zunehmen könnte. Übertragen auf heutige ADHS-Zahlen würde die Prävalenz von 11 auf rund 14 Prozent steigen. „Eine stärkere Nutzung sozialer Medien könnte einen Teil der Zunahme an ADHS-Diagnosen erklären“, so Klingberg. Hyperaktivität oder Impulsivität nahmen dagegen nicht zu.

Zusammenhang unabhängig vom Erbgut

Um auszuschließen, dass genetische Faktoren die Ergebnisse beeinflussten, bezogen die Wissenschaftler auch den sogenannten polygenetischen Risikoscore für ADHS mit ein. Der Zusammenhang zwischen Social Media und Unaufmerksamkeit blieb jedoch bestehen – unabhängig vom Erbgut oder sozioökonomischen Hintergrund.

Auch Kinder, die bereits Konzentrationsprobleme hatten, nutzten soziale Medien nicht häufiger als andere. Das spricht dafür, dass die Nutzung selbst die Symptome begünstigt – und nicht umgekehrt.

Kinder nutzen Social Media oft schon vor dem erlaubten Alter

Auffällig war zudem, dass viele Kinder soziale Medien bereits vor dem 13. Lebensjahr nutzten, obwohl Plattformen wie TikTok oder Instagram offiziell erst ab 13 Jahren erlaubt sind. Die durchschnittliche Nutzungszeit stieg von 30 Minuten mit neun Jahren auf zweieinhalb Stunden mit 13 Jahren.

„Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse Eltern und Entscheidungsträgern helfen, gut informierte Entscheidungen über eine gesunde digitale Nutzung zu treffen“, sagt Samson Nivins, Erstautor der Studie und Postdoktorand am Karolinska Institutet. Es gehe darum, Kinder in ihrer kognitiven Entwicklung zu unterstützen und Altersbeschränkungen sowie Plattformdesigns kritisch zu prüfen.

Dauerreize im Gehirn schwächen die Aufmerksamkeit

Soziale Netzwerke aktivieren ständig das Belohnungssystem im Gehirn. Kurze Videos, wechselnde Reize und Likes lösen kontinuierlich kleine Dopaminimpulse aus. Schon die Erwartung einer neuen Nachricht kann die Aufmerksamkeit zersplittern.

Im Gegensatz dazu erfordern Videospiele meist längere Konzentrationsphasen, während Fernsehen überwiegend passiv konsumiert wird. Diese Unterschiede könnten erklären, warum nur Social Media mit wachsender Unaufmerksamkeit in Verbindung steht.

Einfache Regeln helfen, digitale Reize zu reduzieren

Wichtig ist den Experten zufolge, dass nicht jedes Kind, das soziale Netzwerke nutzt, Konzentrationsprobleme entwickelt. Der Zusammenhang werde erst bei längerer und intensiver Nutzung relevant. Entscheidend sei, bewusste Nutzungsgewohnheiten zu fördern und Ablenkungen zu begrenzen.

Eltern können laut Studie mit einfachen Maßnahmen gegensteuern:

  • Feste Online-Zeiten vereinbaren und vor dem Schlafengehen auf Bildschirme verzichten.
  • Benachrichtigungen ausschalten, um ständige Reize zu vermeiden.

Das Team des Karolinska Institutet will die Kinder weiter begleiten, um zu klären, ob die Effekte nach dem 14. Lebensjahr anhalten oder sich mit der Zeit abschwächen.

Kurz zusammengefasst:

  • Kinder, die täglich soziale Netzwerke wie TikTok oder Instagram nutzen, entwickeln laut einer Langzeitstudie des Karolinska Institutet häufiger Konzentrationsprobleme – schon 30 Minuten Social Media am Tag können messbare Auswirkungen haben.
  • Der Effekt bleibt bestehen, selbst wenn genetische Veranlagung und soziale Faktoren berücksichtigt werden, und könnte laut Forschern die Zahl der Kinder mit Aufmerksamkeitsproblemen um bis zu 35 Prozent erhöhen.
  • Entscheidend ist nicht die Bildschirmzeit insgesamt, sondern die ständige Ablenkung durch Nachrichten und Benachrichtigungen – bewusste Nutzung und feste Offline-Zeiten können helfen, die Konzentration zu schützen.

Übrigens: Das Gehirn braucht Pausen, um Leistung zu bringen. Schon wenige Minuten Auszeit reichen, um Konzentration und Energie zurückzubringen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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