Katzen verändern unser Gehirn – Nähe und Vertrauen sind keine Einbildung
Katzen beeinflussen mehr als unsere Stimmung: Durch Oxytocin stärken sie Nähe und Vertrauen – und wirken direkt auf unser Gehirn.

Die eine liebt es einfach, zu schmusen, während die andere lieber auf Abstand bleibt: Katzen haben alle ihre eigene Persönlichkeit, was sich im Zusammenleben mit ihnen zeigt. © Unsplash
Wer eine Katze zu Hause hat, kennt das Gefühl: Ein sanftes Schnurren, ein langsames Blinzeln oder ein vorsichtiges Anstupsen – und plötzlich wird der Stress des Tages leichter. Was lange nur als subjektive Erfahrung galt, wird inzwischen durch wissenschaftliche Studien bestätigt. Der Kontakt zwischen Mensch und Tier löst messbare Veränderungen im Gehirn aus. Im Mittelpunkt steht ein Hormon, das für Vertrauen, Nähe und Beruhigung sorgt: Oxytocin.
Forscher bezeichnen es auch als „Kuschelhormon“. Es wirkt, wenn Eltern ihr Kind im Arm halten oder wenn Freunde sich umarmen. Dass auch Katzen in diese Wirkungskette eingreifen, hat erst die Forschung der vergangenen Jahre gezeigt – und damit die gängige Vorstellung ins Wanken gebracht, mit Katzen lasse sich nur schwer eine Bindung aufbauen.
Das Hormon, das Stress bremst
Oxytocin stärkt soziale Bindungen, reguliert Gefühle und senkt Stress. Es dämpft das Hormon Cortisol und aktiviert das „Ruhe-und-Verdauungssystem“ des Körpers. Blutdruck und Puls sinken, der Organismus schaltet von Alarmbereitschaft auf Entspannung um.
Schon 2002 belegte eine Studie, dass sanfter Kontakt mit Katzen diesen Effekt auslöst. Beim Streicheln oder beim Hören des vertrauten Schnurrens steigen die Oxytocinwerte im Körper, während das Stressniveau sinkt. Viele Halter kennen dieses Gefühl: Mit einer Katze auf dem Schoß fällt es leichter, loszulassen.
Oxytocin erklärt die besondere Bindung zwischen Katze und Mensch
Lange konzentrierte sich die Wissenschaft vor allem auf Hunde, die seit der Domestizierung vor über 15.000 Jahren eng an der Seite des Menschen leben. Dass nicht nur Herrchen oder Frauchen beim Spielen oder Kuscheln Oxytocin ausschütten, sondern auch die Vierbeiner selbst, war schon länger bekannt. Doch erst in den letzten Jahren begannen Forscher, genauer auf Katzen zu schauen.
Eine 2021 veröffentlichte Untersuchung in Japan zeigte, dass schon kurze Streicheleinheiten mit der Katze den Oxytocinspiegel im Speichel der Halter messbar erhöhen. Die Forscher beobachteten, dass das sanfte Streicheln oder das leise Reden mit dem Tier deutliche Auswirkungen auf das Stressniveau hatte.
„Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Bindung zwischen Mensch und Katze ähnlich stark von Oxytocin geprägt ist wie andere enge soziale Beziehungen“, erklärt Laura Elin Pigott laut The Conversation.
Unterschiedliche Bindungstypen
Eine weitere Studie aus China von Februar 2025 brachte mehr Details ans Licht. Forscher untersuchten 15 Minuten lang das Zusammenspiel von Haltern und ihren Katzen zu Hause. Dabei bestimmten sie die Hormonwerte und ordneten die Tiere in drei Gruppen ein:
- Sicher gebundene Katzen suchten aktiv Nähe, etwa durch Schoßsitzen oder Anstupsen. Bei ihnen stiegen die Oxytocinwerte ebenso wie bei ihren Besitzern. Je enger der Kontakt, desto deutlicher war der Effekt.
- Vermeidende Katzen hielten lieber Abstand und reagierten kaum hormonell. Wurde ihnen Nähe aufgezwungen, sank das Oxytocin sogar.
- Ängstliche Katzen suchten zwar oft Kontakt, waren aber schnell überfordert. Bei ihnen lagen die Oxytocinwerte bereits zu Beginn hoch, nahmen bei zu viel Zuwendung aber ab.
Für Halter bedeutet das: Nicht jede Katze reagiert gleich. Entscheidend ist, die Grenzen des Tieres zu respektieren. Zwanghafte Nähe kann die hormonelle Bindung sogar stören.
Wie Katzen Vertrauen zeigen
Während Hunde ihre Zuneigung lautstark zeigen, kommunizieren Katzen subtiler. Das wohl bekannteste Signal ist das langsame Blinzeln. Damit signalisiert die Katze, dass sie sich sicher fühlt und dem Menschen vertraut.
Auch das Schnurren ist mehr als ein Wohlfühlgeräusch. Studien deuten darauf hin, dass die tiefen Vibrationen nicht nur Katzen beruhigen, sondern auch Menschen. Herzfrequenz und Blutdruck sinken, Stress wird abgebaut – vermittelt über den Anstieg von Oxytocin.
Schutzschild für die Psyche
Die kleinen Oxytocin-Schübe, die Katzen im Alltag auslösen, haben eine große Wirkung. Sie wirken wie ein Puffer gegen psychische Belastungen. Wer regelmäßig mit seiner Katze interagiert, kann Ängste besser bewältigen und depressive Verstimmungen lindern.
Besonders für Menschen, die allein leben oder starkem Stress ausgesetzt sind, kann die Nähe einer Katze einen Teil der sozialen Unterstützung ersetzen, die sonst enge menschliche Beziehungen bieten. Dabei senkt Oxytocin den Cortisolspiegel, beruhigt Körper und Geist, lässt Blutdruck und Herzfrequenz messbar sinken, stärkt Vertrauen, lindert Angstgefühle und wirkt sich sogar positiv auf das Schmerzempfinden aus.
Warum Geduld sich lohnt
Das Vertrauen einer Katze gibt es nicht sofort. Es muss Schritt für Schritt wachsen – und genau darin liegt für viele Halter der besondere Reiz. Wer die feinen Signale versteht und die Individualität seiner Katze respektiert, erlebt sie, die verbindende Augenblicke: ein bewusstes Blinzeln, ein leises Schnurren, eine Katze, die sich freiwillig auf den Schoß legt.
All diese Gesten sind mehr als nur Alltagsmomente. Sie verändern unser Gehirn, stärken Vertrauen, senken Stress und bringen Ruhe. Oder wie es Pigott formuliert:
Katzen haben ihren eigenen Weg gefunden, das uralte Bindungssystem von Mensch und Tier zu aktivieren.
Kurz zusammengefasst:
- Katzen zu halten verändert die Gehirnchemie von Mensch und Tier: Oxytocin stärkt Bindung und Vertrauen und senkt zugleich Stress auf beiden Seiten.
- Zahlreiche Studien belegen, dass freundlicher Körperkontakt und sanftes Streicheln die Oxytocin-Ausschüttung erhöhen; Schnurren beruhigt sowohl Mensch als auch Katze.
- Für den Alltag gilt: Den Bindungsstil der Katze respektieren und erzwungenes Kuscheln vermeiden, langsames Blinzeln zeigt Sicherheit und Vertrauen.
Übrigens: Katzen besitzen eine Vielzahl an besonderen Fähigkeiten, die man ihnen gar nicht zutraut – wie etwa ein rudimentäres Verständnis von Physik. Mehr dazu in unserem Artikel.
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