Offshore-Windparks verlieren Farbe: Tausende Tonnen Partikel landen im Meer
Saubere Energie mit schmutziger Spur. Windräder verlieren Beschichtungen und belasten die Umwelt.

Unsichtbare Gefahr unter Wasser. Farbpartikel aus Windparks sickern in die Meeresböden ein. © ILVO/RBINS
Der Ausbau der Offshore-Windparks schreitet rasant voran. Bis 2050 soll allein in der Nordsee eine Kapazität von 300 Gigawatt erreicht werden. Das entspricht rund 20.000 neuen Windkraftanlagen, die in den kommenden Jahrzehnten errichtet werden. Während dieser massive Ausbau der erneuerbaren Energien ein wichtiger Schritt in Richtung Klimaschutz ist, rücken mögliche Umweltauswirkungen immer stärker in den Fokus. Eine neue Studie der Technischen Universität Braunschweig zeigt, dass Farbpartikel, die sich von den Korrosionsschutzbeschichtungen der Fundamente von Offshore-Windparks ablösen, in die Meeresumwelt gelangen. Diese Partikel können sich nicht nur über weite Strecken verteilen, sondern möglicherweise auch langfristige Folgen für das marine Ökosystem haben.
Farbpartikel in marinen Sedimenten nachgewiesen
Die Fundamente der Offshore-Windräder müssen extremen Bedingungen standhalten. Um Korrosion zu vermeiden, werden spezielle Beschichtungen aufgetragen, die mit Zusatzstoffen wie Zink- oder Glasflocken verstärkt sind. Diese Partikel erhöhen die Haltbarkeit der Farbe, sorgen aber auch dafür, dass sie eine deutlich höhere Dichte als Meerwasser haben. Sobald sich Farbpartikel lösen, sinken sie rasch zum Meeresboden. Doch das bedeutet nicht, dass sie dort bleiben.
„Sobald die Partikel die Sedimente des Meeresbodens erreicht haben, werden sie mit den Grundströmungen weitergetragen“, erklärt Professor Nils Goseberg, Leiter des Leichtweiß-Instituts für Wasserbau (LWI) der Technischen Universität Braunschweig. Zudem beeinflussen biologische Prozesse den Transport. Meeresorganismen können die Partikel mit Biofilmen überziehen oder sie während der Nahrungssuche aufnehmen. Auch durch Bioturbation, also das Umwühlen des Sediments durch Organismen, können die Partikel tief in die Meeresböden eingebettet werden.
Diese Erkenntnisse sind entscheidend, um die Verbreitung und mögliche Ansammlung der Farbpartikel im Meer zu verstehen. „Die Zusammenstellung aller möglichen Transportwege von abgeplatzten Partikeln der Korrosionsschutzsysteme ist der grundlegende Schritt, um zukünftige Feldstudien und Bewertungen durchführen zu können“, betont Goseberg.
Wie viele Farbpartikel gelangen ins Meer?
Bislang gab es keine genauen Untersuchungen darüber, wie viele Farbpartikel Offshore-Windparks tatsächlich freisetzen. Die Wissenschaftler des LWI haben erstmals eine Prognose erstellt. „Die Ergebnisse zeigen, dass ein Windpark mit einer installierten Kapazität von 250 Megawatt über eine geplante Betriebsdauer von 25 Jahren zwischen 430 und 2.200 Kilogramm Partikel freisetzen könnte, angenommen ein bis fünf Prozent der aufgebrachten Beschichtung lösen sich in der Zeit ab“, erklärt Niklas Czerner, wissenschaftlicher Mitarbeiter am LWI.
Weltweit könnten alle bis 2024 errichteten Offshore-Windparks insgesamt 166 bis 832 Tonnen Farbpartikel in die Meeresumwelt abgeben. Falls der Ausbau der Windenergie in der Nordsee und in Südostasien weiter forciert wird, könnten die Emissionen bis 2035 auf 610 bis 3.052 Tonnen steigen. Diese Zahlen verdeutlichen, dass die Emission von Farbpartikeln aus Windparks kein Einzelfall, sondern ein globales Phänomen ist.
Unklare Folgen für die Umwelt
Ob diese Mengen negative Auswirkungen auf das Ökosystem haben, lasse sich bislang nicht sicher sagen, so die Wissenschaftler. Die aktuelle Studie liefert erste Hinweise, doch weitere Forschung sei dringend nötig. „Offshore-Windenergie ist eine wichtige Schlüsseltechnologie für einen Übergang hin zu einer nachhaltigen und unabhängigen Energieversorgung“, betont Czerner. Deshalb sei es entscheidend, alle potenziellen Risiken frühzeitig zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu entwickeln.
Eine Möglichkeit, um die Emissionen zu reduzieren, könnte die Entwicklung umweltfreundlicherer Beschichtungen für Windkraftanlagen sein. Die Technische Universität Braunschweig plant deshalb weitere Untersuchungen, um die chemischen Emissionen zu minimieren. Auch neue Materialien oder alternative Schutzmethoden könnten eine Rolle spielen.
Internationale Zusammenarbeit zur Reduzierung von Emissionen
Die aktuelle Studie ist Teil des Anemoi-Projekts, das bis 2027 läuft und mit 3,2 Millionen Euro gefördert wird. Davon erhält das Leichtweiß-Institut rund 470.000 Euro. Forscher aus elf europäischen Institutionen arbeiten gemeinsam mit politischen Entscheidungsträgern und Industrievertretern an Lösungen. Ihr Ziel ist es, umweltverträgliche Alternativen für Offshore-Windparks zu entwickeln und gesetzliche Vorgaben zu überarbeiten.
Die Forscher hoffen, mit ihren Erkenntnissen dazu beizutragen, dass die Offshore-Windenergie langfristig nicht nur klimafreundlich, sondern auch umweltverträglich gestaltet wird.
Kurz zusammengefasst:
- Offshore-Windenergieanlagen setzen Farbpartikel aus ihren Korrosionsschutzbeschichtungen frei, die ins Meer gelangen, sich dort verteilen und in den Sedimenten ablagern können.
- Eine Studie der Technischen Universität Braunschweig hat erstmals untersucht, wie diese Partikel transportiert werden und in welchen Mengen sie in der Meeresumwelt auftreten – bis 2035 könnten es weltweit bis zu 3.052 Tonnen sein.
- Die Auswirkungen auf die Umwelt sind noch unklar, doch die Forscher fordern weitere Untersuchungen und die Entwicklung umweltfreundlicherer Beschichtungen, um Emissionen zu reduzieren.
Bild: © ILVO/RBINS