Damit sie wieder arbeiten gehen können: Britische Regierung will Arbeitslosen Abnehmspritzen verabreichen

Die britische Regierung plant, Abnehmspritzen bei Arbeitslosen einzusetzen, um Gesundheitskosten zu senken. Experten kritisieren den Ansatz als zu einseitig.

Die britische Regierung erwägt den Einsatz von Abnehmspritzen bei Arbeitslosen, um das Gesundheitssystem zu entlasten und die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu fördern. © Midjourney

Die britische Regierung erwägt den Einsatz von Abnehmspritzen bei Arbeitslosen, um das Gesundheitssystem zu entlasten und die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu fördern. © Midjourney

Der britische Gesundheitsminister Wes Streeting hat mit seinem Vorschlag, arbeitslosen Menschen Abnehmspritzen zu verabreichen, damit sie schneller wieder einen Job finden, eine lebhafte Diskussion angestoßen. Ziel dieser Maßnahme sei es, die Betroffenen schneller in den Arbeitsmarkt zu integrieren und zugleich die Belastung des staatlichen Gesundheitssystems zu verringern. Neue Medikamente wie Ozempic und Zepbound, die die Gewichtsreduktion fördern, stehen dabei im Fokus. In der britischen Tageszeitung Telegraph sagte Streeting: „Unsere immer breiter werdenden Hüften stellen eine erhebliche Belastung für unser Gesundheitswesen dar.“ Er betonte, dass adipöse Menschen dem britischen National Health Service (NHS) jährliche Kosten von elf Milliarden Pfund (ca. 13 Mrd. Euro) verursachen würden – mehr als Raucher.

Laut ZDF heute unterstützt Premierminister Keir Starmer diesen Ansatz und äußerte sich gegenüber der BBC positiv: Abnehmspritzen seien „sehr wichtig für die Wirtschaft“, da sie helfen könnten, die Menschen schneller wieder in Arbeit zu bringen. Die Regierung sieht in dieser Maßnahme also einen zweifachen Nutzen: die Verbesserung der individuellen Gesundheit und die Entlastung des Arbeitsmarktes. Wissenschaftler stehen dieser Idee jedoch skeptisch gegenüber und äußern erhebliche Bedenken.

Wissenschaftlicher Widerspruch

Francesco Rubino, Professor für metabolische und bariatrische Chirurgie am King’s College London, gilt als einer der führenden Forscher im Bereich Adipositas. Er kritisierte die Initiative des Gesundheitsministers und betonte, dass Übergewicht ein komplexes Problem sei, das nicht mit einem einzigen Medikament gelöst werden könne. „Das Problem ist, dass wir nicht festgelegt haben, wann starkes Übergewicht ein Risikofaktor für weitere Erkrankungen ist“, erklärte Rubino. Er wies darauf hin, dass die Ursachen von Adipositas vielfältig und oft genetisch bedingt seien. Eine einfache Lösung, wie Streeting sie vorschlägt, könne daher nicht für alle Menschen gleichermaßen wirksam sein.

Rubino betonte zudem, dass der Body-Mass-Index (BMI), der oft zur Beurteilung des Gesundheitszustands verwendet wird, nicht aussagekräftig genug sei. Der BMI gebe lediglich das Verhältnis von Körpergewicht zu Körpergröße an, könne aber keine genauen Rückschlüsse auf die Gesundheit einer Person zulassen. „Die Diagnostik muss besser und genauer werden und darf sich nicht nur auf den BMI verlassen“, sagte Rubino. Der BMI allein gebe nicht an, ob jemand gesund oder krank sei.

Ethische Bedenken und Umsetzungsschwierigkeiten

Auch die Epidemiologin Dolly van Tulleken von der Universität Cambridge äußerte erhebliche Zweifel an Streetings Vorschlag. Ihrer Meinung nach sei es unrealistisch, dass die britische Regierung in der Lage sei, genügend Abnehmspritzen für alle Betroffenen zur Verfügung zu stellen. Derzeit würden rund 49.000 Menschen pro Jahr im Zusammenhang mit ihrem Gewicht medizinisch behandelt. Würde der Plan des Gesundheitsministers umgesetzt, könnte diese Zahl jedoch auf mehrere Millionen steigen. Van Tulleken warnte zudem vor ethischen Problemen und erklärte: „Es ist unglaublich wichtig, dass die Menschen in Großbritannien die Gesundheitsversorgung auf der Grundlage ihrer gesundheitlichen Bedürfnisse und nicht ihres potenziellen wirtschaftlichen Wertes in Anspruch nehmen können.“

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Die Wissenschaftler sind sich weitgehend einig, dass der Fokus nicht allein auf die Arbeitskraft der Menschen gelegt werden sollte, sondern auf ihre Gesundheit. Es sei nicht vertretbar, dass Adipositas in erster Linie als wirtschaftliches Problem dargestellt werde. Die gesundheitlichen Bedürfnisse der Menschen müssten Vorrang haben.

Zusammenhang zwischen Jobverlust und Gewichtszunahme

Streetings Vorschlag, Abnehmspritzen zur Lösung der Arbeitslosigkeit einzusetzen, steht auf wackeligen Beinen. Eine Studie zeigt, dass der Verlust des Arbeitsplatzes bei britischen Erwachsenen häufig zu einer Gewichtszunahme führt. Allerdings sei dies weniger auf Veränderungen im Lebensstil zurückzuführen, wie etwa ungesunde Ernährung oder Bewegungsmangel. Vielmehr spielen psychische Belastungen wie Stress, Sorgen und Schlafmangel eine Rolle. Rubino betonte, dass die Stigmatisierung von Menschen mit Adipositas ein mindestens ebenso großes Problem sei wie das Übergewicht selbst. Er warnte davor, die Ursachen für Übergewicht auf individuelle Entscheidungen zu reduzieren: „Zu behaupten, dass Adipositas eigentlich eine Lebensstilfrage und individuelle Entscheidung ist, ist geradezu böse.“

Studie über die Wirkung von Abnehmspritzen

Im Großraum Manchester soll nun eine neue, fünf Jahre dauernde Studie klären, ob der Einsatz von Abnehmspritzen tatsächlich dazu beitragen kann, die Arbeitslosigkeit zu senken und die Inanspruchnahme medizinischer Versorgung zu reduzieren. Die Studie wird unter anderem von dem Pharmakonzern Lilly finanziert, der sich auf der internationalen Investorenkonferenz in Großbritannien zu einer Investition von 279 Millionen Pfund in die britische Biowissenschaft verpflichtet hat.

Was du dir merken solltest:

  • Die britische Regierung plant, Abnehmspritzen für Arbeitslose einzusetzen, um Gesundheitskosten zu senken und die Rückkehr in einen Job zu beschleunigen.
  • Wissenschaftler kritisieren den Vorschlag, da Übergewicht oft komplexe, genetische Ursachen hat; Medikamente allein können das Problem nicht lösen.
  • Eine neue Studie soll klären, ob Abnehmspritzen tatsächlich einen Einfluss auf Arbeitslosigkeit und das Gesundheitssystem haben können.

Bild: © Midjourney

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