Böden am Limit – Lebensmittelverschwendung verschlingt Fläche so groß wie Russland
Landwirtschaftliche Flächen verlieren ihre Fruchtbarkeit, zugleich verdirbt Nahrung im Wert von 1 Billion Dollar. Experten suchen nach Lösungen.

Ausgelaugte Böden bedeuten weniger Erträge – und damit weniger Nahrung für uns alle. © Unsplash
Wie lange können Böden noch das leisten, was wir von ihnen erwarten? Felder sichern unsere Ernährung, doch diese Grundlagen geraten ins Wanken. Ein Drittel aller produzierten Lebensmittel landet ungenutzt im Müll, während die Böden durch Übernutzung ihre Fruchtbarkeit verlieren. Schon jetzt beansprucht die Landwirtschaft 34 Prozent der eisfreien Erdoberfläche. Wenn sich nichts ändert, steigt dieser Anteil bis 2050 auf 42 Prozent. Ein internationales Forschungsteam warnt aufgrund ihrer Ergebnisse, dass Landdegradation nicht nur Umwelt und Klima trifft, sondern auch die Grundlagen von Ernährung, Gesundheit und gesellschaftlicher Stabilität.
Landwirtschaft frisst Ressourcen
Die Landwirtschaft ist Haupttreiber vieler Umweltprobleme:
- 21 Prozent der weltweiten Treibhausgase stammen aus Nahrungsmittelsystemen.
- 80 Prozent der globalen Abholzung gehen auf ihr Konto.
- 70 Prozent des Süßwassers fließen in Äcker, Felder und Viehhaltung.
Gleichzeitig wächst die Bevölkerung: Über acht Milliarden Menschen leben heute auf der Erde, bis 2050 müssen 35 bis 56 Prozent mehr Nahrung produziert werden. Schon jetzt entspricht die Verschwendung von Lebensmitteln 1,4 Milliarden Hektar Land – eine Fläche fast so groß wie Russland (17,1 Millionen Quadratkilometer). Der ökonomische Schaden liegt bei rund einer Billion US-Dollar jährlich.

Die Karte basiert auf UNCCD-Daten. Die Daten zur Landdegradation wurden durch die Kombination von drei Indikatoren gewonnen (Landnutzungsänderungen, Veränderungen der terrestrischen Produktivität und organischer Bodenkohlenstoff). © Studie
Lebensmittelverschwendung radikal verringern
Um den Druck zu mindern, schlagen Wissenschaftler klare Ziele vor: Die Lebensmittelverschwendung soll bis 2050 um 75 Prozent sinken. Das würde 13,42 Millionen Quadratkilometer Land, mehr als die Fläche Afrikas, freisetzen und 102 Gigatonnen CO2 vermeiden. Zusätzlich könnte so ein Teil der jährlich benötigten 278 Milliarden US-Dollar mobilisiert werden, die laut UN für die Bekämpfung der Landdegradation fehlen. Die Studienautoren warnen eindringlich:
Wir sind an einem Punkt, an dem die Art, wie wir mit Land und Nahrung umgehen, über die Zukunft entscheidet.
Spanien hat bereits einen neuen Weg eingeschlagen: Dort verpflichtet ein Gesetz von 2025 Supermärkte, überschüssige Lebensmittel zu spenden oder reduziert zu verkaufen. Ähnliche Vorgaben könnten auch anderswo den Wandel beschleunigen.
Böden wieder fruchtbar machen
Auch die Wiederherstellung degradierter Flächen spielt eine Schlüsselrolle. Vorgesehen ist, bis 2050 die Hälfte aller geschädigten Agrarflächen durch nachhaltige Methoden zurückzugewinnen. Das würde 3,06 Millionen Quadratkilometer Land sichern – eine Fläche, fast so groß wie Indien – und 21,73 Gigatonnen CO2 einsparen.
Klein- und Familienbetriebe sind dabei unverzichtbar. 90 Prozent aller Höfe weltweit sind kleiner als zwei Hektar, 84 Prozent werden von Familien bewirtschaftet. Sie produzieren bis zu 80 Prozent der Nahrungsmittel und setzen oft auf umweltschonende Methoden, die an lokale Bedingungen angepasst sind.
Ernährung umstellen – Fleisch reduzieren, Meeresnahrung stärken
Eine zweite Stellschraube betrifft unsere Ernährung. Der Vorschlag: 70 Prozent weniger rotes Fleisch und stattdessen mehr Fisch, stattdessen lieber Ersatzprodukte oder Meeresfrüchte und Algen. Ein solcher Wandel würde 17,5 Millionen Quadratkilometer Land sparen (zum Vergleich: Südamerika ist 17,8 Millionen Quadratkilometer groß) und 145 Gigatonnen CO2 vermeiden.

Die Prognosen vergleichen drei Szenarien: Business as usual (keine Änderungen, steigende Landdegradation), Rio (Pariser Abkommen, 30 Prozent Schutzgebiete, 30 Prozent Wiederherstellung, 50 Prozent weniger Lebensmittelabfälle bis 2030) und Rio+ (75 Prozent weniger Abfälle, 50 Prozent Wiederherstellung, Ernährungswandel mit weniger Fleisch und mehr Algen). © Studie
Besonders Algen könnten hier eine Schlüsselrolle übernehmen. 650 Millionen Hektar Ozean eignen sich für ihre Zucht. Damit ließen sich 6,5 Milliarden Tonnen Biomasse erzeugen – als Nahrung, Futtermittel und Energiequelle. Algen sind nährstoffreich, benötigen kaum Süßwasser und verbessern die Klimabilanz deutlich.
Nachhaltige Aquakultur fördern
Ein Lösungskonzept ist „regenerative Aquakultur“, also eine Fisch- und Algenzucht mit ökologischer Verantwortung. Definiert wird sie als „gewerbliche oder subsistenzorientierte Aquakultur, die sich auf soziale, wirtschaftliche und ökologische Verantwortung und Stabilität konzentriert, mit minimalem externem Input und minimalen Auswirkungen auf die Umwelt“.
Diese Form der Aquakultur verzichtet auf übermäßige Chemie und schont die Meere. Sie könnte nicht nur die Ernährung sichern, sondern auch, besonders in Küstenregionen ärmerer Länder, neue Arbeitsplätze schaffen.
Alltagstipps: So kann jeder Lebensmittelverschwendung und Bodenverlust verringern
- Lebensmittelabfälle vermeiden: Einkäufe besser planen, Reste verwerten, abgelaufene Lebensmittel prüfen, bevor sie weggeworfen werden
- Saisonal und regional essen: Das entlastet Böden und spart Transportwege, Wasser und CO2.
- Fleischkonsum reduzieren: Schon kleine Schritte wie ein bis zwei fleischfreie Tage pro Woche senken den Flächen- und Wasserverbrauch deutlich.
- Algen, Hülsenfrüchte und Fisch einbauen: Sie gelten als nachhaltigere Proteinquellen und schonen Flächen und Ressourcen.
- Nachhaltige Produkte bevorzugen: Bio-Lebensmittel, zertifizierter Fisch oder Produkte mit Umweltlabel fördern Betriebe, die Böden schützen.
- Richtig lagern: Wer Lebensmittel passend lagert (z. B. Obst und Gemüse nicht alles im Kühlschrank), verlängert ihre Haltbarkeit.
- Initiativen unterstützen: Foodsharing, Tafeln
Gemeinsam handeln – von Politik bis Konsument
Wird an allen Hebeln gleichzeitig angesetzt, entsteht ein gewaltiges Potenzial:
- Die Landdegradation könnte bis 2050 um 54 Prozent sinken.
- Der weltweite Flächenbedarf für Nahrung würde um 56 Prozent schrumpfen.
Politische Maßnahmen, faire Marktbedingungen und Transparenz im Handel sind dabei genauso wichtig wie bewusste Kaufentscheidungen. Kampagnen wie „Zu gut für die Tonne“ in Deutschland haben bereits gezeigt, dass Verbraucher ihr Verhalten ändern können.
Kurz zusammengefasst:
- Landwirtschaft beansprucht schon 34 Prozent der eisfreien Erdoberfläche, verschlingt Wasser, verursacht Abholzung und treibt Treibhausgase in die Höhe.
- Jährlich gehen Lebensmittel im Wert von rund 1 Billion US-Dollar verloren, während Böden durch Übernutzung ihre Fruchtbarkeit verlieren.
- Forscher schlagen vor, Lebensmittelverschwendung um 75 Prozent zu senken, degradierte Flächen zur Hälfte wiederherzustellen und den Fleischkonsum stark zu reduzieren.
Übrigens: Zum Zweck der landwirtschaftlichen Nutzung werden großflächig Wälder abgeholzt, dies öffnet auch Krankheitserregern neue Wege. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Unsplash