Warum derselbe Ernährungsplan bei Frauen und Männern anders wirkt – Muskeln machen den Unterschied

Gleicher Ernährungsplan, anderer Effekt: Bei Frauen und Männern reagieren Muskeln verschieden auf Insulin – das beeinflusst Blutzucker und Gewicht.

Eine Frau und ein Mann auf dem Laufband

Eine neue Studie macht sichtbar, wie unterschiedlich weibliche und männliche Muskeln arbeiten – selbst dann, wenn Ernährung und Bedingungen gleich sind.© Pexels

Zwei Menschen essen gleich, bewegen sich ähnlich – und trotzdem entwickelt sich der Blutzucker unterschiedlich. Für viele ist das eine frustrierende Erfahrung, besonders beim Abnehmen oder dem Versuch, Diabetes vorzubeugen. Die Ursache liegt oft tiefer, als es Diätpläne oder Kalorienrechner vermuten lassen. Entscheidend ist, wie der Körper Zucker verarbeitet. Und dabei spielt der Muskel eine Schlüsselrolle.

Neue Daten zeigen: Insulin wirkt im Muskel nicht bei allen gleich. Vor allem bei Männern und Frauen laufen die inneren Prozesse unterschiedlich ab. Das erklärt, warum Diäten, Kalorienreduktion und Blutzuckerkontrolle bei manchen schneller greifen und bei anderen deutlich mehr Geduld erfordern. Die Ergebnisse stammen aus einer umfangreichen Studie von Forschern der University of Michigan und der University of Sydney, veröffentlicht im Journal of Gerontology: Biological Sciences.

Warum der Muskel über den Blutzucker entscheidet

Skelettmuskeln sind der wichtigste Speicherort für Zucker im Körper. Nach einer Mahlzeit sorgt Insulin dafür, dass Glukose aus dem Blut in die Muskelzellen gelangt. Funktioniert dieser Mechanismus gut, bleibt der Blutzucker stabil. Funktioniert er schlecht, steigt das Risiko für Insulinresistenz, Typ-2-Diabetes und langfristige Folgeerkrankungen.

Die Forscher untersuchten ältere Ratten, deren Kalorienzufuhr über acht Wochen deutlich reduziert wurde. Weniger Energie führte bei beiden Geschlechtern zu einem klaren Ergebnis: Die Muskeln nahmen Zucker besser auf, der Blutzucker ließ sich leichter kontrollieren. Doch der Weg dorthin war grundverschieden.

Gleicher Erfolg, unterschiedliche biologische Wege

Obwohl sich der Nutzen ähnelte, unterschieden sich die inneren Abläufe stark. Rund 70 Prozent der gemessenen Veränderungen im Muskel waren geschlechtsspezifisch. Weibliche Tiere reagierten besonders stark auf Insulin selbst. Ihre Muskeln zeigten viele Anpassungen genau an den Stellen, an denen Insulin seine Wirkung entfaltet.

Bei männlichen Tieren zeigte sich ein anderes Bild. Dort veränderte die Kalorienreduktion vor allem Proteine, die mit Muskelstruktur, Kraft und Stabilität zusammenhängen. Vereinfacht gesagt: Während bei Frauen die feinen Stellschrauben der Zuckeraufnahme besonders aktiv wurden, stellte sich der männliche Muskel breiter auf und baute seine Grundstruktur um.

Beide Strategien führen zum Ziel – einer besseren Blutzuckerkontrolle. Der Leiter der Studie, Gregory Cartee, fasst es so zusammen: Auch wenn das Ergebnis ähnlich aussieht, sind die Wege dorthin verschieden. Für die Forschung ist das ein klarer Hinweis, dass Männer und Frauen getrennt betrachtet werden müssen – selbst dann, wenn am Ende beide profitieren.

Warum Muskeln bei Männern und Frauen unterschiedlich auf Ernährung und Bewegung reagieren

Dass Männer und Frauen im Muskel unterschiedlich auf Insulin reagieren, ist kein Einzelfall. Auch andere Studien kommen zu ähnlichen Ergebnissen – selbst dann, wenn der Auslöser nicht Ernährung, sondern Bewegung ist.

Ein Forschungsteam von Helmholtz Munich hat untersucht, wie sich das biologische Geschlecht auf molekulare Prozesse in der Skelettmuskulatur auswirkt. Dafür analysierten die Forscher Muskelbiopsien von übergewichtigen Erwachsenen, die acht Wochen lang ein betreutes Ausdauertraining absolvierten.

Schon nach der ersten Trainingseinheit zeigten sich deutliche Unterschiede: Bei Männern reagierten die Muskelzellen mit stärkeren Stresssignalen, während bei Frauen vermehrt Proteine aktiv wurden, die an der Fettverwertung beteiligt sind. Mit regelmäßigem Training verbesserten sich bei beiden Geschlechtern der Glukose- und Fettstoffwechsel – ein Effekt, der als Schutz vor Typ-2-Diabetes gilt.

Entscheidend ist jedoch: Auch hier führten unterschiedliche biologische Strategien zum gleichen gesundheitlichen Nutzen.

Was das für den Alltag heißt

  • Dieselbe Ernährung wirkt nicht bei allen gleich.
    Zwei Menschen essen gleich viel und ähnlich ausgewogen. Trotzdem kann der Blutzucker unterschiedlich reagieren, weil der Muskel verschieden auf Insulin anspricht.
  • Frauen und Männer erreichen dasselbe Ziel auf unterschiedlichen Wegen.
    Beide können ihren Blutzucker verbessern. Doch was bei Frauen schnell Wirkung zeigt, braucht bei Männern oft zusätzliche Reize – etwa mehr Bewegung oder längere Anpassungsphasen.
  • Warum Abnehmen für manche leichter fällt.
    Wenn Muskeln Zucker gut aufnehmen, bleibt weniger davon im Blut. Das beeinflusst, wie viel Fett gespeichert wird und wie leicht Gewicht reduziert werden kann.
  • Standard-Diäten verlieren an Aussagekraft.
    Pauschale Regeln wie „weniger essen reicht“ greifen zu kurz. Der Stoffwechsel reagiert individuell, und genau das erklärt viele Enttäuschungen mit klassischen Diätkonzepten.
  • Langfristige Bedeutung für die Gesundheit im Alter.
    Eine gute Insulinwirkung schützt vor Typ-2-Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und dem altersbedingten Verlust von Muskelmasse.

Schlüsselproteine im Muskel bestimmen die Insulinwirkung

Besonders aufmerksam wurden die Forscher bei zwei Eiweißen im Muskel: Ehbp1l1 und Lmod1. Beide stehen in direktem Zusammenhang mit der Zuckeraufnahme in Muskelzellen. Ehbp1l1 war bei beiden Geschlechtern aktiv, zeigte aber nur bei weiblichen Tieren einen engen Zusammenhang mit der verbesserten Zuckeraufnahme. Lmod1 hingegen spielte bei beiden Geschlechtern eine Rolle.

Das ist mehr als ein Laborbefund. Beide Proteine sind auch beim Menschen genetisch mit Blutzuckerwerten und dem Risiko für Typ-2-Diabetes verknüpft. Die Studie liefert damit einen wichtigen Baustein, um zu verstehen, warum Stoffwechselerkrankungen individuell verlaufen.

Kurz zusammengefasst:

  • Der Muskel ist der wichtigste Zucker-Abnehmer im Körper: Nach dem Essen gelangt der meiste Zucker aus dem Blut in die Muskeln. Wie gut sie auf Insulin reagieren, entscheidet darüber, ob der Blutzucker stabil bleibt oder ansteigt.
  • Frauen und Männer erreichen das gleiche Ziel auf unterschiedlichen Wegen: Beide können ihren Blutzucker durch Ernährung verbessern, doch der Muskel arbeitet dabei anders – bei Frauen reagiert er stärker auf Insulin, bei Männern verändert er sich eher in Aufbau und Funktion.
  • Darum wirken Diäten nicht bei allen gleich: Wenn Muskeln Zucker unterschiedlich aufnehmen, fällt Abnehmen manchen leichter als anderen. Pauschale Ernährungsregeln erklären diese Unterschiede nur unzureichend.

Übrigens: So wie Muskeln den Blutzucker über Insulin steuern, beeinflussen sie offenbar auch, wie schnell das Gehirn altert – Bauchfett wirkt dabei in die entgegengesetzte Richtung. Wie eng Muskelmasse, Fettverteilung und Gehirngesundheit zusammenhängen, mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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