Alte Nervenzellen lernen wieder – Gen-Eingriff stoppt Gedächtnisverlust im Alter

Gedächtnisverlust im Alter hängt mit einem Gen zusammen – und lässt sich durch gezielte Eingriffe rückgängig machen.

Gen-Eingriff stoppt Gedächtnisverlust im Alter

Gezielte Eingriffe in die Genregulation halfen alten Nervenzellen, die verlorene Lernfähigkeit zurückzugewinnen. © Freepik

Namen fallen einem nicht mehr ein, Erlebnisse verblassen, Alltägliches gerät durcheinander – viele verbinden das mit dem Alter. Gedächtnisverlust gilt oft als unausweichlich. Doch neue Erkenntnisse aus den USA zeigen: Das stimmt so nicht. Forscher der Virginia Tech fanden Hinweise darauf, dass sich die Vergesslichkeit im Alter gezielt beeinflussen lässt.

Im Zentrum ihrer Untersuchung steht ein Gen namens Igf2. Es hilft dem Gehirn, neue Erinnerungen abzuspeichern. Im Alter wird dieses Gen zunehmend blockiert – durch einen biochemischen Prozess, der aber umkehrbar ist.

Gen blockiert, Erinnerung gedämpft

Die Studie untersuchte Ratten im Alter von 3, 12 und 24 Monaten. Je älter die Tiere waren, desto geringer war die Aktivität des Igf2-Gens. Gleichzeitig schnitten sie bei Gedächtnistests schlechter ab.

Die Ursache lag in der sogenannten DNA-Methylierung. Dabei lagern sich kleine Moleküle an bestimmte Abschnitte der Erbinformation. So wird verhindert, dass Gene abgelesen werden. Beim Igf2-Gen betrifft das vor allem eine Schaltstelle im Promotorbereich – gewissermaßen das Startsignal für die Genaktivität.

Forscher setzen gezielt an der Ursache an

Um diesen Effekt zu beeinflussen, nutzte das Team ein Verfahren namens CRISPR-dCas9-TET1. Es ermöglicht, einzelne Stellen im Erbgut gezielt umzuprogrammieren – ohne dabei die DNA zu verändern. In diesem Fall entfernten die Forscher chemische Marker, die das Igf2-Gen blockierten.

Vier Wochen nach dem Eingriff zeigte sich ein klarer Effekt: Die zuvor blockierten Gene waren wieder aktiv. Die Tiere erinnerten sich besser an gelernte Reize. „Wir konnten zeigen, dass die gezielte Erhöhung von 5-hmC im Igf2-Promotor die Gedächtnisleistung und synaptische Plastizität im alternden Hippocampus verbessert“, so die Autoren.

Nur ältere Tiere profitieren

Das Verfahren wirkte jedoch nur bei den ältesten Tieren. Bei Ratten im mittleren Alter blieben die Genveränderungen ohne Wirkung. Das spricht dafür, dass das Gen Igf2 vor allem dann eine Rolle spielt, wenn das Gedächtnis bereits beeinträchtigt ist.

Auch auf zellulärer Ebene zeigte sich eine Veränderung: Die Signalübertragung zwischen den Nervenzellen – gemessen als Maß für Lernfähigkeit – stieg um etwa 20 Prozent. Die behandelten Tiere zeigten stabilere Verbindungen im Hippocampus, dem Zentrum für Lernen und Erinnerung.

Was genau ist Igf2?

Das Gen Igf2 wird im Körper nur von einem Elternteil vererbt und streng kontrolliert. Es ist schon lange für Wachstumsprozesse bekannt. Dass es auch für das Gedächtnis wichtig ist, wurde in früheren Studien vermutet. Injektionen des entsprechenden Proteins konnten die Lernfähigkeit verbessern. Die aktuelle Studie geht einen Schritt weiter: Statt von außen zuzuführen, wurde die eigene Genaktivität wiederhergestellt.

Die Wissenschaftler fanden heraus:

  • Nur eine von sechs untersuchten DNA-Stellen war im Alter verändert.
  • Diese einzelne Stelle reichte, um das Gen deutlich zu bremsen.
  • Nach der Umwandlung in eine aktivierende Form (5-hmC) funktionierte es wieder.
Im Labor der Virginia Tech analysieren Professor Tim Jarome und seine Studentinnen Proteinproben, um die molekularen Ursachen für altersbedingten Gedächtnisverlust zu entschlüsseln. © Marya Barlow/Virginia Tech
Im Labor der Virginia Tech analysieren Professor Tim Jarome und seine Studentinnen Proteinproben, um die molekularen Ursachen für altersbedingten Gedächtnisverlust zu entschlüsseln. © Marya Barlow/Virginia Tech

Die Studie hat klare Grenzen: Sie wurde an Ratten durchgeführt und zählt als reine Grundlagenforschung. Anwendungen beim Menschen sind noch Zukunftsmusik – zudem wurden nur männliche Tiere untersucht.

Kurz zusammengefasst:

  • Gedächtnisverlust im Alter entsteht durch mehrere molekulare Veränderungen im Gehirn, die sich gezielt beeinflussen lassen.
  • Forscher der Virginia Tech konnten bei alten Ratten durch Gen-Editierung sowohl einen gestörten Eiweiß-Markierungsprozess als auch ein stillgelegtes Gedächtnis-Gen korrigieren.
  • Der Zeitpunkt der Behandlung ist entscheidend: Erst wenn erste Ausfälle auftreten, zeigen Eingriffe eine spürbare Wirkung.

Übrigens: Dass Stress auf den Magen schlägt, ist mehr als ein Gefühl – Kölner Forscher haben nun Nervenzellen im Gehirn entdeckt, die Angst blockieren und den Appetit zurückbringen. Das Hormon Leptin spielt dabei eine überraschende Doppelrolle. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Freepik

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