Handysucht bei Kindern: Fast zweieinhalb Stunden täglich – Eltern sind überfordert

Fast zweieinhalb Stunden täglich verbringen Kinder mit ihren Handys. Viele Eltern sind überfordert, die richtige Grenze zu setzen.

Jugendliche verbringen täglich fast zweieinhalb Stunden mit Social Media – mit Folgen für ihre Gesundheit und sozialen Beziehungen. © PeopleImages/DAK-Gesundheit

Jugendliche verbringen täglich fast zweieinhalb Stunden mit Social Media – mit Folgen für ihre Gesundheit und sozialen Beziehungen. © PeopleImages/DAK-Gesundheit

Die Handysucht bei Kindern nimmt bedenkliche Ausmaße an: Fast zweieinhalb Stunden täglich – so viel Zeit verbringen Jugendliche heutzutage im Durchschnitt mit sozialen Medien. TikTok, Instagram und Snapchat sind aus ihrem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch was passiert, wenn das Smartphone zur Droge wird? Wenn die Nutzung nicht mehr kontrollierbar ist und die Welt um sie herum immer mehr aus den Augen verloren wird? Eine neue Studie des Uniklinikums Eppendorf (UKE) und der DAK zeigt: Immer mehr Kinder und Jugendliche kämpfen mit der Smartphone-Sucht. Doch wann wird es problematisch, und wie können Eltern ihre Kinder davor schützen?

Handysucht bei Kindern: Problematische Nutzung wächst weiter

Über 25 Prozent der 10- bis 17-Jährigen in Deutschland nutzen soziale Medien so intensiv, dass es als problematisch oder gar krankhaft gilt. Fast 1,3 Millionen junge Menschen sind bereits betroffen. Besonders Jungen haben mit 6 Prozent ein deutlich höheres Risiko als Mädchen (3,2 Prozent). Doch nicht nur soziale Medien stellen ein Problem dar. Auch digitale Spiele sind eine zunehmende Belastung: 12 Prozent der Kinder und Jugendlichen nutzen diese problematisch viel, 3,4 Prozent fallen sogar in die Kategorie „pathologisch“. Das bedeutet, ihre Beziehung zu den digitalen Welten hat eine Dimension erreicht, die die Kontrolle über das eigene Leben erschwert.

Zweieinhalb Stunden täglich – Tägliche Bildschirmzeit nimmt weiter zu

Der tägliche Medienkonsum bei Jugendlichen ist erschreckend hoch. Rund 157 Minuten verbringen 10- bis 17-Jährige werktags mit sozialen Netzwerken. Zweieinhalb Stunden – das ist die Zeit, die viele Jugendliche ohne Unterbrechung auf TikTok, Instagram und Co. verbringen. Die Auswirkungen auf die soziale und psychische Gesundheit sind nicht zu unterschätzen. Prof. Rainer Thomasius vom UKE warnt: „Es gibt eine sichtbare Verbindung zu psychischen Belastungen wie Depressivität. Wir sehen immer mehr Jugendliche, die durch die digitale Welt gestresst und depressiv werden.“

Mediensucht auf dem Vormarsch: Social Media, aber auch Gaming und Streaming bestimmen das Leben von Jugendlichen. © DAK
Mediensucht auf dem Vormarsch: Social Media, aber auch Gaming und Streaming bestimmen das Leben von Jugendlichen. © DAK

Gaming und Streaming: Das sind die weiteren Suchtfaktoren

Doch nicht nur soziale Medien sind problematisch. Auch digitales Gaming hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Jugendliche verbringen mittlerweile durchschnittlich 105 Minuten täglich mit digitalen Spielen – das ist ein merklicher Anstieg im Vergleich zu 2019. Und auch Streaming-Dienste wie Netflix sind nicht unbedenklich: Die Nutzungszeit liegt aktuell bei 93 Minuten pro Tag, wobei der Höchstwert während der Corona-Pandemie mit 170 Minuten pro Tag erreicht wurde. Die Frage ist: Wann ist der Punkt überschritten, an dem Mediennutzung nicht mehr gesund ist? Die Antwort darauf finden Eltern immer seltener alleine, weshalb Unterstützung durch Fachleute so wichtig ist.

Phubbing: Soziale Konflikte durch die Handynutzung anderer

Ein weiteres Problem, das durch ständigen Smartphone-Konsum entsteht, ist das sogenannte „Phubbing“. Dabei handelt es sich um die Praxis, während sozialer Interaktionen – etwa bei einem Gespräch oder am Esstisch – ständig aufs Handy zu schauen. Das führt nicht nur zu Unverständnis und Konflikten in der Familie, sondern auch zu einem Gefühl der Isolation. Rund 35 Prozent der Jugendlichen fühlen sich durch die Handynutzung anderer Personen ignoriert. Auch 29 Prozent der Eltern berichten von ähnlichen Erlebnissen. Und diese ständigen Konflikte wirken sich auf das emotionale Wohlbefinden aus. „Wir beobachten, dass Jugendliche, die häufig Phubbing erfahren, signifikant häufiger unter Gefühlen von Einsamkeit, Ängsten und Stress leiden“, erklärt Prof. Thomasius.

Eltern sind überfordert – Hilfe durch Fachleute gefragt

Die meisten Eltern stehen der digitalen Welt ihrer Kinder hilflos gegenüber. Oft wissen sie nicht, wie sie den Medienkonsum ihrer Kinder richtig regulieren sollen. Etwa 40 Prozent der Eltern legen den zeitlichen Umfang der Mediennutzung nicht ausreichend fest. Zudem moderieren nur 25 Prozent der Eltern die Inhalte, die ihre Kinder konsumieren. „Eltern fühlen sich zunehmend überfordert und suchen nach Orientierung“, erklärt Dr. Michael Hubmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte.

Früherkennung ist der Schlüssel

Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist die Ausweitung des Mediensuchtscreenings, wie ihn die DAK anbietet. In Zukunft wird die Krankenkasse allen versicherten Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bieten, ihre Mediennutzung auf problematische Muster zu überprüfen. Bei Auffälligkeiten wird direkt gemeinsam mit den Eltern nach Lösungen gesucht.

Dr. Hubmann ist sich sicher: „Die Sensibilisierung für dieses Thema muss in der Schule beginnen. Es ist dringend nötig, dass Kinder und Jugendliche lernen, mit digitalen Medien verantwortungsbewusst umzugehen.“ Deshalb plädiert er für die Einführung eines neuen Schulfachs „Gesundheit“, das Medienkompetenz als festen Bestandteil umfasst.

Kurz zusammengefasst:

  • Fast ein Viertel der 10- bis 17-Jährigen zeigt eine problematische Nutzung sozialer Medien. Über 1,3 Millionen junge Menschen sind betroffen.
  • Jugendliche verbringen täglich fast zweieinhalb Stunden mit Social Media, was ihre Gesundheit und sozialen Beziehungen belastet.
  • Viele Eltern fühlen sich überfordert, die Mediennutzung ihrer Kinder zu regulieren. Dies kann zu familiären Konflikten und psychischen Belastungen führen.

Übrigens: In seinem Buch „Generation Angst“ erklärt Jonathan Haidt, wie Smartphones die mentale Gesundheit von Jugendlichen drastisch beeinflussen. Die ständige Erreichbarkeit und der Druck in sozialen Medien fördern Depressionen und Ängste. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © PeopleImages/DAK-Gesundheit

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