Flucht aus den Metropolen: Warum es immer mehr Menschen in China in kleinere Städte zieht
Viele Menschen in China zieht es von den Metropolen in kleinere Städte. Was sind die Gründe dafür?
In China kehren immer mehr Menschen den großen Metropolen den Rücken, um in kleineren Städten ihr Glück zu suchen. Eine Reportage der ARD ging diesem Phänomen vor Ort auf den Grund.
Liu Jinpeng ist 31 Jahre alt und studierter Nachrichtentechniker. Er lebte und arbeitete einige Jahre in Nanjing und Hefei, beides Städte mit über 5 Millionen Einwohnern. Gegenüber einem Reporter der ARD erklärt er, dass es ihm in diesen Großstädten an Stabilität gefehlt habe.
Der Job war nicht so stabil, drei Monate hatte ich keine Arbeit, so lange hat mein Geld gereicht. Auf lange Sicht wollte ich einfach mehr Stabilität.
Liu Jinpeng
Über einen Freund gelangte er in die Gastronomie und kehrte nach Linquan zurück, um dort sein eigenes Geschäft zu gründen. Die Stadt liegt abgelegen im Westen Anhuis, in einem relativ armen Teil des Landes. Für gewöhnlich zieht es die Menschen auf der Suche nach Arbeit eher von dort weg in die großen Städte.
Das Kleinstadtleben bietet neue Chancen
In kleineren Städten mangelt es oft an großen Unternehmen und gut bezahlten Jobs. Die einzige Möglichkeit, ausreichend Geld zu verdienen, liegt laut Liu daher in der Selbstständigkeit. Und obwohl das Geschäft hart sei, komme er zumindest über die Runden, sagt er.
Ein paar Straßen weiter steht der Schnellimbiss von Yu Ling. Sie und ihr Mann lebten über 20 Jahre in Peking, bevor sie zurück nach Linquan zogen.
Wir haben ganz unterschiedliche Arbeiten gemacht, Autoreparatur, im Badehaus, im Restaurant gearbeitet. [] Wir hatten wirklich genug davon, diese Arbeit zu machen, wir wollen uns ausruhen.
Yu Ling
Auch wenn ihr neues Geschäft noch keinen großen Gewinn abwirft, ziehen sie eine Rückkehr nach Peking nicht in Betracht. Die hohen Lebenskosten in den Metropolen machen den Verdienst ohnehin zunichte.
Nicht jeder schafft es, in den Metropolen Fuß zu fassen
Das chinesische Hukou-System unterteilt Menschen je nach Geburtsort in Stadt- und Landbewohner. Der eingetragene Hukou („registrierter ständiger Wohnsitz“) einer Person bestimmt, wo sie Sozialleistungen in Anspruch nehmen kann.
Dadurch werden Zuwanderer in den Städten oft benachteiligt: Sie erhalten weniger Sozialleistungen und ihre Kinder können teilweise nur minderwertigere Schulen besuchen. Die Einbürgerung als Städter bleibt oft ein unerreichbares Ziel, was viele zur Rückkehr in ihre Heimatstädte bewegt.
Metropolen verlieren immer mehr ihren Reiz
Die chinesische Wirtschaft hat sich nach dem Ende der strikten Null-Covid-Politik nicht wie erwartet erholt. „In den vergangenen Jahren haben wir viel weniger Geld verdient als früher“, sagt Yu. Eine schwache Konjunktur und fehlende staatliche Unterstützung verstärken den Druck auf die Bewohner der Metropolen in China.
Die kleinen Städte entwickeln sich hingegen zunehmend zu attraktiven Wohnorten. „Jetzt ist das Leben hier eigentlich auch gut. Shopping, Restaurants, Wohnen und Verkehr, das ist alles okay“, findet Liu. Selbst die Freizeitangebote in kleineren Städten können mittlerweile mit denen der Großstädte mithalten.
Noch dazu sei das Leben hier deutlich entspannter als in den Metropolen: Früher hat Ren Wenwen in Hangzhou als Model in einer Mode-Mall gearbeitet, heute verkauft sie zusammen mit ihrem Mann auf einem kleinen Nachtmarkt in Linquan Fastfood. Wenn sie sich das Leben ihrer ehemaligen Kollegen anschaut, bereut sie es manchmal sogar, die große Stadt hinter sich gelassen zu haben, sagt sie den ARD-Reportern. Hier fühle sie sich jedoch freier und stehe nicht mehr so stark unter Stress.
[…] Die Arbeit war so anstrengend, der Druck so groß. Es gab viele Konflikte, ich war so erschöpft. Deswegen bin ich zurückgekehrt, hier habe ich mehr Freiheit.
Ren Wenwen
Was du dir merken solltest:
- Aufgrund mangelnder Stabilität und hoher Lebenskosten in den Metropolen in China kehren viele Einwohner zurück in kleinere Städte, um dort durch Selbstständigkeit ein stabileres Einkommen zu erzielen.
- Das chinesische Hukou-System verstärkt die soziale und wirtschaftliche Kluft zwischen Zuwanderern in den Städten und Einheimischen, was die Rückkehr in die Heimatstädte weiter fördert.
- Kleinere Städte entwickeln sich zunehmend zu attraktiven Wohnorten mit vergleichbaren Freizeitangeboten und geringerem Lebensdruck, was sie als Alternative zu den Großstädten attraktiv macht.
Bild: © Unsplash