L-Theanin gegen Angst: Was die Aminosäure aus Tee wirklich im Gehirn bewirkt
L-Theanin aus Tee wirkt beruhigend auf das Gehirn. Studien zeigen mögliche Effekte bei Angst, Stress und Schlafqualität.

Grüner Tee liefert L-Theanin – der Wirkstoff kann Alphawellen im Gehirn verstärken und so Konzentration und innere Ruhe fördern. © Pexels
Die Aminosäure L-Theanin steckt in jedem Tee – ob grün, schwarz oder Matcha. Schon seit Jahrzehnten wird sie mit beruhigenden Effekten in Verbindung gebracht. Heute gibt es L-Theanin als Nahrungsergänzungsmittel, das Stress lindern, die Konzentration fördern und den Schlaf verbessern soll. Aktuell prüfen Forscher vor allem, ob L-Theanin auch bei Angst eine Rolle spielt.
Noch steckt die Wissenschaft in den Anfängen. „Die Forschung ist begrenzt, die Studien sind klein und die Ergebnisse sind gemischt“, sagt Crystal Haskell-Ramsay von der Northumbria University in Großbritannien laut New Scientist. Einzelne Untersuchungen weisen aber darauf hin, dass L-Theanin den Blutdruck während anspruchsvoller Aufgaben senken kann. Außerdem gibt es Hinweise, dass die Substanz in Stresssituationen die Herzfrequenz und Ausschüttung des Stresshormons Cortisol reduziert.
L-Theanin verstärkt Alphawellen und hilft beim Abschalten
Aufgenommen über den Darm gelangt L-Theanin ins Blut und weiter ins Gehirn. Dort ähnelt es in seiner Struktur den Botenstoffen Glutamat und GABA. Beide steuern die Signalweiterleitung im Nervensystem. Tierexperimente deuten darauf hin, dass L-Theanin auch die Konzentration von Dopamin und Serotonin erhöhen kann. Diese Stoffe sind entscheidend für Stimmung, Motivation und Belohnung.
Besonders spannend ist die Wirkung auf die Gehirnströme. L-Theanin verstärkt die sogenannten Alphawellen, die mit einem Zustand ruhiger Wachheit verbunden sind. „Wenn man die Augen schließt, geht Alpha sofort hoch“, erklärt Manuel Gomez-Ramirez von der University of Rochester. Mehr Alphawellen können dabei helfen, störende Reize auszublenden und die Aufmerksamkeit zu bündeln. In Kombination mit Koffein zeigt sich dieser Effekt noch deutlicher.
L-Theanin und Angst: Warum Betroffene stärker reagieren
Gerade Menschen mit Angststörungen scheinen besonders auf L-Theanin zu reagieren. Studien an Ratten, die unter Stress standen, zeigten veränderte Spiegel von Dopamin und Serotonin in bestimmten Hirnregionen. Gleichzeitig traten weniger depressionsähnliche Symptome auf. In Untersuchungen am Menschen sind die Ergebnisse jedoch uneinheitlich. Manche Studien berichten von sinkenden Stress- und Angstsymptomen, andere konnten keinen Effekt feststellen.
Falls L-Theanin tatsächlich Ängste lindert, könnte das den positiven Einfluss auf den Schlaf erklären. In einer Analyse schliefen Menschen schneller ein und berichteten von besserer Schlafqualität. Hier gilt allerdings wie bei anderen Effekten: Viele Studien arbeiten mit kleinen Teilnehmerzahlen und kurzen Beobachtungszeiträumen.
Wie viel L-Theanin steckt in einer Tasse Tee?
Je nach Sorte enthält eine Tasse Tee etwa 5 bis 40 Milligramm L-Theanin. Damit dürften die beruhigenden Effekte zwar vorhanden, aber eher mild ausfallen. In den meisten klinischen Studien kamen Dosierungen von rund 200 Milligramm zum Einsatz – eine Menge, die in der Regel nur über Kapseln oder Pulver erreicht wird.
Die bisherigen Studien konzentrieren sich meist auf Einzeldosen oder wenige Wochen Einnahme. „Es ist vielversprechend, aber wir brauchen einfach mehr Arbeit in diesem Bereich“, sagt Amanda Bulman von der University of Canberra. Ein weiteres Problem: Viele Untersuchungen kombinieren L-Theanin mit anderen Substanzen wie Koffein oder Vitaminen. „Es ist unmöglich zu sagen, welche dieser Substanzen den Effekt wirklich verursacht“, so Haskell-Ramsay.
Noch fehlen Daten zur Sicherheit, wenn Menschen L-Theanin über Monate oder Jahre täglich einnehmen. „Die Leute nehmen es oft langfristig, aber wir haben keine Daten dazu“, warnt Haskell-Ramsay. Für klare Empfehlungen reicht der aktuelle Stand der Forschung also nicht aus.
Kurz zusammengefasst:
- L-Theanin ist eine Aminosäure aus Tee, die im Gehirn Botenstoffe wie Dopamin, Serotonin und GABA beeinflussen und Alphawellen verstärken kann.
- Erste Studien deuten an, dass es Blutdruck und Stresshormone senkt und besonders bei Angst und Schlafproblemen wirksam sein könnte.
- Die Datenlage ist noch unsicher, da viele Untersuchungen klein und kurz sind und oft Kombinationen mit anderen Substanzen getestet wurden.
Übrigens: Schon zwei Tassen Tee oder ein Stück dunkle Schokolade liefern wertvolle Flavonoide, die Herz und Stoffwechsel stärken. Mehr dazu in unserem Artikel.
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