Zurück zu Stift und Papier: Dänemark kämpft gegen digitale Abhängigkeit
Dänemark reduziert die Bildschirmnutzung in Schulen und fördert traditionelle Lernmethoden, um psychischen und sozialen Problemen bei Kindern entgegenzuwirken.
In Dänemark, einem der digitalisiertesten Länder der Welt, hat die Regierung einen drastischen Schritt gegen die digitale Abhängigkeit eingeleitet. Bildungsminister Mattias Tesfaye hat dazu aufgerufen, die Nutzung von Handys und Bildschirmen in Klassenzimmern stark zu reduzieren und stattdessen wieder vermehrt auf traditionelle Lernmittel wie Bücher, Papier und Stift zu setzen.
Aida Bikic, eine Psychologin an der Universität Süddänemark, warnt vor den gravierenden Auswirkungen der Bildschirmnutzung auf Kinder und Jugendliche. Sie sagt laut FAZ, dass eine Generation heranwächst, die sich nicht konzentrieren könne, soziale Kompetenzen verliere und ein hohes Risiko für psychische Störungen habe. Laut Bikic sei die Technologie der sozialen Netzwerke darauf ausgelegt, süchtig zu machen und Kinder sowie Jugendliche könnten dieser Abhängigkeit nicht standhalten.
Rückkehr zu traditionellen Lernmethoden
Dänemark, das im E-Government-Ranking der Vereinten Nationen weltweit an der Spitze steht, erkennt zunehmend die negativen Folgen der Digitalisierung in Schulen. Trotz der hohen digitalen Infrastruktur des Landes, gebe es Einigkeit darüber, dass die große Anzahl an Bildschirmen in Schulen ablenkt und den Kindern und Jugendlichen schadet.
Bildungsminister Tesfaye kritisiert, dass die digitale Begeisterung zur „Zerstörung der Bildung“ beigetragen habe. Er hofft, dass den Erstklässlern künftig keine iPads mehr ausgehändigt werden, sondern stattdessen Stifte. Dies sei ein Schritt, um die negativen Auswirkungen der Bildschirmzeit zu reduzieren.
Nationale Allianz gegen Tech-Giganten
Ministerpräsidentin Mette Frederiksen betont die Notwendigkeit, die Kinder zu schützen, bevor es zu spät ist. Sie spricht von einem „riesigen Experiment“ in den Kinderzimmern, dessen Tragweite man zunächst nicht erkannt habe. Frederiksen hebt hervor, dass Kinder in der physischen Welt umfassend geschützt seien, jedoch nicht in der digitalen Welt, in der sie immer mehr Zeit verbringen.
Zusammen mit mehreren Nichtregierungsorganisationen gründete die dänische Regierung die Allianz „Switch off“. Diese Initiative will die Tech-Unternehmen dazu zwingen, die Rechte von Kindern und Jugendlichen zu beachten. Sie fordert unter anderem, die Altersgrenze für die Nutzung sozialer Netzwerke auf 15 Jahre zu erhöhen, süchtig machende Designelemente zu verbieten und Autoplay-Funktionen abzuschalten.
Illegale Datenverarbeitung
Dänemarks Datenschutzgesetz sieht seit Anfang des Jahres ein Mindestalter von 15 Jahren für soziale Netzwerke vor. Erst ab diesem Alter dürfen Unternehmen personenbezogene Daten von Jugendlichen verarbeiten. Doch viele Tech-Giganten ignorieren diese Vorschrift, indem sie sich auf das amerikanische Recht berufen, das die Datenverarbeitung ab 13 Jahren erlaubt.
Sørine Vesth Rasmussen von der Kinderschutzorganisation Børns Vilkår kritisiert, dass die Unternehmen das Recht der Kinder permanent brechen. Sie argumentiert, dass Kinder unter 18 Jahren ohne Zustimmung der Eltern keine Verträge abschließen können und daher die Datenverarbeitung illegal sei.
Bedrohliche Folgen
Eine Studie von Børns Vilkår zeigt, dass fast die Hälfte der dänischen Kinder unter zehn Jahren bereits Zugang zu sozialen Netzwerken hat. Mit zwölf Jahren sind es 94 Prozent. Diese extreme Nutzung digitaler Geräte hat schwerwiegende Folgen. Kinder berichten von unangenehmen Erlebnissen in sozialen Netzwerken, darunter Gewaltvideos und suizidale Inhalte.
Psychologin Bikic warnt vor einem „nationalen Notstand“. Kinder und Jugendliche, die viel Zeit an Bildschirmen verbringen, entwickeln oft ADHS-ähnliche Symptome. Bikic erklärt, dass die kurzen und schnellen Videoclips, insbesondere auf TikTok, eine mögliche Ursache dafür seien. Viele Kinder fühlen sich einsam und zeigen Anzeichen von psychischem Unwohlsein.
Handlungsbedarf in Dänemark
Dänische Kinder und Jugendliche verbringen einen Großteil ihrer Zeit in sozialen Netzwerken, was zu erheblichen psychischen und sozialen Problemen führt. Bikic betont, dass die Erziehung zu einem bewussten Umgang mit sozialen Medien und Computerspielen nicht möglich sei, da die Technologien auf Abhängigkeit ausgelegt sind:
Das ist wie ein Casino.
Rasmussen von Børns Vilkår ergänzt, dass die elterliche Kontrolle oft versage, da Eltern nicht nachvollziehen könnten, was ihre Kinder in den sozialen Netzwerken sehen. Besonders verletzlich sind Kinder, die in der Offline-Welt wenige Ressourcen haben.
Auch in anderen nordischen Ländern gibt es ähnliche Diskussionen. In Schweden wird bald ein Handy-Verbot an Schulen erwartet, und auch Norwegen plant Maßnahmen gegen soziale Netzwerke, einschließlich Altersüberprüfungen.
Was du dir merken solltest:
- Dänemark hat Maßnahmen ergriffen, um die digitale Abhängigkeit mit der Nutzung von Handys und Bildschirmen in Schulen zu reduzieren. Das Land setzt somit wieder verstärkt auf traditionelle Lernmethoden, um die negativen Auswirkungen der Digitalisierung auf Kinder und Jugendliche zu bekämpfen.
- Studien zeigen, dass die exzessive Nutzung sozialer Netzwerke bei Kindern und Jugendlichen zu Konzentrationsproblemen, sozialer Isolation und psychischen Störungen führt, was Experten wie die Psychologin Aida Bikic als nationalen Notstand betrachten.
- Die dänische Initiative „Switch off“ fordert strengere Regelungen für Tech-Unternehmen, einschließlich einer Erhöhung der Altersgrenze für soziale Netzwerke auf 15 Jahre und der Abschaltung süchtig machender Funktionen, um die Rechte und das Wohl von Kindern zu schützen.