Die Folgen für die Wirtschaft wären massiv: Deutsche Industrie kämpft gegen PFAS-Verbot in der EU

Die EU plant ein Verbot von PFAS-Chemikalien, was auf starken Widerstand der Industrie trifft, da diese Stoffe in vielen wichtigen Anwendungen unverzichtbar sind.

Participation d’Ursula von der Leyen, présidente de la Commission européenne, au Conseil européen de Bruxelles

Über 500 Unternehmen appellieren an Bundeskanzler Olaf Scholz (Archivbild). © Wikimedia

Die EU plant ein Verbot sogenannter Ewigkeitschemikalien, den PFAS, was laut der Industrie existenzbedrohende Folgen haben könnte. Über 500 Unternehmen appellieren deshalb in einem Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) und Spitzenverbände aus Maschinenbau, Elektroindustrie und Medizintechnik fordern die Regierung auf, ihre Unterstützung für ein pauschales Verbot zurückzunehmen. Stattdessen verlangen sie risikobasierte Regelungen. Die Unternehmen warnen, dass das langwierige Verfahren bereits jetzt zu erheblicher Planungsunsicherheit, Investitionsstopps und dem Rückzug von Produkten führt. Sie befürchten, dass langfristig ganze Industriezweige in Deutschland bedroht sind.

Michael Schlipf vom Kunststoff-Industrieverband Pro-K erklärt laut FAZ, dass ein Ergebnis des EU-Verfahrens frühestens 2028 vorliegen könnte. Bis dahin sehen sich die Unternehmen gezwungen, abzuwarten, da auch der Rechtsweg bis zu einer Entscheidung versperrt bleibt. Mitte Juli 2024 haben die Industrievertreter ihren Brandbrief nach Berlin geschickt, doch bislang haben sie keine Reaktion erhalten.

Industrie fordert klare Regelungen statt pauschalem Verbot

Seit den 1940er Jahren produzieren Unternehmen PFAS industriell, diese Stoffe kommen in der Natur nicht vor. Aufgrund ihrer extrem stabilen Kohlenstoff-Fluor-Bindungen sind sie besonders langlebig und widerstandsfähig gegen Wasser, Öl, Hitze, Chemikalien und Licht. Unternehmen setzen PFAS in zahlreichen Alltagsprodukten ein, darunter beschichtete Pfannen, wasserabweisende Kleidung und Medizintechnik, aber auch in technologisch anspruchsvollen Bereichen wie der Halbleiterindustrie. Die Industrie warnt, dass die EU ihre Ziele in Bereichen wie Klimaschutz, Gesundheit und technologischer Souveränität ohne PFAS nicht erreichen kann.

Die Gesamtzahl der PFAS-Verbindungen ist unklar, Schätzungen sprechen von knapp 15.000. Diese Stoffe belasten die Umwelt, da sie sich nicht abbauen lassen, sich in der Natur anreichern und im menschlichen Blut nachgewiesen werden. PFAS stehen im Verdacht, Krebs zu verursachen, unfruchtbar zu machen und das Immunsystem zu schwächen. Obwohl in Wirtschaft und Wissenschaft Einigkeit über die Notwendigkeit einer Regulierung besteht, herrscht Streit über den richtigen Ansatz.

EU-Plan für pauschales Verbot stößt auf Widerstand

Auf Drängen der Bundesregierung prüft die EU derzeit ein pauschales Verbot der gesamten Stoffgruppe. Die Industrie lehnt dies entschieden ab, da eine Abkehr vom risikobasierten Ansatz nicht den europäischen Gesetzen entspreche. Maschinenbauer, Elektrotechniker und die Medizintechnikbranche protestieren seit Monaten gegen ein solches Verbot. Von den Autoherstellern und der Pharmaindustrie, die ebenfalls stark auf PFAS angewiesen sind, ist jedoch kaum öffentlicher Widerstand zu hören, kritisiert Schlipf. Diese Branchen scheuen die Debatte und überlassen die Verantwortung ihren Lieferanten.

Im Rahmen des EU-Verfahrens haben Unternehmen, Verbände und NGOs über 5600 Kommentare und Einwände eingereicht – so viele wie noch nie zuvor in einem Chemikalienverfahren. Expertengruppen prüfen diese Einwände, bevor die EU-Kommission einen endgültigen Vorschlag ausarbeitet. Schlipf rechnet damit, dass das Verbot frühestens zwischen 2028 und 2030 in Kraft tritt.

Verbot könnte massive Auswirkungen haben

Bislang haben nur wenige PFAS ausführliche Tests durchlaufen und sind teilweise verboten. Unabhängige Experten befürworten jedoch ein pauschales Verbot. Martin Scheringer von der Technischen Hochschule Zürich betont, dass der Beschränkungsvorschlag eher zu spät als zu früh kommt. Auch das Fraunhofer-Institut und die Helmholtz-Gesellschaft unterstützen ein Verbot der gesamten Stoffklasse, weisen aber auf mögliche Ausnahmen hin, etwa für bestimmte medizinische Anwendungen.

Besonders umstritten ist das Verbot der Fluorpolymere, die mithilfe von PFAS hergestellt werden. Diese Hochleistungskunststoffe sind für viele Anwendungen unverzichtbar, und die Industrie argumentiert, dass sie im Alltag keine Gefahr darstellen. Risiken bestehen lediglich bei der Herstellung und Entsorgung.

In den USA werden bereits ähnliche Verbote diskutiert, deren Auswirkungen ebenfalls weitreichend sein könnten. Schlipf betont, dass die Industrie Fortschritte bei der Reduzierung von PFAS-Emissionen erzielt hat und an Recyclingmethoden arbeitet. Kritiker wie der Umweltverband BUND weisen jedoch darauf hin, dass viele PFAS-haltige Produkte weiterhin im Hausmüll landen und so die Umwelt belasten.

Was du dir merken solltest:

  • Die EU plant ein pauschales Verbot von PFAS-Chemikalien, was in der Industrie auf starken Widerstand stößt, da diese Substanzen in zahlreichen Produkten unverzichtbar sind und ein Verbot gravierende wirtschaftliche Folgen haben könnte.
  • Während die Industrie risikobasierte Regelungen fordert, unterstützen einige unabhängige Experten und Institute ein generelles Verbot, weisen jedoch auf notwendige Ausnahmen hin, insbesondere für medizinische Anwendungen.
  • PFAS sind aufgrund ihrer Langlebigkeit und potenziellen Gesundheitsrisiken umstritten, und die Debatte dreht sich um die Balance zwischen Umweltschutz und wirtschaftlichen Notwendigkeiten.

Übrigens: PFAS-Chemikalien stecken in vielen Alltagsprodukten und können unsichtbare Risiken bergen – auch im Badezimmer. Welche das sind, erfährst du in unserem Artikel.

Bild: © European Commission (Christophe Licoppe) via Wikimedia unter CC BY 4.0

1 thought on “Die Folgen für die Wirtschaft wären massiv: Deutsche Industrie kämpft gegen PFAS-Verbot in der EU

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert