Gier nach Tiefsee-Rohstoffen bringt fragile Wirtschaftssysteme an den Rand des Kollapses
Der Tiefseebergbau soll wertvolle Metalle liefern, doch die Folgen sind verheerend. Küsten erodieren, Arten sterben, ganze Inselstaaten geraten wirtschaftlich ins Wanken.

Der Tiefseebergbau bedroht nicht nur Artenvielfalt – auch die Wirtschaft leidet. © Unsplash
Die Vorstellung klingt verlockend: Am Boden der Ozeane schlummern wertvolle Metalle wie Kobalt, Nickel und Seltene Erden. Der Tiefseebergbau soll diese Schätze bergen – doch der Preis könnte hoch sein. Eine neue Studie der University of British Columbia (UBC) warnt eindringlich vor den ökologischen und wirtschaftlichen Folgen dieser Industrie. „Die Risiken des Tiefseebergbaus reichen weit über Umweltfragen hinaus“, sagt Studienleiter Dr. Rashid Sumaila. Was auf den ersten Blick wie technischer Fortschritt wirkt, könnte sich als gefährliche Sackgasse entpuppen.
Laut der Studie könnte der Tiefseebergbau Umweltindikatoren um bis zu 13 Prozent verschlechtern. Gemeint sind unter anderem stärkere Küstenerosion, Artensterben und zunehmende Schadstoffbelastung. „Diese Zahl klingt abstrakt, aber sie hat eine enorme Tragweite“, betont Dr. Sumaila vom Institute for the Oceans and Fisheries der University of British Columbia. Besonders betroffen seien kleine Inselstaaten, deren Ökosysteme und Wirtschaft eng mit dem Meer verbunden sind.
Versicherungen ziehen sich zurück
Die Studie zeigt außerdem: Wenn die Risiken steigen, geraten Versicherungen unter Druck. Sie können Schäden schlechter einschätzen, müssen höhere Beiträge verlangen oder ziehen sich ganz aus bestimmten Regionen zurück. „Wenn das Überschwemmungsrisiko in deiner Region um elf Prozent steigt, dann überlegen sich Versicherungen zweimal, ob sie dich noch absichern“, erklärt Dr. Lubna Alam, Erstautorin der Studie. Sie verweist auf Regionen wie Florida, wo Versicherer sich bereits wegen Klimarisiken zurückziehen.
Das Beispiel zeigt, wie empfindlich Finanzmärkte auf Naturveränderungen reagieren. „Und die Natur kann nun mal keine besseren Konditionen aushandeln“, sagt Dr. Alam. Wenn sich diese Dynamik auf Inselstaaten überträgt, wird es ernst. Viele dieser Länder müssen bereits auf staatliche Versicherungen zurückgreifen – mit deutlich geringerem Schutz.
Wirtschaftsrisiken für kleine Inselstaaten
Die Risiken des Tiefseebergbaus betreffen nicht nur die Umwelt, sondern auch ganze Volkswirtschaften. Die Co-Autorin Kumara Pradhoshini erklärt: „Ein schlechteres Risiko-Rating verteuert Kredite. Das macht Investitionen in Klimaanpassung oder Infrastruktur fast unmöglich.“ Besonders betroffen seien kleine Inselstaaten, die ohnehin unter extremen Wetterlagen und steigendem Meeresspiegel leiden.
Zudem hängen zentrale Wirtschaftsbereiche wie Fischerei und Tourismus direkt vom Zustand des Meeres ab. Sinkt die Artenvielfalt oder wird das Wasser verschmutzt, drohen massive Einnahmeverluste. Arbeitsplätze gehen verloren, Investoren springen ab – die Folgen für die Bevölkerung wären gravierend.
Thunfisch in Gefahr
Ein besonderes Augenmerk legt die Studie auf die Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik, wo derzeit Abbauprojekte geplant sind. Sie gilt als eines der wichtigsten Thunfischfanggebiete der Welt. Doch steigende Wassertemperaturen verschieben die Wanderwege der Fische. Sedimente, Lärm und Licht beim Bergbau könnten zusätzlich die sensiblen Ökosysteme stören.
Für Pazifikstaaten steht viel auf dem Spiel – bis zu 130 Millionen Euro pro Jahr könnten sie bis 2050 verlieren.
Dr. Rashid Sumaila
Kreislauf statt Ausbeutung
Die Forscher schlagen deshalb einen alternativen Weg vor: den Aufbau einer echten Kreislaufwirtschaft. Metalle sollen recycelt, statt neu aus dem Ozean gefördert werden. Ein Beispiel liefert Sumaila mit der Rückgewinnung von Lithium aus alten Batterien: „Neue Technologien können fast alle wertvollen Metalle zurückholen – ohne die Meere zu zerstören.“
So könne man Ressourcen schonen, Müll vermeiden und wirtschaftliche Risiken senken. Für die Forscher ist klar: Wer heute in Recycling und Wiederverwertung investiert, schützt nicht nur die Umwelt, sondern auch künftige Generationen.
Kurz zusammengefasst:
- Der Tiefseebergbau birgt erhebliche Risiken für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft – darunter Küstenerosion, Artensterben und steigende Schadstoffbelastung.
- Besonders kleine Inselstaaten leiden unter den Folgen, weil Versicherungen sich zurückziehen und Kredite teurer werden.
- Wissenschaftler empfehlen den Ausbau der Kreislaufwirtschaft, um Metalle durch Recycling zu gewinnen und die Meere zu schützen.
Übrigens: In 2.500 Metern Tiefe stoßen Forscherinnen auf unbekannte Tierarten und ein neues Tiefsee-Ökosystem. Mehr dazu in unserem Artikel.
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