Wie Neuronen in unserem Körper Energie sparen – und was das mit Alzheimer zu tun hat
Forscher aus Bonn zeigen, welche Strategien Neuronen nutzen, um Energie zu sparen. Ihr Trick könnte neue Therapieansätze ermöglichen.

Das menschliche Gehirn verbraucht einen Großteil der Energie des Körpers. Um diesen Verbrauch möglichst gering zu halten, haben die Nervenzellen einige spezielle Mechanismen entwickelt. © Vecteezy
Nervenzellen haben raffinierte Strategien entwickelt, um Energie zu sparen, ohne dabei an Funktionalität einzubüßen. Das haben Forscher des Universitätsklinikums Bonn (UKB) im Rahmen einer neuen Studie herausgefunden, die sie erst kürzlich in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht haben.
Etwa 20 Prozent der gesamten Energie des menschlichen Körpers gehen an das Gehirn. Besonders die Synthese, der Transport und der Abbau von Proteinen erfordern hohe Energiemengen. Nervenzellen, auch Neuronen genannt, setzen daher auf einige effiziente Mechanismen, um Energie zu sparen. Diese muss erst über die Nahrung aufgenommen werden – allzu verschwenderisch sollte der Körper also nicht damit umgehen.
Die Forscher haben anhand von zehntausenden Molekülen mit verschiedenen Eigenschaften untersucht, wie das neuronale Energiemanagement die Verteilung und die Anzahl von Boten-RNA (mRNA) und Proteinen beeinflusst. Dabei zeigte sich: Die Zellen regulieren gezielt, wo und in welcher Menge der Körper diese Moleküle produziert.
Wir fanden heraus, dass das Bestreben, Energie zu sparen, die mRNA- und Protein-Anzahl sowie deren Ort bestimmt und dabei auf jede Molekülspezies unterschiedlich wirkt – je nach Länge, Lebensdauer und anderen Eigenschaften des jeweiligen Moleküls.
Cornelius Bergmann, Doktorand am UKB
Effizientes Energiemanagement auf molekularer Ebene
So wie man beim Kauf eines neuen Kleiderschranks diesen auch nicht im Möbelhaus zusammenbaut und dann umständlich nach Hause transportiert, so synthetisiert der Körper kurzlebige Proteine bevorzugt direkt an ihrem Einsatzort – nicht im Zellkörper, sondern in den verzweigten Fortsätzen der Neuronen, den Dendriten. Dadurch sparen die Zellen Transportenergie und vermeiden unnötigen Verbrauch.

Das System verteilt langlebige Proteine so, dass ihr Transport nur minimalen Energieaufwand erfordert. Da lange Transportstrecken innerhalb der Nervenzelle viel Energie verbrauchen, platziert die Zelle mRNA für bestimmte Proteine gezielt an den Orten, an denen sie direkt in Proteine übersetzt werden. Selbst beim Abbau folgt die Zelle einem energieeffizienten Prinzip: Sie baut bestimmte Proteine bevorzugt in energetisch günstigen Bereichen ab, um wertvolle Bausteine zu erhalten.
Neues Verständnis der Genexpression
Die Studie zeigt, dass nicht nur spezifische Zellfunktionen, sondern vor allem physikalische Eigenschaften die Verteilung von Molekülen steuern. „Unser Modell bietet eine neue Perspektive, um Dutzende existierende Datensätze aus verschiedenen Laboren miteinander in Beziehung zu setzen“, sagt Kanaan Mousaei, ebenfalls Doktorand am UKB.
Mit dieser Forschung liefern die Wissenschaftler eine neue Grundlage für das Verständnis der Genexpression in Nervenzellen. Die Erkenntnisse könnten helfen, neurologische Erkrankungen besser zu verstehen und langfristig neue Therapieansätze zu entwickeln. Darüber hinaus könnten die Ergebnisse dazu beitragen, neue Strategien zur Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson zu entwickeln.
Kurz zusammengefasst:
- Nervenzellen sparen Energie, indem sie gezielt steuern, wo und in welcher Menge die Produktion von Boten-RNA (mRNA) und Proteine stattfindet.
- Kurzlebige Proteine entstehen direkt an ihrem Einsatzort. Langlebige Proteine hingegen werden mit minimalem Aufwand, heißt über die kürzeste mögliche Strecke hinweg, transportiert.
- Physikalische Eigenschaften wie die Länge und Lebensdauer von Molekülen beeinflussen maßgeblich, wie das neuronale Energiemanagement funktioniert – eine Erkenntnis, die langfristig zur Entwicklung neuer Therapien beitragen könnte.
Bild: © Vecteezy
1 thought on “Wie Neuronen in unserem Körper Energie sparen – und was das mit Alzheimer zu tun hat”