Kraftverlust im Alter: Forscher haben einen Weg gefunden, Muskelschwund zu stoppen
Muskelstammzellen regenerieren im Alter schlechter. Forscher testen, wie sich die Reparaturfähigkeit gezielt wieder aktivieren lässt.

Im Muskel sorgen Stammzellen für die Reparatur nach Verletzungen. Sie teilen sich, bilden neue Muskelfasern (weiß: Dystrophin) und durchlaufen dabei verschiedene Entwicklungsstufen (rot, grün, gelb). © Shiqi Su, Will Wang, Sanford Burnham Prebys
Im höheren Alter werden Bewegungen mühsamer, Muskeln schwinden, das Sturzrisiko steigt. Ursache ist häufig Sarkopenie – ein schleichender Verlust von Muskelkraft, der viele Senioren in ihrer Selbstständigkeit einschränkt. Entscheidend dabei: Die Fähigkeit, dass Muskelstammzellen regenerieren und verletztes Gewebe reparieren, nimmt mit den Jahren deutlich ab. Forscher am Sanford Burnham Prebys untersuchen nun in einer aktuellen Studie, wie sich dieser natürliche Reparaturprozess wieder gezielt ankurbeln lässt.
Muskelschwund lässt viele Senioren schnell abbauen
Bei Sarkopenie schrumpfen die Muskeln über Jahre hinweg. Die Betroffenen werden unsicher beim Gehen, stolpern häufiger und verlieren an Selbstständigkeit. Stürze enden nicht selten mit Knochenbrüchen. Jeder Krankenhausaufenthalt schwächt den Körper weiter. Die Folge: Viele ältere Patienten geraten in eine Abwärtsspirale aus Schwäche, Immobilität und zusätzlichen Erkrankungen.
Wissenschaftler versuchen seit Jahren, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Eine zentrale Rolle spielen dabei sogenannte Muskelstammzellen. Diese Zellen reparieren normalerweise verletzte Muskeln und helfen beim Muskelaufbau. Doch mit zunehmendem Alter verlieren sie ihre Kraft. „Wir wussten, dass ein Hauptfaktor die Muskelstammzellen sind, die zur Reparatur von Muskelschäden benötigt werden. Sie werden mit dem Alter funktionsuntüchtig“, erklärt Forschungsleiter Yu Xin (Will) Wang, PhD.
Wie Muskelstammzellen regenerieren
Die Forscher entdeckten, dass die Kommunikation zwischen den Muskelstammzellen und einem bestimmten Botenstoff gestört ist: Prostaglandin E2 (kurz PGE2). Dieses Molekül spielt eine wichtige Rolle, um Stammzellen zur Reparatur anzuregen.
„PGE2 ist ein Wecker, um die Stammzellen aufzuwecken und den Schaden zu reparieren. Das Altern reduziert im Grunde die Lautstärke des Alarms, und die Stammzellen haben sich auch noch Ohrstöpsel aufgesetzt“, erklärt Wang anschaulich. Das Problem entsteht, weil die Rezeptoren, die PGE2 erkennen, mit dem Alter immer weniger werden.
Behandlung mit PGE2 bringt überraschenden Erfolg
Die Forscher wagten einen Therapieversuch an älteren Mäusen. Sie verabreichten den Tieren eine stabile Form von PGE2 und kombinierten die Behandlung mit Bewegung. Das Ergebnis war deutlich: Die Muskelmasse und Muskelkraft der Tiere nahmen sichtbar zu. Im Vergleich zu unbehandelten Mäusen erholten sich die behandelten Tiere schneller und besser von Muskelverletzungen.
Besonders erstaunlich war die Langzeitwirkung. „Was mich am meisten erstaunt, ist, dass eine einzige Dosis ausreicht, um die Funktion der Muskelstammzellen wiederherzustellen, und dass der Nutzen weit über die Wirkungsdauer des Medikaments hinaus anhält“, zeigt sich Wang begeistert. Diese Stabilität könnte für Patienten im Alltag ein großer Vorteil sein.
Die Genaktivität der Zellen ändert sich komplett
Die Behandlung hatte tiefgreifende Effekte auf die Zellen. Viele Gene, die bei alternden Muskelstammzellen normalerweise stärker aktiv sind, schalteten sich durch PGE2 wieder herunter. Umgekehrt aktivierten sich Gene, die bei jungen Stammzellen wichtig sind. „Die Gene, die während des Alterungsprozesses hochreguliert werden, werden nach der Behandlung herunterreguliert und umgekehrt“, fasst Wang zusammen.
Doch die Wirkung beschränkt sich nicht nur auf die Muskeln. PGE2 beeinflusst auch andere Gewebe. „Wir haben zuvor gezeigt, dass PGE2 auch den Muskelfasern und den Nervenzellen, die den Muskel versorgen, zugutekommt. PGE2 ist am Regenerationsprozess und an der Signalübertragung im Darm, in der Leber und in mehreren anderen Geweben beteiligt“, erklärt Wang. Damit könnte die Methode auch für andere altersgeschädigte Organe interessant sein.
Mehr Lebensqualität für ältere Menschen
Langfristig hoffen die Forscher, dass ältere Patienten durch diese Therapie wieder kräftiger und selbstständiger werden. Gerade für Patienten mit bereits bestehender Gebrechlichkeit könnten sich daraus große Chancen ergeben.
Das ultimative Ziel ist es, die Lebensqualität der Menschen zu verbessern, indem wir die Auswirkungen des Alterns umkehren.
Yu Xin (Will) Wang, PhD
Kurz zusammengefasst:
- Bei älteren Menschen verlieren Muskelstammzellen ihre Reparaturfähigkeit, was zu Sarkopenie und höherem Sturz- und Krankheitsrisiko führt.
- Forscher entdeckten, dass der Botenstoff Prostaglandin E2 (PGE2) Muskelstammzellen regenerieren kann, selbst wenn nur noch wenige Rezeptoren aktiv sind.
- Eine einmalige PGE2-Gabe stärkte bei alten Mäusen langfristig die Muskelkraft und könnte auch andere alternde Gewebe positiv beeinflussen.
Übrigens: Muskelaufbau braucht kein Fleisch und keine Shakes. Entscheidend ist nur die tägliche Proteinmenge. Mehr dazu in unserem Artikel.
Bild: © Shiqi Su, Will Wang, Sanford Burnham Prebys
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