Neue Studie zeigt, wie sich das Gehirn von Bücherwürmern und Lesemuffeln unterscheidet

Lesegenies haben mehr als nur Talent: Ihr Gehirn zeigt überraschende anatomische Besonderheiten, die das Lesen erleichtern.

Eine neue Studie hat entdeckt, dass regelmäßiges Lesen die Struktur des Gehirns beeinflusst. © Pexels

Eine neue Studie hat entdeckt, dass regelmäßiges Lesen die Struktur des Gehirns beeinflusst. © Pexels

Lesen gehört für viele Menschen zum Alltag – doch nicht jeder liest mit der gleichen Fähigkeit. Eine neue Studie zeigt, dass Menschen, die gut lesen können, spezifische anatomische Merkmale im Gehirn aufweisen. Veröffentlicht wurde die Untersuchung in der Fachzeitschrift NeuroImage und basiert auf Daten von mehr als 1.000 Teilnehmern. Studienautor Mikael Roll stellt seine Ergebnisse in einem Beitrag für The Conversation vor.

Besonders die Struktur in zwei Regionen der linken Gehirnhälfte ist für das Lesen ausschlaggebend. Die erste ist der vordere Teil des Schläfenlappens, auch als linker Temporallappen bekannt. Diese Region hilft dabei, unterschiedliche Arten von Informationen zu verknüpfen – etwa, wie ein Bein aussieht, sich anfühlt oder bewegt. Die zweite Region umfasst die sogenannten Gyri temporales transversi, auch Heschl’sche Querwindungen genannt, die im oberen Bereich des Schläfenlappens liegen und für die Wahrnehmung von Geräuschen verantwortlich sind.

Unterschiede in der Gehirnstruktur

Ein größerer vorderer Teil des linken Temporallappens erleichtert es offenbar, Wörter zu verstehen und zu lesen. Interessanterweise spielen auch die Heschl’schen Querwindungen eine wichtige Rolle, obwohl Lesen hauptsächlich als visuelle Fähigkeit wahrgenommen wird. Für die Zuordnung von Buchstaben zu Sprachlauten ist jedoch ein Bewusstsein für die Laute einer Sprache erforderlich. Diese phonologische Bewusstheit ist laut Roll auch entscheidend für die Leseentwicklung bei Kindern.

Die Studie zeigt außerdem, dass dünnere Querwindungen in der linken Gehirnhälfte oft in Verbindung mit Dyslexie auftreten. Dies deutet darauf hin, dass die Dicke dieser Region mit den Leseleistungen korreliert. Allerdings ziehen die Ergebnisse keine klare Grenze zwischen Menschen mit oder ohne Dyslexie, sondern zeigen vielmehr eine Bandbreite von Lesefähigkeiten in der Bevölkerung.

Ob eine dickere oder dünnere Hirnrinde besser ist, hängt stark von der Funktion der jeweiligen Region ab. In der linken Gehirnhälfte sind die Heschl’schen Querwindungen bei guten Lesern meist etwas dicker und ausgedehnter. Verantwortlich dafür ist eine fetthaltige Substanz namens Myelin, die die Nervenzellen isoliert und ihre Kommunikation beschleunigt. Diese schnellere Signalverarbeitung erleichtert das Verständnis von Sprache.

Nach dem „Ballonmodell“ der Gehirnentwicklung kann mehr Myelin dazu führen, dass sich bestimmte Bereiche der Hirnrinde flacher, aber dafür breiter ausdehnen. Das gilt insbesondere für die linke Gehirnhälfte, die stark auf Sprache spezialisiert ist. Die Forscher fanden heraus, dass in dieser Region die Kombination aus Größe, Dicke und Ausdehnung die Lesefähigkeit beeinflusst.

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Strukturen, die Sprache prägen

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Integration komplexer Informationen. Die vordere Region des Temporallappens – die dickste Struktur der Hirnrinde – verarbeitet Informationen holistisch, also ganzheitlich. Dies erleichtert die Kombination verschiedener sprachlicher Elemente wie Klang und Motorik zu sinnvollen Einheiten. Phonologie, also die Verarbeitung von Sprachlauten, ist eine besonders komplexe Fähigkeit. Studien zeigen, dass Menschen mit besonderen Fähigkeiten in diesem Bereich oft mehr Heschl’sche Querwindungen in der linken Gehirnhälfte besitzen.

Dank seiner Plastizität passt sich das Gehirn stets an neue Herausforderungen an. Junge Erwachsene, die Sprachstudien intensiv betreiben, zeigten im Rahmen der Studie eine Zunahme der Dicke in den relevanten Sprachregionen. Dies deutet darauf hin, dass regelmäßiges Lesen die Struktur des Gehirns beeinflussen kann. Ob also Leseratte oder doch nur Gelegenheitsleser: Wer sich mit anspruchsvoller Literatur beschäftigt, könnte nicht nur seine Sprachkompetenz steigern, sondern auch sein Gehirn langfristig positiv formen.

Was du dir merken solltest:

  • Eine neue Studie zeigt, dass die Lesefähigkeit mit spezifischen anatomischen Merkmalen im Gehirn zusammenhängt, speziell in zwei Regionen der linken Gehirnhälfte.
  • Diese Regionen, die Sprachverarbeitung und die Verbindung von Informationen fördern, sind bei guten Lesern oft dicker und ausgedehnter, was durch die fetthaltige Substanz Myelin unterstützt wird.
  • Die Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass regelmäßiges Lesen und Sprachtraining die Struktur und Funktion dieser Gehirnbereiche positiv beeinflussen können.

Bild: © Pexels

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