Täglich Bilder von Krieg und Gewalt: Verstörende Inhalte im Netz traumatisieren Jugendliche

Viele Jugendliche sehen in den sozialen Medien regelmäßig Bilder von Krieg und Gewalt und das hinterlässt Spuren – bis hin zum Trauma.

Bilder von Gewalt im Netz traumatisieren Jugendliche

Sie scrollen durch ihren Feed – doch statt Unterhaltung sehen sie Krieg, Leid und Zerstörung. Was auf dem Bildschirm erscheint, bleibt oft lange im Kopf. © Pexels

In den sozialen Medien stoßen viele Jugendliche regelmäßig auf verstörende Bilder von Gewalt, Krieg und Terror. Diese Inhalte erscheinen oft unvermittelt im Feed und belasten die jungen Nutzer psychisch stark. Studien zeigen: Die seelischen Auswirkungen solcher Bilder sind ernst – auch ohne selbst Gewalt erlebt zu haben.

Fast 50 Prozent der Jugendlichen sehen mindestens einmal pro Woche Bilder von Tötungen, Geiselnahmen oder Folter. Knapp jeder Fünfte kommt sogar täglich mit solchen Inhalten in Kontakt – besonders männliche Jugendliche. Die Aufnahmen erscheinen meist ungewollt im Social-Media-Feed oder werden direkt zugeschickt.

Die Universität Regensburg hat zusammen mit dem Marktforschungsinstitut Appinio 2.000 junge Menschen im Alter von 16 bis 21 Jahren befragt. Die Ergebnisse zeigen eine erschreckend hohe psychische Belastung – ausgelöst durch politische Krisen, Kriege und Gewaltereignisse in aller Welt.

Gewaltbilder überfordern: Täglicher Stress für die Seele

Viele Jugendliche erleben die Krisen nicht als entfernte Ereignisse, sondern als persönliche Bedrohung:

  • Über die Hälfte fühlt sich durch die aktuellen Geschehnisse stark belastet
  • 23 Prozent der Befragten, also fast jeder Vierte, meiden deswegen sogar gezielt öffentliche Orte wie Konzerte oder Märkte
  • Etwa 60 Prozent haben wenig Vertrauen in die Politik, Lösungen zu finden – rund die Hälfte geht sogar davon aus, dass sich die Lage weiter verschärfen wird

Damit wächst nicht nur das Gefühl von Unsicherheit, sondern auch die psychische Belastung.

Kriege und Konflikte belasten Jugendliche © Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universität Regensburg
Kriege und Konflikte belasten Jugendliche © Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universität Regensburg

Trauma ohne eigenes Erlebnis

„Wir wollten wissen, durch welche Faktoren seelische Belastung besonders stark vermittelt wird – etwa durch Bildkonsum und Dauer der Konfrontation, aber auch durch Resilienzfaktoren“, erklärt Professor Romuald Brunner vom Lehrstuhl für Kinder-und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie an der Universität Regensburg. Die Ergebnisse seiner Studie machen deutlich, dass bereits die wiederholte Konfrontation mit medialer Gewalt reicht, um Symptome einer posttraumatischen Belastung auszulösen.

  • 20 Prozent der Befragten berichten von Nachhallerinnerungen an die gesehenen Szenen
  • 10 Prozent haben Schlafprobleme
  • 14 Prozent zeigen sich schreckhaft

Auch körperliche Reaktionen sind weit verbreitet: 48 Prozent der Jugendlichen klagen über Beschwerden wie Schmerzen, Übelkeit oder Hautausschläge, obwohl keine medizinische Ursache bekannt ist. Ebenso viele zeigen depressive Symptome, und über die Hälfte schläft schlecht.

Das sind alles Warnzeichen, wie sie auch nach direkten Gewalterlebnissen auftreten können. Trotzdem will die überwiegende Mehrheit (rund 70 Prozent) der Betroffenen keine psychologische Hilfe in Anspruch nehmen. Viele wenden sich lieber an den Freundeskreis oder die Familie. Die Gründe für das Zögern sind vielfältig: zu lange Wartezeiten, fehlende Anlaufstellen und Sorgen über Vertraulichkeit oder die Wirksamkeit einer Therapie. Fast alle Befragten bevorzugen persönliche Gespräche statt Online-Angebote.

Bilder von Gewalt über Social-Media-Feeds © Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universität Regensburg
Bilder von Gewalt über Social-Media-Feeds © Lehrstuhl für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie der Universität Regensburg

Jugendliche wünschen sich Hilfe, aber anders

Die meisten Jugendlichen wünschen sich mehr Auseinandersetzung mit psychischer Gesundheit – vor allem in Schulen, Ausbildungsstätten und Universitäten. Knapp 80 Prozent sprechen sich dafür aus. Dr. Daniel Schleicher, Erstautor der Studie, erklärt: „Wir haben auch Ideen entwickelt, wie die Belastungen gemildert werden können.“ Der Forscher empfiehlt unter anderem eine bessere Aufklärung über psychische Erkrankungen und Therapieformen. Erwachsene sollten lernen, in Krisenzeiten empathisch und wertfrei zuzuhören. Gleichzeitig braucht es mehr niedrigschwellige psychologische Hilfsangebote.

Ein weiterer Ansatzpunkt betrifft die sozialen Medien. Viele der belastenden Bilder erscheinen ungefiltert in den Feeds der Jugendlichen. Deshalb fordern die Wissenschaftler technische Schutzmaßnahmen, die gewalttätige Inhalte besser ausblenden. Zugleich soll die Medienkompetenz junger Menschen gestärkt werden. Dazu gehören klare Grenzen beim Nachrichtenkonsum, bewusste digitale Pausen und der Ausgleich durch Hobbys, Bewegung oder Entspannung. Diese Maßnahmen können helfen, das emotionale Gleichgewicht zu stabilisieren und die Resilienz zu stärken – trotz der Krisen, die täglich auf den Bildschirmen zu sehen sind.

Kurz zusammengefasst:

  • Kriege, politische Krisen und Gewalt-Bilder in sozialen Medien belasten Jugendliche in Deutschland psychisch stark.
  • Viele zeigen Symptome wie Schlafstörungen, Angst, körperliche Beschwerden und posttraumatische Reaktionen – obwohl sie die Gewalt nur digital erleben.
  • Nur wenige suchen professionelle Hilfe, obwohl fast 80 Prozent sich mehr Unterstützung und Aufklärung über seelische Gesundheit wünschen.

Bild: © Pexels

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