Schlafhormon mit Risiko: Langjährige Einnahme von Melatonin kann dem Herzen schaden

Melatonin gilt als natürliches Schlafmittel. Neue Daten zeigen jedoch: Bei langfristiger Einnahme kann das Hormon das Herz belasten.

Langjährige Einnahme von Melatonin kann dem Herzen schaden

Melatonin soll für erholsame Nächte sorgen – doch neue Daten zeigen: Wer es über Jahre nimmt, setzt sein Herz womöglich unbewusst unter Druck. © Pexels

Für Millionen Menschen mit Schlafproblemen ist Melatonin längst ein fester Bestandteil des Alltags. In Apotheken, Drogerien oder Online-Shops ist es frei erhältlich, häufig ohne ärztliche Beratung. Doch neue Daten legen nahe, dass die dauerhafte Einnahme das Herz belasten könnte.

In praktischer Form als Tabletten, Tropfen oder Gummibärchen, soll nach der Einnahme von Melatonin endlich Ruhe einkehren. Das Hormon gilt als natürlich, sanft und sicher. Doch genau dieses Bild gerät ins Wanken. Zwei aktuelle Studien zeichnen ein gegensätzliches, aber aufrüttelndes Bild: Eine Meta-Analyse beschreibt positive Effekte auf Herzfunktion und Lebensqualität von Herzpatienten – während eine andere Studie der American Heart Association (AHA) erstmals auf ein erhöhtes Risiko für Herzschwäche bei Langzeitanwendern hinweist.

Melatonin: Beliebt, natürlich – und womöglich riskant für Herz bei Dauergebrauch

Die jetzt präsentierte Analyse wertete Gesundheitsdaten von mehr als 130.000 Erwachsenen mit chronischer Schlaflosigkeit aus. Das Ergebnis: Wer Melatonin über ein Jahr oder länger nutzte, entwickelte deutlich häufiger eine Herzschwäche als vergleichbare Personen, die darauf verzichteten.

Über einen Zeitraum von fünf Jahren zeigte sich:

  • Das Risiko für Herzinsuffizienz war fast doppelt so hoch.
  • Krankenhausaufenthalte wegen Herzproblemen traten dreieinhalbmal häufiger auf.
  • Auch die Sterblichkeit war in der Melatonin-Gruppe erhöht.

„Melatonin-Präparate gelten weithin als sicher und natürlich. Umso bemerkenswerter sind diese konsistenten und deutlichen Zusammenhänge“, sagte Studienautor Ekenedilichukwu Nnadi vom SUNY Downstate Medical Center in New York. Zwar könne die Studie keine direkte Ursache beweisen, betont Nnadi, doch die Daten seien ein Warnsignal: „Wenn sich dieser Zusammenhang bestätigt, müssen Ärzte ihre Empfehlungen überdenken.“

Warum Melatonin das Herz beeinflussen könnte

Melatonin ist ein Hormon, das in der Zirbeldrüse des Gehirns gebildet wird. Es steuert den Tag-Nacht-Rhythmus und sorgt dafür, dass der Körper zur Ruhe kommt. Doch es wirkt auch an anderer Stelle: auf Blutdruck, Gefäße, Entzündungsprozesse und den Stoffwechsel. Wird dieser Rhythmus über lange Zeit künstlich verändert, könnte das Herz unter Dauerstress geraten.

Hinzu kommt, dass frei verkäufliche Präparate häufig unterschiedliche Dosierungen enthalten. Untersuchungen in den USA zeigten, dass der tatsächliche Wirkstoffgehalt einzelner Produkte stark schwanken kann – teils um mehr als 400 Prozent. Diese Inkonstanz erschwert es, verlässliche Risiken oder Nebenwirkungen einzuschätzen.

Gegenstimme aus der Forschung: Melatonin kann auch schützen

Gleichzeitig steht der Warnung eine andere Sicht gegenüber. Eine systematische Auswertung im Fachjournal Clinical Cardiology kam 2025 zu einem ganz anderen Ergebnis: In einer Meta-Analyse von vier klinischen Studien fanden Forscher Hinweise, dass Melatonin bei Patienten mit bestehender Herzschwäche sogar positive Effekte haben könnte.

Die Behandlung führte demnach zu:

  • einer leichten Verbesserung der Herzleistung (Ejektionsfraktion),
  • einer besseren Belastbarkeit nach NYHA-Klassifikation,
  • und einer spürbar höheren Lebensqualität.

Außerdem gingen Erschöpfung und NT-proBNP-Werte – ein Marker für Herzbelastung – zurück. Studienautor Abolfazl Sam Daliri schrieb: „Melatonin könnte als ergänzendes Mittel dienen, um die Lebensqualität von Herzinsuffizienzpatienten zu verbessern.“

Zwei Studien, zwei Welten

Wie kann das sein? Die Erklärung liegt in der Art der Studien. Die AHA-Auswertung basiert auf einer großen Datenbank mit zehntausenden Menschen, die Melatonin real im Alltag nutzten. Diese Beobachtungsdaten zeigen Zusammenhänge, aber keine Kausalität.

Die Meta-Analyse dagegen fasst gezielte klinische Studien zusammen – also Fälle, in denen Dosierung, Dauer und Begleittherapien genau kontrolliert wurden. Während also die eine Studie reale Risiken abbildet, untersucht die andere den möglichen therapeutischen Nutzen unter Laborbedingungen.

Das Ergebnis: Melatonin bleibt ein zweischneidiges Schwert. Kurzzeitig kann es helfen, den Schlaf zu stabilisieren. Doch bei Dauergebrauch oder zu hohen Dosen könnten unbeabsichtigte Nebenwirkungen auftreten – vor allem bei Menschen mit Herzproblemen.

Was Betroffene wissen sollten

Wer Melatonin regelmäßig einnimmt, sollte den eigenen Gebrauch kritisch hinterfragen – besonders, wenn bereits Herz-Kreislauf-Erkrankungen bestehen oder Bluthochdruck bekannt ist. Experten raten, Schlafprobleme ärztlich abklären zu lassen und alternative Wege zu prüfen.

Wichtig sind:

  • Ursachenforschung: Schlafprobleme entstehen oft durch Stress, Schichtarbeit oder hormonelle Umstellungen.
  • Ärztliche Beratung: Langzeiteinnahme sollte ärztlich überwacht werden – auch bei vermeintlich natürlichen Präparaten.
  • Dosierung beachten: Melatonin ist kein „Je mehr, desto besser“-Mittel. Kleine Mengen wirken oft ausreichend.

Die Datenlage bleibt widersprüchlich – doch genau deshalb mahnen Fachgesellschaften zur Vorsicht. Was harmlos wirkt, kann bei dauerhafter Nutzung komplexe Auswirkungen haben.

Kurz zusammengefasst:

  • Eine große Analyse der American Heart Association zeigt: Menschen, die Melatonin über ein Jahr oder länger einnehmen, haben ein deutlich höheres Risiko für Herzschwäche, Krankenhausaufenthalte und frühzeitigen Tod.
  • Das Hormon gilt zwar als natürliches Schlafmittel, beeinflusst aber auch Blutdruck, Gefäße und Entzündungsprozesse – bei Langzeiteinnahme könnte das Herz dadurch stärker belastet werden.
  • Fachleute empfehlen daher, Melatonin nur kurzfristig und nach ärztlicher Rücksprache zu verwenden, bis klar ist, wie sicher das Hormon bei dauerhafter Nutzung wirklich ist.

Übrigens: Ob jemand am nächsten Tag voller Energie ist, hängt nicht nur von der Schlafdauer ab – sondern auch davon, wann er schlafen geht. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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