Gesichtsyoga statt Botox: Wie Frauen ihre Falten mit Grimassen glätten wollen
Schluss mit teuren Anti-Aging-Cremes: Gesichtsyoga verspricht straffere Haut. Doch was steckt hinter dem Social-Media-Hype?
Gesichtsyoga ist der neue Hype in sozialen Medien. Immer mehr Frauen entdecken diese Methode, die als natürliche Alternative zu Botox beworben wird. Mit gezielten Übungen sollen Falten reduziert, Muskeln gestärkt und die Haut gestrafft werden. Aber wie viel steckt hinter den Versprechen, und was kann Gesichtsyoga wirklich leisten?
Mit dieser Frage hat sich Julia Wadhawan in einer Ausgabe von Gesundheit & Fitness im SPIEGEL beschäftigt. Eine Freundin der Autorin schwört auf Gesichtsyoga. Sie hat sich einen Online-Kurs gekauft und widmet sich seit sechs Monaten regelmäßig ihrer abendlichen Routine: Massagen mit Jojobaöl, Stirnübungen und das Pendeln der Zunge. Ihre Begeisterung ist so groß, dass sie Vorher-Nachher-Bilder schickt, um die Resultate zu demonstrieren. Die Autorin bleibt skeptisch: „Come on, das liegt ganz klar am Licht.“ Doch die Leidenschaft ihrer Freundin macht neugierig, und Wadhawan beginnt, die Hintergründe von Gesichtsyoga genauer unter die Lupe zu nehmen.
Tradition oder Trend?
Auf den ersten Blick scheint Gesichtsyoga wenig mit der traditionellen Yogapraxis gemein zu haben. Laura von Ostrowski, Yogalehrerin und Religionswissenschaftlerin, erklärt: „Gesichtsyoga stammt nicht aus der Yogatradition.“ Laut ihr haben klassische Yogatechniken eher spirituelle Ziele, etwa die Befreiung vom Kreislauf von Geburt und Tod oder die Überwindung der materiellen Welt. Trotzdem räumt sie ein: „Auch alte Yogatraditionen hatten manchmal oberflächlichere Ziele, als viele heute denken.“ Schönheit spielte schon damals eine Rolle – wenn auch ohne die heutigen strengen Schönheitsideale.
Dennoch gibt es Berührungspunkte. In traditionellen Übungen wie Simhasana, der Löwenhaltung, werden Gesichtsmuskeln bewusst aktiviert. Dabei streckt man die Zunge weit heraus, schielt auf das Augenbrauenzentrum und brüllt wie ein Löwe. Diese Übung soll entspannend wirken und gleichzeitig die Gesichtsmuskeln trainieren. Von Ostrowski sieht hierin einen wichtigen Punkt: „Bewegung hält geschmeidig und verlangsamt Degenerationsprozesse – das gilt für den Körper genauso wie für das Gesicht.“
Wissenschaftlich umstritten, aber nicht ohne Effekt
Die wissenschaftliche Basis für Gesichtsyoga ist bislang dünn. Eine Studie der Northwestern University aus dem Jahr 2018 untersuchte die Effekte gezielter Gesichtsgymnastik. Die Teilnehmerinnen führten über fünf Monate regelmäßig Übungen durch. Im Ergebnis wirkten ihre Wangen straffer, und ihr Alter wurde jünger eingeschätzt. Allerdings war die Teilnehmerzahl mit nur 27 Frauen gering, und nur 16 beendeten die Studie. Die Aussagekraft bleibt dadurch begrenzt.
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Dermatologen stehen der Methode kritisch gegenüber. Anne Gürtler erklärt im SPIEGEL-Interview:
Viele Menschen trinken Alkohol und essen schlecht, aber erwarten, dass die 100-Euro-Creme alles ausgleicht. Gesunde Haut kommt von innen, nicht nur von außen.
Für straffe Haut sind Faktoren wie eine ausgewogene Ernährung, Sonnenschutz und ein gesunder Lebensstil entscheidend. Gesichtsyoga kann dabei unterstützen, ist jedoch keine Wundermethode.
Mehr als Hautstraffung
Trotz der offenen Fragen bietet Gesichtsyoga mehr als reine Kosmetik. Es vereint körperliche Bewegung mit einem bewussten Umgang mit dem eigenen Körper. Yoga lehrt Akzeptanz und hilft, den Alterungsprozess besser anzunehmen. Dies betont auch die Freundin der Autorin, die sich nach ihren abendlichen Übungen entspannt und wohl fühlt: „Relaxed, pretty and ready to sleep.“
Laura von Ostrowski erklärt, dass solche Routinen auch psychologisch wirken können:
Wer den Körper in Bewegung hält, fühlt sich energiegeladener und strahlt das aus – da fallen Falten womöglich weniger auf.
Dieser Effekt spiegelt sich auch in traditionellen Yogapraktiken wider, die sich oft um das Lenken der Lebensenergie und die Stärkung des Körpers drehen.
Zwischen Akzeptanz und Kontrolle
Gesichtsyoga bietet nicht nur die Möglichkeit, Falten vorzubeugen, sondern auch eine neue Perspektive auf das eigene Älterwerden. Die Übungen ermutigen dazu, sich mit dem natürlichen Alterungsprozess auseinanderzusetzen und eine positive Beziehung zum eigenen Körper aufzubauen. Akzeptanz, Bewegung und Pflege stehen im Mittelpunkt – Elemente, die auch tief in der Yogapraxis verwurzelt sind.
Obwohl Gesichtsyoga keine wissenschaftlich belegte Anti-Aging-Wunderwaffe ist, kann es durch seine Kombination aus Bewegung und Entspannung eine sinnvolle Ergänzung zu einem gesunden Lebensstil sein.
Was du dir merken solltest:
- Gesichtsyoga trainiert Gesichtsmuskeln und fördert die Durchblutung, was Falten reduzieren und die Haut straffen kann, auch wenn wissenschaftliche Belege dafür begrenzt sind.
- Die Übungen stammen nicht aus der traditionellen Yogapraxis, aktivieren jedoch Muskeln ähnlich wie klassische Körperhaltungen und können zu einem entspannteren Erscheinungsbild führen.
- Ein gesunder Lebensstil bleibt entscheidend, denn Faktoren wie Ernährung, Sonnenschutz und Bewegung spielen eine größere Rolle für straffe Haut als jede Übung oder Creme.
Übrigens: Es gibt ein neues Anti-Aging-Mittel, das Wissenschaftler fasziniert – Rapamycin. Es überzeugt in Studien mit beeindruckenden Ergebnissen, indem es die Lebensdauer von Tieren verlängert und die Gesundheit im Alter verbessert. Mehr dazu in unserem Artikel.
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