Wutausbrüche bei Kindern können Warnzeichen für spätere Depression sein
Heftige Gefühlsausbrüche wie Wut können bei Kindern ein frühes Warnsignal für ein erhöhtes Depressionsrisiko im späteren Leben sein.

Von wegen Trotzphase: Auf diese Symptome sollten Eltern achten – häufige Wutausbrüche, schnelle Überforderung und Rückzug können frühe Warnzeichen für seelische Belastung sein. © Pexels
Wenn Kinder schnell explodieren und ihre Gefühle sie überwältigen, kann das später ernste Folgen haben. Eine neue Auswertung der University of Edinburgh zeigt, dass genau solche Wutausbrüche bei Kindern das Risiko für psychische Erkrankungen, wie eine Depression, im Jugendalter deutlich erhöhen können.
Im Fokus der analysierten Daten von rund 19.000 Kindern, die im Rahmen der britischen Millennium Cohort Study seit dem Jahr 2000 regelmäßig begleitet werden, stand die Frage: Wie stark beeinflusst frühe emotionale Unruhe die psychische Gesundheit mit 11, 14 oder 17 Jahren?
Wutausbrüche bei Kindern im Grundschulalter erhöhen das Risiko für eine Depression
Besonders auffällig: Kinder, die im Alter von sieben Jahren mit heftigen Gefühlsschwankungen zu kämpfen hatten, zeigten später deutlich häufiger Symptome von Depression oder Angst. Dazu zählten Niedergeschlagenheit, dauerhafte Sorgen oder ständige innere Unruhe – auch dann, wenn es im frühen Kindesalter noch keine diagnostizierte psychische Erkrankung gab.
Für betroffene Familien ist das mehr als nur ein wissenschaftlicher Hinweis. Denn viele Eltern fragen sich, ob das Verhalten ihres Kindes „noch normal“ ist oder doch ein Warnzeichen. Die Ergebnisse der Studie legen nahe: Frühzeitige Unterstützung lohnt sich – für das Kind, aber auch für sein Umfeld.
Je früher, desto besser: Emotionale Kontrolle lässt sich lernen
Kinder, die sehr impulsiv reagieren, schnell überreizt sind oder sich kaum beruhigen können, brauchen Hilfe und das nicht erst in der Pubertät. „Unsere Daten zeigen, dass frühe Schwierigkeiten bei der Emotionsregulation ein Risikofaktor für spätere seelische Probleme sind“, erklärt Dr. Aja Murray von der University of Edinburgh.
Es ist sinnvoll, diese Kinder gezielt zu fördern, noch bevor die psychische Belastung zu groß wird.
Dr. Aja Murray
Je besser Kinder lernen, mit ihren starken Gefühlen umzugehen, desto robuster bleiben sie später, auch gegenüber Stress, Druck oder Krisen. Diese Förderung beginnt nicht mit einer Therapie, sondern im Alltag durch:
- emotionale Begleitung
- das Benennen von Gefühlen
- stabile Routinen
- Unterstützung in Kita oder Grundschule
Warnzeichen erkennen und nicht abtun
Viele Eltern kennen die Verzweiflung, wenn das eigene Kind scheinbar grundlos austickt oder sich nicht beruhigen lässt. Doch was wie Trotz oder schlechte Erziehung aussieht, kann Ausdruck einer inneren Überforderung sein. In der Studie zeigte sich: Besonders Kinder mit starker Impulsivität oder Frustrationstoleranz hatten später häufiger mit innerer Anspannung, Ängsten oder Traurigkeit zu kämpfen.
Die Forscher nutzten fortgeschrittene Analyseverfahren, um andere Einflussfaktoren, etwa bestehende psychische Probleme oder soziale Belastungen, auszuschließen. Das Ergebnis: Auch ohne Vorerkrankungen hatten emotionale Ausbrüche im Kindesalter einen messbaren Einfluss auf das psychische Wohlbefinden Jahre später.
Seelische Stabilität beginnt vor der Pubertät
Dr. Angela Hind von der Medical Research Foundation erklärt, wie dringend frühe Hilfen gebraucht werden: „Bis zu 20 Prozent der Jugendlichen in Großbritannien kämpfen mit psychischen Problemen. Diese Belastung ist enorm, für die Betroffenen, ihre Familien und die Gesellschaft.“
Wer Kinder rechtzeitig unterstützt, kann Leid verhindern. Denn viele emotionale Schwierigkeiten beginnen nicht erst mit Schulstress oder Liebeskummer, sie entstehen viel früher. Genau deshalb kann ein aufmerksamer Blick im Alltag so viel verändern: beim morgendlichen Streit, beim Wutanfall im Supermarkt, bei der Unruhe am Abend.
Emotionen begleiten statt ignorieren
Die Forscher sprechen sich klar dafür aus, emotionale Fähigkeiten so früh wie möglich zu stärken. Das gelingt nicht durch Druck, sondern durch Verständnis, etwa über Programme in der Kita, Elterngespräche in Schulen oder einfache Rituale im Alltag. Wichtiger als perfekte Erziehung ist dabei vor allem eins: das Gefühl, dass das Kind mit seinen Gefühlen nicht allein ist.
Kinder müssen lernen, ihre Gefühle zu erkennen, auszudrücken und zu regulieren – das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Fähigkeit, die Zeit braucht.
Dr. Murray
Kurz zusammengefasst:
- Häufige Wutausbrüche bei Kindern im Alter von sieben Jahren gehen mit einem erhöhten Risiko einher, im Jugendalter an einer Depression oder Angststörung zu leiden.
- Emotionale Impulsivität und Schwierigkeiten bei der Gefühlsregulation können sich langfristig negativ auf die seelische Gesundheit auswirken – auch ohne frühe Vorerkrankungen.
- Frühzeitige Unterstützung im Umgang mit starken Gefühlen kann helfen, spätere psychische Belastungen zu verringern und die emotionale Stabilität zu fördern.
Übrigens: Auch wer selbst keine Depression erlebt hat, kann begreifen, wie belastend sie ist – wenn der Zugang stimmt. Ein Videospiel macht genau das möglich, das zeigt eine Studie der Universität zu Köln. Mehr dazu in unserem Artikel.
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