Schon das Zuschauen reicht – Mobbing stresst das Gehirn messbar

Bereits die Anwesenheit bei Mobbing kann das Gehirn alarmieren. Eine Studie zeigt, wie stark Stressreaktionen selbst Unbeteiligte belasten.

Mobbing stresst das Gehirn – selbst beim Zuschauen

Selbst das bloße Zuschauen bei Mobbing versetzt das Gehirn in Alarmbereitschaft. Die Studie zeigt, dass auch Unbeteiligte messbar unter Stress geraten. © Pexels

Ein spitzer Kommentar im Klassenchat, ein abfälliger Blick im Büro, eine beleidigende Nachricht auf Social Media – Mobbing zeigt sich oft unterschwellig. Aber selbst wer nur zusieht, bleibt nicht unberührt: Der Körper reagiert, lange bevor Betroffene sich wehren können oder Beobachter eingreifen. Das zeigt eine neue Untersuchung der finnischen Universität Turku. Schon wenige Sekunden reichen, um messbare Stressreaktionen im Gehirn auszulösen – mit Auswirkungen auf die Gesundheit und das soziale Miteinander.

So lief das Experiment ab

Das Forschungsteam wollte herausfinden, wie schnell Mobbing auf das Gehirn wirkt – und wie tief die Reaktion reicht. Dafür wurden die Stressantworten von 155 Personen analysiert:

  • 51 Jugendliche im Alter von 11 bis 14 Jahren
  • 47 Erwachsene im MRT
  • 57 Erwachsene im Eye-Tracking-Labor

Alle Teilnehmer sahen kurze Videos aus der Ich-Perspektive – entweder mit Mobbing-Szenen oder mit positiven sozialen Begegnungen. Gleichzeitig maßen die Forscher Hirnaktivität, Aufmerksamkeit und körperliche Stresssignale.

Stressreaktion setzt nach Sekunden ein

Schon wenige Sekunden genügten, um deutliche Stressreaktionen auszulösen. Die Videos mit Mobbing aktivierten Hirnareale, die für Gefühle, Bedrohungswahrnehmung und Aufmerksamkeit zuständig sind. Das Nervensystem sprang sofort in den Alarmzustand.

Bemerkenswert: Jugendliche und Erwachsene reagierten ähnlich – unabhängig vom Alter. Besonders sensibel reagierten Menschen, die selbst Mobbing erlebt hatten. Ihre Aufmerksamkeit richtete sich sofort auf die belastenden Szenen, die Pupillen weiteten sich, das Gehirn meldete früher Gefahr.

Körperliche Folgen sind messbar

Die Alarmreaktionen betrafen nicht nur das Gehirn. Auch körperlich setzten sofortige Stressreaktionen ein: Puls und Blutdruck stiegen, Stresshormone wurden ausgeschüttet.

Dauert dieser Zustand an, kann er auf Dauer krank machen. Fachleute sehen ein erhöhtes Risiko für:

  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Schlafstörungen
  • Stressbedingte Beschwerden wie Kopfschmerzen oder Verdauungsprobleme

Auch Zuschauer spüren den Druck

Nicht nur die direkt Betroffenen reagieren. Auch das bloße Zuschauen kann das Gehirn unter Spannung setzen. Wer regelmäßig Mobbing miterlebt – in der Schule, im Job oder im Netz – lebt mit einer ständigen Grundanspannung.

Die Folgen reichen von Ängsten über depressive Verstimmungen bis hin zu Überforderung im Alltag. Die seelische Belastung trifft Zuschauer ähnlich wie Betroffene.

„Wir haben die Stresspfade im Gehirn kartiert, die bei Mobbing sofort aktiviert werden können, und gezeigt, dass ein anhaltender Alarmzustand sowohl die psychische als auch die körperliche Gesundheit gefährdet – durch die gesteigerte Aktivität des autonomen Nervensystems“, erklärt Studienleiter Lauri Nummenmaa.

Mobbing vergiftet Klima in Schule, Job und Netz – und gefährdet die Gesundheit

Die Ergebnisse aus Finnland zeigen: Wer Mobbing miterlebt, trägt ebenfalls ein gesundheitliches Risiko – selbst dann, wenn er nicht direkt betroffen ist. In Schulklassen kann ein Klima der Angst entstehen, das Lernatmosphäre und Zusammenhalt untergräbt. In Unternehmen führt die Duldung von Ausgrenzung schnell zu Spannungen, sinkender Motivation und erhöhter Belastung der Beschäftigten. Und auch digitale Räume bleiben nicht verschont: Wer in sozialen Netzwerken immer wieder mit Anfeindungen konfrontiert wird, lebt unter dauerhaftem Stress.

Damit wird Mobbing zu einem Problem, das sowohl die psychische als auch die körperliche Gesundheit ganzer Gruppen beeinträchtigt und nicht nur die Opfer, sondern auch das Umfeld in Mitleidenschaft zieht.

Kurz zusammengefasst:

  • Mobbing löst im Gehirn sofort Alarm aus – selbst bei Außenstehenden, die nur zusehen; das Nervensystem reagiert mit Stress, der sowohl psychisch als auch körperlich belastet.
  • Frühere Mobbing-Erfahrungen verstärken diese Reaktion: Betroffene zeigen schnellere, intensivere Stresssymptome – das Risiko für Ängste, Depressionen und körperliche Beschwerden steigt.
  • Auch das soziale Umfeld leidet mit: Wiederholte Beobachtung von Mobbing kann ganze Gruppen psychisch belasten und das Klima in Schulen, Büros oder Online-Räumen vergiften.

Übrigens: Algorithmen sollen Kinder im Netz schützen – doch die KI scheitert oft an ihrer Sprache. Viele Beleidigungen und Mobbing-Codes bleiben unbemerkt, weil selbst modernste Systeme den Slang der Jugendlichen nicht verstehen. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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