Bildungslücke wächst: Frauen holen auf, Männer bleiben zurück

Junge Frauen überholen zunehmend ihre männlichen Altersgenossen im Bildungssystem – von besseren Schulnoten über höhere Abschlüsse bis hin zum schnelleren Studienerfolg.

Gender Education Gap: Warum Frauen in der Bildung vorn liegen

An deutschen Hochschulen holen Frauen auf – sie schließen häufiger ihr Studium ab und sind in vielen Fächern in der Mehrheit. © Pexels

In deutschen Klassenzimmern hat sich einiges verschoben: Mädchen schreiben bessere Noten, wiederholen seltener eine Klasse und verlassen die Schule häufiger mit Abitur als Jungen. Und auch an den Hochschulen zeigt sich ein klares Bild: Frauen führen. Die jüngsten Zahlen des Statistischen Bundesamtes über den Gender Education Gap zeigen, wie deutlich sich die Rollen verteilt haben. Im Jahr 2023 beendeten rund 260.000 junge Menschen die Schule mit dem Abitur. 55 Prozent davon waren Mädchen. Damit haben sie die Jungen ein gutes Stück abgehängt.

Jungen häufiger mit niedrigem Abschluss

Je niedriger der Schulabschluss, desto eher handelt es sich bei den Absolventen um junge Männer. Beim Hauptschulabschluss lag ihr Anteil bei knapp 60 Prozent. Auch beim Realschulabschluss waren sie etwas häufiger vertreten als Mädchen. Fast 340.000 Schülerinnen und Schüler erreichten 2023 diesen Abschluss – Jungen lagen hier mit 51 Prozent leicht vorn. Beim Thema Sitzenbleiben zeigen sich ähnliche Muster. Im Schuljahr 2023/2024 wiederholten rund 147.000 Kinder und Jugendliche eine Klassenstufe. 56 Prozent davon waren Jungen. Die Statistik spricht somit eine klare Sprache: Mädchen lernen oft konstanter und bleiben seltener sitzen.

Die Grafik zeigt die Unterschiede bei den Bildungsabschlüssen, aufgeteilt nach Geschlecht. © Statistisches Bundesamt
Die Grafik zeigt die Unterschiede bei den Schulabschlüssen, aufgeteilt nach Geschlecht. © Statistisches Bundesamt

Der Bruch nach der Schule

Spannend wird es nach dem Schulabschluss. Hier zeigt sich eine Lücke, die größer wird. Rund 15 Prozent der jungen Männer zwischen 18 und 24 Jahren hatten 2023 keinen Ausbildungsplatz, kein Studium und keinen höheren Schulabschluss. Bei den Frauen in diesem Alter lag der Anteil bei etwa 11 Prozent. Vor zehn Jahren sah das noch anders aus: Damals lagen beide Gruppen fast gleichauf. Bei den Männern hat sich der Anteil also deutlich erhöht – bei den Frauen nur leicht. Besonders betroffen: junge Männer mit ausländischem Pass. Von ihnen hatten 2023 mehr als ein Drittel weder Ausbildung noch höheren Abschluss.

Frauen holen an der Uni auf

An den Hochschulen dreht sich das Verhältnis wieder: Von den mehr als 500.000 Studienabschlüssen im Jahr 2023 entfielen 53 Prozent auf Frauen. Vor allem in den Bachelor- und Masterstudiengängen sowie bei Staatsexamina – etwa in Medizin, Jura oder dem Lehramt – zeigen Frauen starke Leistungen. Nur bei der Promotion holen Männer auf. 54 Prozent der Doktortitel gingen an sie. In den technischen Studiengängen wie Maschinenbau, Informatik oder Elektrotechnik bleiben Männer ebenfalls in der Überzahl.

Studienrichtung entscheidet über das Geschlechterverhältnis

Die Wahl der Fächer zeigt deutlich, wie unterschiedlich sich junge Frauen und Männer entscheiden. In den Geisteswissenschaften lag der Frauenanteil bei 74 Prozent, in der Medizin bei rund 69 Prozent. Auch in Rechts-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie in den Naturwissenschaften waren Frauen in der Mehrheit. Bei den Ingenieurwissenschaften dagegen ist das Bild fast umgekehrt: Drei Viertel der Abschlüsse machten Männer. Im Fach Sport lag der Männeranteil bei 54 Prozent.

Männer brauchen länger – und scheitern öfter

Auch die Dauer bis zum ersten Studienabschluss unterscheidet sich. Männer waren im Durchschnitt 23,9 Jahre alt, wenn sie ihr Studium beendeten. Frauen lagen mit 23,4 Jahren ein halbes Jahr darunter. Auch die Zahl der benötigten Semester zeigt einen Vorsprung: Frauen schafften den Abschluss im Mittel in knapp acht Semestern, Männer brauchten fast ein halbes Semester länger. Noch gravierender ist jedoch die Durchfallquote. Rund 20.000 Prüfungen wurden 2023 endgültig nicht bestanden. Zwei Drittel davon betrafen Männer. Ihr Anteil an den nicht bestandenen Abschlussprüfungen lag bei über fünf Prozent. Bei Frauen waren es nur 2,5 Prozent.

Gender Education Gap wächst

Laut Statistischem Bundesamt haben sich diese Unterschiede beim Gender Education Gap in den letzten Jahren weiter vergrößert. Besonders auffällig ist, dass viele junge Männer nach der Schule keinen Anschluss finden – weder beruflich noch akademisch. Ein Sprecher des Bundesamtes erklärt: „Je niedriger der Schulabschluss, desto größer ist der Anteil männlicher Absolventen. Bei höheren Bildungsabschlüssen kehrt sich das Verhältnis um.“

Warum das Thema alle betrifft

Diese Entwicklung betrifft nicht nur Schulen und Unis, sondern auch den Arbeitsmarkt. Wer keinen Abschluss hat, findet später seltener einen festen Job. Für Deutschland bedeutet das: Eine ganze Gruppe junger Männer könnte langfristig abgehängt werden – mit Folgen für die Wirtschaft, das Sozialsystem und die Gleichstellung. Während junge Frauen häufiger durchstarten, verlieren viele männliche Gleichaltrige den Anschluss. Die Bildungsdaten liefern damit nicht nur Statistiken, sondern auch ein klares Warnsignal – und zeigen, wie dringend neue Lösungen gebraucht werden.

Kurz zusammengefasst:

  • Laut Statistischem Bundesamt schneiden junge Frauen bei Schulabschlüssen und Studienleistungen insgesamt besser ab als junge Männer.
  • Mädchen erreichen häufiger das Abitur und müssen seltener eine Klasse wiederholen, während Jungen öfter mit niedrigeren Abschlüssen die Schule verlassen.
  • An Hochschulen erreichen Frauen ihren Abschluss im Schnitt schneller und bestehen Prüfungen häufiger beim ersten Versuch, während Männer tendenziell mehr Zeit benötigen.

Übrigens: Während junge Frauen beim Lernen aufholen, kämpfen viele Schulen in Deutschland mit kaputten Gebäuden, fehlenden Lehrkräften und Kindern, die kaum lesen können. Mehr dazu in unserem Artikel.

Bild: © Pexels

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