Berliner Forscher entdecken: Bluthochdruck und Diabetes lassen das Gehirn schneller altern

Eine Studie mit über 56.000 Gehirnscans zeigt: Bluthochdruck und Diabetes beschleunigen die biologische Alterung des Gehirns messbar.

Bluthochdruck und Diabetes lassen das Gehirn schneller altern

Der „Brain Age Gap“ zeigt, wie alt ein Gehirn biologisch wirklich ist – im Vergleich zum Lebensalter. © Philippe Jawinski

Ein gesundes Gehirn ist die wichtigste Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben im Alter. Doch nicht bei allen Menschen altert es gleich schnell. Manche verlieren früher an Gedächtnisleistung oder Konzentration, andere bleiben geistig erstaunlich fit – selbst jenseits der 80. Eine neue Studie aus Berlin liefert nun Hinweise darauf, warum das so ist. Und sie zeigt: Jeder kann etwas dafür tun, damit das eigene Gehirn biologisch jünger bleibt.

Forscher de Berliner Humboldt-Universität haben die Gehirne von mehr als 56.000 Menschen untersucht und dabei das sogenannte biologische Hirnalter berechnet – also, wie alt ein Gehirn tatsächlich ist, unabhängig vom Geburtsdatum. Dabei fiel auf: Der Unterschied zwischen Kalender- und Hirnalter kann mehrere Jahre betragen. Entscheidend sind nicht nur die Gene, sondern auch Blutdruck, Stoffwechsel, Lebensstil und soziale Faktoren.

Gene liefern die Basis – Alltag bestimmt das Tempo

Das internationale Forschungsteam unter Leitung von Dr. Philippe Jawinski und Prof. Sebastian Markett analysierte MRT-Aufnahmen aus der britischen UK Biobank, einer der größten Datensammlungen weltweit. Mithilfe von Künstlicher Intelligenz berechneten sie, wie stark sich das Gehirn strukturell vom Durchschnitt seines Alters unterscheidet – eine Methode, die als „Brain Age Gap“ bekannt ist.

Der „Brain Age Gap“ zeigt an, ob ein Gehirn älter oder jünger wirkt als erwartet. Die Forscher identifizierten 59 Genregionen, die das biologische Altern des Gehirns mitbestimmen – darunter bekannte Alzheimer-Gene wie MAPT und APOE. Doch die Erbanlagen allein erklären nur rund ein Viertel der Unterschiede.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass die genetischen Grundlagen der Gehirnalterung eng mit gesundheitlichen, verhaltensbezogenen und sozialen Faktoren verknüpft sind“, sagt Jawinski. Wer etwa hohen Blutdruck oder Diabetes hat, beschleunigt die Alterung seines Gehirns – auch auf genetischer Ebene.

Bluthochdruck und Diabetes wirken direkt aufs Gehirn

Besonders klar fällt der Zusammenhang beim Blutdruck aus. Die Daten belegen: Je höher die Werte, desto älter erscheint das Gehirn – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Bildung. Bei Typ-2-Diabetes ist der Effekt ähnlich stark.

Die Forscher nutzten eine Methode, die Kausalität nachweisen kann. Ihr Fazit: Bluthochdruck und Diabetes verursachen tatsächlich eine beschleunigte Gehirn Alterung. „Indem wir Risikofaktoren wie Bluthochdruck kontrollieren, können wir aktiv zu einem gesunden Altern des Gehirns beitragen – und so unsere geistige Fitness bis ins Alter fördern“, sagt Jawinski.

Daneben spielen weitere Einflüsse eine Rolle. Wer raucht, regelmäßig Alkohol trinkt oder psychisch instabil ist, hat häufiger ein biologisch älteres Gehirn. Auch das Einkommen zeigte einen messbaren Effekt: Menschen mit niedrigerem Einkommen zeigten häufiger ein schneller alterndes Gehirn.

Diese Faktoren begünstigen eine beschleunigte Gehirn-Alterung:

  • Hoher Blutdruck (Hypertonie)
  • Typ-2-Diabetes
  • Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum
  • Psychische Belastung oder depressive Verstimmung
  • Sozioökonomische Belastung, etwa geringes Einkommen

Gehirn-Alterung ist messbar – und Prävention möglich

Das Forschungsteam sieht darin eine Chance für die Medizin. „Das Maß des sogenannten Brain Age Gap erlaubt uns, die biologische Alterung des Gehirns zu bestimmen. Damit können wir künftig Menschen identifizieren, die ein erhöhtes Risiko für Demenz oder andere Erkrankungen haben – und rechtzeitig präventiv handeln“, so Markett.

Mit anderen Worten: Wenn Ärzte wissen, dass das Gehirn eines Patienten schneller altert, können sie gezielter vorbeugen – etwa durch engmaschige Blutdruckkontrollen oder Schulungen zum Umgang mit Diabetes. Auch Lebensstiländerungen zeigen Wirkung. Wer sein Gehirn jung halten möchte, sollte auf einige einfache Dinge achten: den Blutdruck regelmäßig kontrollieren und behandeln lassen, die Zuckerwerte im Blick behalten und Bewegung fest in den Alltag einbauen. Auch der Verzicht auf Alkohol und Nikotin schützt die grauen Zellen. Ebenso wichtig ist geistige Aktivität – etwa durch Lesen, anregende Gespräche oder das Lernen neuer Inhalte.

Kurz zusammengefasst:

  • Bluthochdruck und Typ-2-Diabetes beschleunigen messbar die biologische Alterung des Gehirns. Das belegen genetische Analysen mit über 56.000 MRT-Aufnahmen.
  • Gene spielen nur zu etwa einem Viertel eine Rolle. Entscheidend sind auch Blutdruck, Stoffwechsel, Lebensstil und soziale Faktoren wie Einkommen.
  • Wer Risikofaktoren kontrolliert, kann sein Gehirn länger jung halten. Bewegung, gesunde Ernährung und geistige Aktivität wirken wie Schutzfaktoren für die grauen Zellen.

Übrigens: Nachts denkt das Gehirn anders – und oft unvernünftiger. Forscher erklären, warum wir nach Mitternacht impulsiver handeln und Gefühle die Kontrolle übernehmen – mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Philippe Jawinski

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